Dreimal nachgefragt

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v.l.n.r.: Doris Ortlieb, Olaf Köhler, Kerstin Lehmann
v.l.n.r.: Doris Ortlieb, Olaf Köhler, Kerstin Lehmann

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Bringen die neuen verkürzten Ausbildungskonzepte der Industrie Schwung in die Nachwuchsmisere oder tragen sie dazu bei, dass die Qualität des Friseurberufs eher weiter strapaziert wird? Darüber diskutieren derzeit gleichermaßen Verbände, Industrie und Friseure.

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Wir haben dazu unabhängig voneinander Vertreter aller drei „Parteien“ um ihre Stellungnahme gebeten. Erfreuliches Fazit: Für alle ist der Nachwuchs in jedem Fall eine Herzensangelegenheit! Und Doris Ortlieb (Geschäftsführerin des Landesinnungsverband Bayern), Kerstin Lehmann (Director Professional Development & Strategic Projects bei L`Oréal Professionelle Produkte) und Olaf Köhler (erfolgreicher Friseurunternehmer und Ausbilder) verfolgen im Grunde das gleiche Ziel: dem Friseurnachwuchs eine qualifizierte und zukunftsversprechende Ausbildung zu ermöglichen. Nur über das „wie“ bzw. „wie lange“ differieren die Meinungen.

Der Zentralverband reagiert auf das neue Ausbildungsmodell von L’Oréal Professionelle Produkte mit „Zurückhaltung und Skepsis“. Das duale Ausbildungssystem würde angegriffen, heißt es.

Doris Ortlieb: Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir uns an die Regeln des dualen Systems herantasten. Wir haben uns in der Bundesrepublik für dieses Ausbildungssystem entschieden, um bundeseinheitlich eine breit aufgestellte Ausbildung zu sichern, die den ausgebildeten Personen berufliche Mobilität gewährleistet. Die Ausbildung soll also nicht auf ein einziges Unternehmen konzentriert sein – es wird ja auch zum Kfz-Mechaniker ausgebildet und nicht zum VW- oder Porsche-Mechaniker. Ich bezweifle, dass dieses Grundprinzip so gewährleistet werden kann.

Kerstin Lehmann: Es handelt sich hier um zwei völlig unterschiedliche „Ausbildungssysteme“. Auf der einen Seite gibt es die duale, klassische Friseurausbildung, die wir auch mit unserem neuen Power-Seminar L’Oréal Young Stylist unterstützen, auf der anderen Seite unsere neue L’Oréal Professional Beauty School mit dem neuen Abschluss L’Oréal Master of Professional Beauty. Es gibt so viele Beauty-Interessierte, denen wir nun eine Alternative anbieten können, in kürzester Zeit im Beauty-Bereich zu arbeiten. Und das nicht mit einer Schmalspur-Ausbildung, sondern nach einem anspruchsvollen, konzentrierten 12-Monats-Vollzeit-Training, in dem wirklich jede Unterrichtsstunde vor allem der praktischen Ausbildung dient. Die Marke L’Oréal verfügt zweifelsohne über ein hohes Image. Durch die Integration von L’Oréal in den Namen der Schule bzw. den Abschluss werten wir den Bildungsgang auf und tragen zum Imagegewinn der Beauty-Branche bei.

Olaf Köhler: Wir müssen in dieser Diskussion zunächst mal das Missverständnis aus dem Weg räumen, das unter den Friseur-Kollegen und den Kammern, bzw. Verbänden vorherrscht: Weder wir, die Olaf Köhler Akademie, noch L’Oréal Deutschland hat angekündigt, fertige Gesellen oder generell überhaupt Friseure auszubilden! Unsere Ausbildung stellt eine Alternative zur klassischen, dualen Friseurausbildung dar, weil wir neue Berufe mit neuen, modernen Berufsbildern schaffen und diese in unserer Ergänzungsschule ausbilden – und dies mit staatlicher Anerkennung! Um es nochmals ganz deutlich zu sagen: Unsere Absolventen sind KEINE Friseure bzw. Friseurgesellen!

Aber die Absolventen arbeiten wie Friseurgesellen direkt nach bestandener Prüfung im Salon und dürfen sich nach drei Jahren Salonpraxis sogar zur Meisterprüfung anmelden. Demgegenüber steht die dreijährige duale Ausbildung.

