Antonio Weinitschke – darum hat der neue Art Director des Zentralverbands „Ja“ gesagt…

Antonio-Weinitschke-darum-hat-der-neue-Art-Director-des-Zentralverbands-Ja-gesagt-1943-1
Antonio Weinitschke: der neue ZV Art Director hat viele Pläne
Antonio Weinitschke: der neue ZV Art Director hat viele Pläne

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Noch Ende 2016 sprach Antonio Weinitschke davon, sich von seinen offiziellen Ämtern zurückzuziehen, um mehr Zeit für die Familie, für sich und den Salon zu haben. Seit Mai 2017 ist er der neue Art Director beim Zentralverband. Mit fmfm.de sprach Antonio Weinitschke über seine spannende Kehrtwende und seine Pläne in der Schaltstelle deutscher Frisurenmode.

Anzeige

Anzeige

Herr Weinitschke, nach dem Rücktritt von Roberto Laraia treten Sie seine Nachfolge als Art Director des ZV-Modeteams an. Wie fühlt sich das an?

Antonio Weinitschke: Nun, ich habe ja bereits 9 Jahre aktiv im Modeteam mitgearbeitet, als Kreativdirektor bis 2014. Dadurch war mir schon bekannt, dass es nicht einfach ist. Entscheidungsfindungen dauern mitunter recht lange, weil sie viele Gremien durchlaufen müssen. Manchmal muss man sich, wenn es Schwierigkeiten gibt, erst mal mit allen Beteiligten zusammensetzen und die Lage erörtern. Und mitunter muss man dann auch unter bestimmte Dinge, die nicht funktionieren, Schlussstriche ziehen.

 

Eigentlich wollten Sie 2017 in Sachen Verbandsarbeit deutlich kürzer treten. Wie kam es, dass Sie statt des Rückwärtsgangs jetzt den Turbogang einlegen?

Antonio Weinitschke: Es war auch Robertos Interesse, dass ich das mache. Er wollte gern, dass das Amt jemand übernimmt, der Ahnung hat und auch in der Lage ist, dem Verband gegenüber fachkundig zu argumentieren. Wichtig ist ja auch, dass man weiß, wie die Politik funktioniert. Ich hatte gerade mein Amt als Fachbeiratsleiter im Landesverband aufgegeben und wollte auch beim ZV ganz aufhören. Dann hat man mich gefragt, ob ich Art Director werden möchte. Ich habe gesagt, dass ich erst einmal mit meiner Frau reden müsse. Dann habe ich es mir reiflich überlegt und viele Gespräche geführt. Als ich merkte, dass ich auch in der Industrie den Rückhalt für meine Ideen habe, habe ich ja gesagt. Letztlich ist es ja so: Wenn ich selbst nichts bewege oder vorgebe, kann ich auch nichts erwarten. Das ist oft das Problem jüngerer Leute. Mit welcher Zielsetzung gehen sie an den Start? Das Wichtigste ist mir erst einmal die Vermarktung unserer Mode. Mein Ziel ist, dass jedes Verbandsmitglied zweimal im Jahr automatisch unser Magazin bekommt, im Laden zur Inspiration auslegt und als Beratungsinstrument einsetzt – und zwar als Modestatement von Profis. Wenn wir uns dieses Magazin kaputt machen lassen, hat der Fachverband eigentlich nichts Fachliches mehr. Die Presse fragt ja nach der Mode und sie wird gut angenommen. Wir erhalten viele Anfragen von Frauenmagazinen, wenn es um Frisurentrends, Bürsten, Stylings aller Art geht. Wir müssen da als Verband präsent sein. Dafür müssen die Frisuren im Heft dem Friseur und den Kunden gefallen. Der Friseur mag es oft etwas progressiver. Wobei wir innerhalb der Friseurszene schon große Unterschiede im Anspruch haben. Das heißt: die Haarschnitte müssen in der Basis cool sein, aber in der Veränderung alle Facetten von Schnitt, Farbe und Styling zeigen. Am liebsten von vorne und von hinten. Die Kunden sollen sich wiederfinden. Der Friseur aber auch. Wichtig: Die Azubis müssen die Looks auch nacharbeiten können und trendig finden.

 

Sind da strukturelle Veränderungen geplant?

