Ausbildungsmisere. Wer Schuld hat? Interessiert mich nicht!

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Bunt- statt Schwarzseher: Friseurunternehmer Michael Bredtmann glaubt an goldenen Boden fürs (Friseur-)Handwerk!
Foto: Jens Großmann
Bunt- statt Schwarzseher: Friseurunternehmer Michael Bredtmann glaubt an goldenen Boden fürs (Friseur-)Handwerk!

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Keine Frage: fehlender Nachwuchs und leergefegter Mitarbeitermarkt gehen vielen Friseurunternehmern richtig an die Nieren! Friseurunternehmer Michael Bredtmann kennt das. Die Frage „Wer ist eigentlich schuld an der Ausbildungsmisere?“ stellt er sich allerdings nicht. Stattdessen sucht er in Zeiten, in denen viele gern mit dem Finger auf angebliche Verursacher zeigen, lieber nach Lösungen. Ein Kommentar.

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Ich habe kürzlich erfahren, wie viele Auszubildende wir Friseure dieses Jahr in unserer Heimatstadt Wuppertal ausbilden. Es sind insgesamt acht. Drei davon lernen bei uns. Bleiben fünf in allen übrigen 400 (!) Friseursalons. Tja, es liegt nicht daran, dass sich keiner bewerben möchte. Nein, umgekehrt: Es gibt kaum noch Ausbildungsbetriebe in unserer Stadt. Das wundert einen nicht, da es mittlerweile kaum noch seriöse Friseurunternehmer in der Umgebung gibt. Auch die Coronahilfen haben hauptsächlich den schwarz arbeitenden Salons geholfen… Traurige Realität ist: Wir haben eine Ausbildungsmisere. Und wer ist schuld? Diese Frage nach der Schuld ist für mich in allen Bereichen meines Lebens eine Killerphrase! Sobald die Schuldfrage ins Spiel kommt, weiß man, dass die Grundatmosphäre in Unternehmen nicht stimmt. Darum verbiete ich mir persönlich, mich und andere zu fragen: Wer ist schuld? Was sage ich in einer solchen Situation immer zu meinen Mitarbeitern: „Ich suche keine Schuldigen – ich suche Lösungen!“

Gründe gibt es viele

Wir haben in unserer Stadt in diesem Jahr also nur acht neue Auszubildende. Ich habe für mich festgestellt, dass der Grund für die wenigen Auszubildenden nicht in allen Städten gleich ist. In Wuppertal fehlen zum Beispiel Ausbildungsbetriebe, die bereit sind, auszubilden. In anderen Städten, wie zum Beispiel Reutlingen, gibt es die gut zahlende Autoindustrie als branchenfremde Konkurrenz. Diese regionalen Unterschiede sind für mich auch der Grund, warum es gerade so schwierig ist, dass wir Friseure mit einer Stimme sprechen. Wir sind uns schlicht zu uneinig! Wir Unternehmer haben gerade sehr unterschiedliche Herausforderungen und Aufgaben zu bewältigen. Meiner Meinung nach fehlen gerade die gemeinsamen Schnittmengen oder Interessen. Es gibt viele Gründe, die man jetzt aufführen könnte: Corona, schlechte Ausbildungsunternehmen, schlechte Bewerber, zu hohe Kosten, Schattenwirtschaft, Schwarzarbeit, zu viele Studenten, zu hohe Lohnnebenkosten – die Liste ist unendlich. Mittlerweile macht sich eine Diskussionsmüdigkeit bemerkbar. Vieles dreht sich im Kreis.

Segel setzen – und los!

Meine Steuerberaterin hat einen guten Satz: „Bange machen gilt nicht!” Und Recht hat sie! Was immer die Gründe im Großen und Ganzen oder auch im Einzelfall sein mögen – ich sage zu mir: Jetzt erst recht! Und ich handle danach. Dieses Jahr haben wir drei neue Auszubildende eingestellt. Das fühlt sich so richtig an, und bisher sind sie fantastisch! Wir trauen uns und gehen optimistisch durch dieses Jahr. Darum haben wir seit zwei Wochen auch noch eine neue Friseurin angestellt. Wir glauben jetzt an das Positive: ohne Corona, mit dem neuen Mindestlohn von zwölf Euro, mit dem Fachkräftemangel. Ich setze auf das Gute. Unser Handwerk hat goldenen Boden! Früher oder später werden sich die Dinge positiv entwickeln für uns. Denn ich bin überzeugt: schlimmer als in den vergangenen Monaten geht es nicht mehr! Und darum begebe ich mich in die Pole Position und stelle mich darauf ein, dass wir zukünftig wieder mehr Gäste bei uns begrüßen dürfen. Wir selbst haben im vergangenen Jahr aufgrund der unklaren Coronalage mit der Ausbildung neuen Nachwuchses ein Jahr ausgesetzt und 2020 keine neuen Azubis angenommen. Aber jetzt habe ich ein anderes, besseres Gefühl, und wir brauchen die Auszubildenden einfach!

Optimismus ist Arbeit

Habe ich Angst? Natürlich habe ich Angst davor, dass wir doch nicht genug Kunden bekommen und wir mit den Kosten nicht klarkommen. Zudem steht die Frage nach einer möglichen fünften Welle im Raum. Auch ich schaue in den Spiegel und sehe ein müdes, strapaziertes Gesicht. Aber ich übe mich darin, diese Ängste zu verarbeiten und möglichst zu neutralisieren. Und es funktioniert tatsächlich immer besser. 


„Wer hat Schuld?“ hilft uns nicht weiter! Statt die Schuldigen zu suchen, finde ich es wichtiger, nach vorne zu schauen. Jetzt müssen wir etwas riskieren, uns wagen, den Schritt nach vorne zu gehen und stark zu sein! Wir sollten positiv nach vorne schauen. Denn Fakt ist: Wer heute zu wenige Mitarbeiter hat, der hat im letzten Jahr zu wenig ausgebildet.

BANGE MACHEN GILT NICHT und JETZT ERST RECHT!

Euer Michael

 

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