Doris Ortlieb: Wer viel Talent und Motivation für den Friseurberuf mitbringt, muss auch im dualen System keine drei Jahre lernen. Das System ist durchaus flexibel und lässt individuelle Anpassungen zu. Bei entsprechenden Voraussetzungen lässt sich die Ausbildung auf 2 oder sogar 1,5 Jahre verkürzen. Es gibt also durchaus Lösungen für junge Leute, die möglichst schnell im Beruf stehen und sich nicht mit Unnötigem aufhalten wollen. Jede Innung informiert da gerne über Details.

Olaf Köhler: Wie bereits gesagt, ist unsere Ausbildung ein neuer Weg in die Beauty-Branche in einen ganz neuen Beruf, neben der klassischen Friseurausbildung zum Gesellen! Wir grenzen uns bewusst ab und haben diese neuen Berufsbilder und Ausbildungen kreiert, um auch diejenigen für unsere Branche zu gewinnen, denen eine Ausbildung zum Friseurgesellen im Vergleich zu anderen Berufen heute nicht mehr attraktiv bzw. „sexy“ genug ist. D.h. wir adressieren Jugendliche, die sich sonst nicht für eine duale Friseurausbildung entscheiden würden und führen sie unserer Branche als qualifizierte Mitarbeiter zu.Dafür stellen wir mit modernen Lern- und Lehrmethoden und hohem Praxisbezug sicher, dass die Absolventen nach einem Jahr über ausreichende Kompetenzen verfügen, um effizient und selbstständig, z. B. in einem (Friseur-) Salon mitarbeiten zu können. Sie können aber genauso in der Maske bei Film und Fernsehen oder bei Foto-Shootings arbeiten und das professionelle Styling für Fashion Shows übernehmen.

Und auch die Aussage der Skeptiker, bzw. deren Forderung, den jungen Leuten auch die Zeit zu geben, in den Friseur-Beruf mit seinen besonderen Herausforderungen hineinwachsen zu dürfen, steht in keinem Widerspruch zur Karriereplanung unserer Absolventen. Im Gegenteil – dieser Forderung stimmen wir voll zu! Wir würden diese Forderung allerdings gerne erweitern mit der Frage: Wieso geben wir den jungen Menschen dabei nicht auch die Möglichkeit, Geld zu verdienen? Junge Leute wollen heute nicht ewig warten, bis sie Geld verdienen dürfen. Genau diesem Bedürfnis tragen wir Rechnung durch unseren Vorteil der kurzen Dauer der Ausbildung von nur einem Jahr. Danach sollten die Absolventen bereits Mindestlohn verdienen. Und nach aktuellem Handwerksrecht können sich unsere Absolventen dann nach drei Jahren Berufserfahrung in einem Friseursalon – d.h. ausreichend Zeit zum praktischen Erlernen des Friseurhandwerks – zur Meisterprüfung im Friseurhandwerk anmelden und so den Weg in den klassischen Friseurberuf wählen – wenn sie dies möchten.

Die Ausbildung trägt die Marke im Namen und ist im Colorationsbereich sehr durch L’Oréal-Inhalte geprägt. Zurecht wird befürchtet, dass der „Master“ eine „aufgetunte“ L’Oréal-Intensiv-Ausbildung ist, mit der man sich die Kunden von morgen heranzieht.

Kerstin Lehmann: Wir haben ein verabschiedetes Curriculum der Landesschulbehörden u.a. mit allgemeinen Colorationsinhalten, die durch L’Oréal spezifische Themen erweitert werden. Es gibt viele weitere Lehrinhalte, die sehr allgemein und fachspezifisch und damit nicht ausschließlich auf L’Oréal adaptiert sind. Aufgrund der geplanten Vermittlung der erfolgreichen Absolventen in L’Oréal Partnersalons spricht dennoch vieles für den Namen L’Oréal im Titel, Auch aus Imagesicht ist es sicherlich für Beauty-Interessierte positiv zu bewerten, da L’Oréal für jahrelange und internationale Kompetenz im Beauty-Bereich steht. Dennoch erhalten alle Studenten Fachkompetenzen, mit denen sie auch in allen anderen Salons arbeiten können.

Doris Ortlieb: Es geht in der Tat um die Zukunftssicherung des Friseurhandwerks. Die Branche braucht umfassend ausgebildete Fachkräfte mit Potenzial. Eine Einengung auf einige schnell im Salon verwertbare Fertigkeiten ist nicht der richtige Ansatz. Außerdem dürfen wir die politische Dimension solcher privatschulischer Initiativen nicht außer Acht lassen. Deren Tragweite mag in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Muss sie auch nicht, liegt dieses Thema eindeutig in der Verantwortung der Verbände, für die ich mir – gerade in solchen Fällen – doch oft ein klein bisschen mehr an Vertrauensvorschuss wünsche.