Antonio Weinitschke: Bis vor wenigen Jahren gab es Mitglieder im Team, die sich jeweils ums Herrenfach, ums Damenfach und um die Kosmetik gekümmert haben. Vor einiger Zeit wurde dann die Trennung innerhalb der Bereiche abgeschafft und alles in einen großen Topf geworfen. Aber ich finde schon, dass es ein großer Unterschied ist, ob die Mode für Männer, für Frauen oder ob es gar Kosmetik ist. Mann muss sich da mit Fachleuten auseinandersetzen. Ich bin z.B. auch gelernter Herrenfriseur und schneide Herren im Salon. Aber mein Steckenpferd waren immer schon die Damen. Wenn sich jemand dagegen stark mit dem Herrenfach identifiziert, hat er auch einen anderen Bezug zur Barberszene und anderen modischen Belangen in diesem Bereich. Da habe ich eher wenig Einblick. Als Art Director ist man jedoch für alles zuständig. Also möchte ich bei Detailfragen Spezialisten hinzuziehen. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass ich jemanden für jeweils ein Jahr bitte, mein Ansprechpartner für die Damen-, Herrenmode oder die Kosmetik zu sein. So kann ich auch Nachwuchs für die Verbandsarbeit generieren.

 

Bald stehen die hairGames 2017 an, bislang bekannt als Deutsche Meisterschaften. Was erwartet uns da? Neuer Name, neuer Inhalt?

Antonio Weinitschke: Der Inhalt ist natürlich an einigen Stellen gewachsen, an anderen Stellen einfacher geworden. Das haben Roberto und Ansgar auf den Weg gebracht, und das werde ich auch weiterverfolgen! Den Grundstein haben wir schon damals gelegt, als wir beschlossen haben, dass die Teilnehmer beim modernen Wettbewerb kreativer arbeiten sollen, anstatt sich zu stark trainieren zu lassen. Das ist eher bei internationalen Wettstreits sinnvoll, bei denen es um die hohe Kunst des Frisierens geht – von manchen ja als „Zuckerbäckerei“ bezeichnet. Aber viele wollen mal bei einem Wettbewerb mitmachen, bei dem sie spontan ihre Kreativität zeigen können: Das ist für mich Trend, da gehen die Farbe und der Schnitt hin. Und dort sollen sie sich austoben. Wir möchten, dass die nationalen Wettbewerbe offen sind. Natürlich sollte man sich auch hier gut vorbereiten, Ideen ausarbeiten und das angebotene Coaching – wenn man möchte – wahrnehmen.

 

Sind die hairGames jetzt der Gegenentwurf zu den Wettbewerben der Industrie?

Antonio Weinitschke: Nein, die Wettbewerbe der Industrie sind ja in aller Regel primär Wettbewerbe, bei denen Fotos eingesendet werden und daraus der Gewinner gekürt wird. Wir haben einen solchen Foto-Wettbewerb jetzt als Zusatz aufgenommen, allerdings nur zur Vorauswahl. Dann kann man bereits im Vorfeld erkennen, ob Schnitt und Farbe das handwerkliche Extra haben. Sicher, das Ganze soll tragbar sein, aber bestimmte Feinheiten kommen eben erst in extremeren Schnitten zur Geltung. Es ist ein bisschen wie in der Formel 3. Formel 1 ist absolute Königsklasse, Formel 3 zeigt Mode und Trend, die erkennbar gut gearbeitet sind. Im Zentrum der hairGames steht jedoch nach wie vor die Erarbeitung des Looks live auf der Bühne.

 

Was erhoffen Sie sich von den Veränderungen?

Antonio Weinitschke: Mir geht es darum, zunächst einmal den nationalen Wettbewerb aufzubauen, sodass das Ganze wieder interessanter wird. Wir möchten, dass die Teilnehmer Lust bekommen, mitzumachen und erkennen, dass es dort fair abgeht. Und wir möchten zeigen, dass es eine offene Kommunikation darüber gibt, warum es vielleicht nicht zum 1., 2. oder 3. Platz gereicht hat. Manchmal muss man das ganz genau erklären. Natürlich möchten wir, dass junge Menschen anschließend auch weiterhin mitmachen und Ehrgeiz entwickeln. Das ist logischerweise Arbeit. In der Generation der Casting-Shows wird oft „Er kam, sah und siegte“ propagiert. Aber letztlich handelt es sich hier um Handwerkskunst, an der gefeilt und gearbeitet werden muss. Es kann nicht sein, dass man schon zu Beginn der Wettbewerbs-Vita tausende Euros an Trainingsgeldern reinbuttern muss, damit einem einer sagt, wo „Haar 3“ und „Haar 4“ liegen müssen. Diese Wettbewerbe muss es auch geben, aber das ist dann die internationale Szene. Bei den hairGames geht es darum, überhaupt Spaß daran zu entwickeln, kreativ zu sein und sich in diesem wunderbaren Beruf mit Kollegen zu messen. Wenn jemand dann als Ziel entwickelt, dass er/sie Europa- oder Weltmeister/in werden möchte, dann muss man ihn oder sie auch an die Hand nehmen und ihnen ein bezahlbares Training anbieten.

