Friseur*in werden oder nicht? Die Qual mit der Wahl.
Friseur*in werden? Ja. Nein. Vielleicht. Machen unendliche Möglichkeiten bei der Berufswahl die Generation Z immer glücklich? Die leidenschaftliche Friseurunternehmerin Stefanie Ehrich hat da ihre Zweifel. In einem Brief an ihr jugendliches Ich wägt sie liebevoll ab, was Wahl und Qual tatsächlich alles gemeinsam haben.
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Nicht nur wir Friseure kämpfen um jeden jungen Menschen, der sich potentiell für den Beruf entscheiden könnte. Der demographische Wandel mit seiner Abwärtsspirale macht das Ganze zusätzlich zu einem spannenden Spiel. Wenig Nachwuchs bei scheinbar unendlichen Möglichkeiten. Hinzukommt die Unentschlossenheit der Generation Z. Junge Menschen kommen heute erst mit Mitte 20 auf dem Arbeitsmarkt an. Das ist sieben Jahre später als zu der Zeit, in der ich ins Arbeitsuniversum eintrat. Was genau ist heute anders? Ein wesentlicher Unterscheid ist: der damalige Arbeitsmarkt hatte ein Unterangebot. Heute verwirrt ein Überangebot die Jugend vollkommen und hinterlässt ständig große, zweifelnde Fragen: „Ist meine Entscheidung für diesen Job wirklich richtig? Oder soll ich nicht vielleicht doch lieber einen anderen Weg gehen? Da geht doch noch mehr! Du hast so viele Potenziale! Und vielleicht macht was anderes noch mehr Spaß! Vielleicht kann man mit etwas Anderem leichter Geld verdienen? Oder hat bessere Arbeitszeiten! Friseur zu sein ist schließlich anstrengend. Deine Familie erwartet bestimmt auch noch mehr von dir als „nur“ Friseur*in zu werden, oder? Hast du dir das also genau überlegt? Wenn du dir nicht sicher bist, die richtigen Entscheidungen gefällt zu haben, oder nicht weißt, ob du wirklich Friseur *in sein willst, dann lade ich dich ein, meinen ‚Brief an mich’ zu lesen! Denn ich habe festgestellt, dass ihr Newcomer von heute und ich doch mehr Parallelen haben, als ich gedacht hätte.
Ein Brief an mich. Steffi, ich bin stolz auf dich! Jetzt, fast 26 Jahre, nachdem du orientierungslos und fassungslos deinem Berufslos gegenübergestanden hast. Es ist kaum zu glauben, aber du hast sogar deiner Mutter verziehen, dass sie sich in deinen Namen als Friseurin beworben hat. Manchmal frage ich mich auch heute noch, was aus uns geworden wäre, wenn wir unsere eigene Vorstellung hätten leben können. Heute, wenn ich mir meine jungen Menschen im Team und die Schüler anschaue, die überlegen, welchen Job sie lernen wollen, bin ich froh, dass wir die Wahl nicht hatten. Es stand mir nie zu, meinen Weg zu hinterfragen. Lange Zeit habe ich es als Fluch angesehen. Ich war sauer auf mich und meine Mutter und auf den Rest der Welt. Tja, es ist ja normal als junger Mensch, erst mal alles Vorgesetzte doof zu finden. Also nimm es leicht, Steffi.
Aus heutiger Sicht weiß ich, dass es viel schwerer ist, die Wahl zu haben. Sich einfach nicht entscheiden zu können und sich stets zu fragen, ob man die richtigen Entscheidungen gefällt hat. 26 Jahre später weiß ich, dass es leichter ist, die Schönheit und Liebe in etwas zu finden, in dem man es nicht erwartet, als ständig alles Schöne und Wunderbare zu beleuchten und zu hinterfragen. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute mache und wer ich heute bin, dann hätte ich die Entscheidungen von damals leichter annehmen können. Nun, niemand kann in die Glaskugel schauen. Und selbst wenn, dann kann man sich meist nicht vorstellen, dass man sich zu so einem Menschen entwickelt. Das unsichere Mäuschen, dass du heute bist, wird sich verwandeln in eine revoltierende Katze, die immer wieder auf Ihren vier Pfoten landet. Egal, was das Leben ihr zu bieten hat. Deswegen kann ich dir nicht viel Rat aus der Zukunft senden. Jeder tragische oder fantastische Moment deines Lebens, jede Entscheidung, jeder Gedanke, jedes Glück, jeder Rückschritt, haben dich zu dem Ich geführt, dass ich heute bin. Und es ist alles gut so!
Ich würde nichts anders machen wollen. Das Einzige, das ich mir für dich wünschen würde, ist mehr Vertrauen in dich selbst zu haben. Du darfst Fehler machen auf deinem Weg. Lasse sie zu, quäle dich nicht damit. Vor allem hinterfrage nicht ständig die Wege deines Lebens. Es gibt kein „Geradeaus“. Das Leben ist immer ein Paket voller Kompromisse mit vielen Türen und Wegen. Keine Tür und kein Weg ist die oder der einzig Richtige. Sei neugierig und unerschrocken. Geh los. Sei einfach du!