Olaf Köhler: „Recht“ ist hier genau das passende Stichwort, denn „zurecht“ ist die geäußerte Befürchtung ganz und gar nicht! Denn die Ausbildung zum L’Oréal Master of Professional Beauty basiert auf der staatlich anerkannten Berufsausbildung unserer Olaf Köhler Akademie. Uns wurde bereits 2013 nach dem niedersächsischen Landesschulgesetz die Eigenschaft als staatlich anerkannte private Ergänzungsschule verliehen. Seit 2016 sind wir auch berechtigt, staatlich geprüfte Berufsabschlüsse in der Beauty-Branche zu vergeben. D.h. es wurde Sorge getragen und von staatlicher Stelle fachlich und pädagogisch anerkannt, dass wir eine vollwertige Alternative bieten, mit einem hohen Anteil an Kommunikation für Beratung und mit fachlichen Schwerpunkten im Praxisbereich nicht nur auf Coloration, sondern auch Haarschnitt und Styling (inkl. Make-Up). Deshalb können wir mit Fug und Recht sagen, dass wir eine vollwertige Alternative zur dualen Friseur-Ausbildung liefern. Nicht zuletzt wurden wir daher von der Bundesagentur für Arbeit ganz offiziell zugelassen, im Rahmen des EU-Projektes MobiPro ausländische Jugendliche auszubilden.

Das Ausbildungsproblem betrifft das gesamte Friseurhandwerk. Die Gruppe der „Master of Professional Beauty“ wird die benötigte Anzahl an Nachwuchskräften nicht decken. Wie ist es also langfristig um die Zukunft der Ausbildung im Friseurhandwerk bestellt?

Kerstin Lehmann: Genau deshalb sind wir auch bereits im Gespräch mit dem Zentralverband. Wir betrachten unsere Ausbildung nicht als Konfrontation, sondern als Alternative und Lösung für die seit langer Zeit sinkenden Ausbildungszahlen. Falls es eine gemeinsame Lösung geben kann, denken wir gerne darüber nach, auch in weiterer Kooperation zu My Beauty Career,

Olaf Köhler: Wir sehen uns in der Branche nicht alleine einem Ausbildungsproblem gegenüber, sondern vielmehr dem viel größeren Problem, auch für gut laufende, eingesessene Friseursalons ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Um dieses Problem zu lösen reicht es nicht aus, den Blick alleine auf die Erstausbildung von Schulabgängern durch eine klassische, duale Friseurausbildung zu konzentrieren. Deshalb richtet sich unsere neue Ausbildung nicht nur an Schulabsolventen, sondern auch an die Gruppe der Wieder- und Quereinsteiger, sowie der jugendlichen „Spätstarter“. So bieten wir Wiedereinsteigern, z.B. nach der Elternzeit die Möglichkeit einer schnellen Qualifizierung, um in der Branche wieder Fuß zu fassen und wieder Spaß am Arbeiten zu bekommen. Fakt ist: Es wird künftig immer weniger Schulabgänger/-innen geben. Die Zahlen von 903.000 im Jahre 2013 werden bis 2025 um 19 % auf 732.000 schrumpfen, so die Prognosen vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Deshalb suchen wir auch parallel das Gespräch mit den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern, um das Potenzial der rund 300.000 arbeitslosen jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 Jahren, die zum Start der Initiative „AusBildung wird was“ (http://dasbringtmichweiter.de) keine abgeschlossene Berufsausbildung hatten, über unsere neue Ausbildung für unsere Branche zu erschließen. Wie Sie sehen, kann zukünftig nicht mehr alleine auf die Schulabsolventen geschaut werden, um weiterhin ausreichend Mitarbeiter für den Fortbestand bestehender Friseursalons zu finden. Es müssen Alternativen zur Mitarbeitergewinnung und  -qualifizierung neben der dualen Ausbildung zum Friseurgesellen her. Sonst brauchen wir gar nicht über die Zukunft der Ausbildung im Friseurhandwerk zu diskutieren, sondern können uns vielmehr um die Zukunft des Friseur-Handwerks generell Sorgen machen. Denn dann werden auch zukünftig immer mehr Salons wegen fehlendem Personal schließen müssen!