 

Wie könnte man die Preisverleihungen attraktiver gestalten? Im vergangenen Jahr war vor allem die Verkündung der Barber Awards gut besucht. Bei den Meisterschaften dagegen sah es mau aus…

Antonio Weinitschke: Wir arbeiten daran, dies interessanter und lockerer zu gestalten. Bei der Moderation der Modelpräsentation finde ich es spannend, aus den Menschen auf der Bühne auch etwas herauszukitzeln, z.B. wie sie auf ihre Looks kamen, wer sie unterstützt hat usw. Auch die Siegerehrung sollte spritziger sein und nicht nur aus dem Überreichen der Pokale bestehen. Viele wollen ja nicht nur die Sieger, sondern auch die Modelle dazu sehen. Sie wollen wissen, wie war die Zeit der Vorbereitung? Wie der Wettbewerb? Die Zuschauer sollen Lust darauf bekommen, mitzumachen. Der karge Zulauf liegt aber sicher auch daran, dass die Siegerehrung immer erst am Schluss der Veranstaltung stattfindet, wenn die meisten schon weg sind. Wie gesagt: am Konzept müssen und wollen wir etwas zum Positiven verändern.

 

Was halten Sie von den privaten Ausbildungs-Initiativen der Industrie?

Antonio Weinitschke: Es ist absolut wichtig, dass wir das duale Ausbildungssystem erhalten. Besonders im europäischen Vergleich sehen wir, wie schlimm es in vielen europäischen Ländern um die Jugendarbeitslosigkeit bestellt ist. Trotzdem muss man die Schranke ein bisschen für Privatinitiativen öffnen. Vor allem ergänzend für die, die etwas mehr machen oder in kürzerer Zeit machen möchten. Da geht der Verband mit dem Beautist beispielhaft voran. Ob die Verkürzung allerdings immer gut für das Handwerk ist, weiß ich nicht. Ich habe meine Lehre damals auch in 1 ½ Jahren gemacht, aber da gehört viel Händchen und wirkliche Initiative dazu. Ich hatte diese Woche in der Innung Aachen Abnahme der Gesellenprüfungen. Da sind von 33 Prüflingen 8 durchgefallen. Soll ich solchen Azubis jetzt sagen: Ihr macht das jetzt in 1 ½ Jahren? Das ist nicht machbar. Ausnahmen gelingt das, aber nicht der Masse. Diese Ausnahmen haben ja z.B. in Österreich die Möglichkeit dazu. Dafür muss ich aber nicht in Deutschland das duale System zerbröckeln. Wege gibt es ja auch bei uns. Abiturienten und Azubis mit abgeschlossener Ausbildung können hier verkürzen. Bei den Maßnahmen der Industrie steckt natürlich auch immer das wirtschaftliche Interesse dahinter, dass ich die Leute an meine Marken binde. Wir müssen einfach aufpassen, dass es nicht immer mehr Splittergruppen gibt.

 

Was sehen Sie als Gefahr?

Antonio Weinitschke: Ein Friseur muss sein Handwerk erst einmal von der Pike auf lernen. Dazu gehört eine Basis im Schnitt und im Frisurenaufbau. Alles andere, was modisch ist, ist dann wieder die hohe Kunst. Am liebsten fangen Azubis bei der Mode an, aber das funktioniert nicht. Genau genommen gibt es nach der letzten Ausbildungsreform für mich sogar zu wenig Basis. Damals wurden wichtige Dinge gestrichen, die Wasserwelle zum Beispiel. Viele junge Friseure wissen nicht einmal, wie eine optimale Frisurenform aussieht, wie man Wellenführungen macht, wie Bewegungen auf dem Kopf entstehen. Als Friseur sollte man vielseitig sein und sein Handwerk beherrschen.

 

Das duale System ist also noch zeitgemäß?

Antonio Weinitschke: Ja, aber ich bin sehr dafür, dass das duale System stetig überwacht wird. Das ist sehr wichtig. Die Ausbildungsrahmenbedingungen müssen stimmen und die Betriebe müssen richtig mitziehen, damit die Auszubildenden nicht ausgebeutet werden. Das ist das Hauptproblem, das wir haben. Früher gab es Azubis, die nur gekehrt, Haare gewaschen und Kaffee gebracht haben. Diese Azubis schaffen aber heute keine Prüfung mehr. Jemand, der ausbildet, sollte sich die Zeit dafür nehmen. Das ist in vielen kleinen Betrieben tagsüber kaum drin, da müssen beide Seiten – Betrieb und Azubi – bereit sein, die Zeit auch abends mal dran zu hängen.

 

Den Bogen zwischen Tradition und Innovation zu schlagen – das wird ganz sicher die Hauptaufgabe von Antonio Weinitschke in seiner 3jährigen Amtszeit als ZV Art Director sein. Themen klar benennen kann er. Für die Umsetzung der Pläne im Verband drücken wir fest die Daumen. Danke für das nette Gespräch, Herr Weinitschke!