Doris Ortlieb: Zukunft des Friseurhandwerks bedeutet, u. a. die Stabilität und den Status des Handwerks zu festigen und zu sichern! Politisch hat es das Friseurhandwerk tatsächlich schon seit Jahren schwer, seine Interessen im Gesamthandwerk zu vertreten. Bereits in der Handwerksnovelle 2003 musste sich das Friseurhandwerk den Verbleib in der Gruppe der so genannten vollhandwerklichen Berufe, was z. B. den Meisterbehalt beinhaltet, hart erkämpfen. Ein Grund, warum Friseure damals bleiben konnten, war die hohe Ausbildungsleistung des Friseurhandwerks. Gerade Diskussionen auf europäischer Ebene nähren immer wieder Überlegungen, einen Beruf „zu opfern“. Der Friseurberuf ist dann meist vorne dabei, weil er im Vergleich zu technisch orientierten Berufen als geringwertiger angesehen wird und die vielfältigen Anforderungen des Berufs verkannt werden. Mit einer einjährigen Schmalspurausbildung bestätigen wir diese Vorurteile auch noch. Vor diesem Hintergrund wird die Sensibilität von Themen wie der Ausbildung vielleicht besser verständlich. Es geht darum, den Stellenwert des Friseurhandwerks als gleichwertige Alternative zu anderen Berufen zu wahren und seine Zukunft als Handwerk zu sichern.

 

Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen, falls sich der Friseurberuf inklusive Meister tatsächlich aus dem Gesamthandwerk verabschieden muss?

Doris Ortlieb: Inzwischen höre ich oft, es gehe doch gar nicht mehr schlimmer, als der Markt sich heute schon darstelle. Doch, es geht noch schlimmer! Ohne den Meistervorbehalt für die Selbstständigkeit wird die Zahl der Klein- und Kleinstbetriebe explodieren. Es entsteht geradezu ein „Selbstständigenproletariat“, das sich an keine Regeln zu halten braucht. Die Berufsausbildung darf im Handwerk nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist integrativer Bestandteil eines gesetzlichen Rahmens, der die Stärke des Handwerks sichert. Nur in diesem Rahmen erhalten wir das, was das Friseurhandwerk für sein Image braucht: Salons, die ein Friseurhandwerk in der Gesamtheit seiner Fähigkeit und Verantwortung – das geht ja weit über das Haareschneiden hinaus – präsentieren: Tolle Salons mit Strahlkraft nach innen und außen, attraktiv für Kunden und Mitarbeiter.  

Olaf Köhler hat bereits in der Vergangenheit „verkürzt“ ausgebildet bzw. in einem privaten, alternativen, staatlich anerkannten Modell. Mit großem Erfolg!

Olaf Köhler: Meine Motivation war und ist der akute Nachwuchsmangel. Ich hatte erfolgreiche Salons mit wachsendem Umsatz und dringendem Bedarf an gut ausgebildetem Nachwuchs. Aber dieser war schwer bis gar nicht zu bekommen. Also beschloss ich den Nachwuchs selber auszubilden und dabei die Schwerpunkte zu setzen, die mir in der Ausbildung wichtig waren. Es zeigte sich schnell, dass meine Auszubildenden in ihren Fertigkeiten rasch Fortschritte machten, in kürzester Zeit Selbstvertrauen entwickelten und bereits sehr früh am Kunden ihre ersten erfolgreichen Erfahrungen machen konnten. Aus unserem ersten Kurs haben lediglich 15 % die Ausbildung zum Beauty Artist abgebrochen. Damit liegen wir deutlich unter dem Schnitt von 48 % Vertragsauflösungen in der klassischen Friseurausbildung im Jahre 2014. 85 % unserer Auszubildenden haben ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und wurden von Praxispartnern in Hamburg, Flensburg, Lüneburg, Hannover und Geesthacht übernommen. Auch unsere aktuellen Schülerinnen im ersten Lehrjahr arbeiten bereits im Salon mit. Und dies so erfolgreich, dass unsere Partnerbetriebe schon nach weiteren Mitarbeitern fragen und ihre Lehrlinge auch zukünftig in unserer anerkannten Ergänzungsschule ausbilden lassen wollen. Deshalb ist unsere Antwort auf die Frage der Skeptiker „Wie soll das gehen, dass Auszubildende bereits erfolgreich mitarbeiten können?“ ganz einfach: Dass es geht, zeigen unsere Schülerinnen und Schüler bereits HEUTE.

Wir hoffen, dass die Friseur-Branche diese neuen Chancen auf qualifizierte, motivierte Mitarbeiter erkennt und wir zukünftig den Schritt in eine positive Zukunft für das Handwerk GEMEINSAM gehen.