„Mich zerfleischen, weil wir unseren Salon schließen mussten? Das hilft mir nicht weiter!“

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Bewahrt Ruhe im Auge des Sturms: Mandy van den Bosch
Bewahrt Ruhe im Auge des Sturms: Mandy van den Bosch

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Die Frage, ob ein 2. Lockdown kommt oder nicht, hat sich für Friseurunternehmerin Mandy van den Bosch schon beantwortet: Ihr Salon P.A.M. Hair Style ist aufgrund hoher Inzidenzwerte im Kreis Mannheim seit Mittwoch dicht. Warum bei ihr dennoch die Dankbarkeit über den Frust siegt, erzählt sie uns hier. Ehrlich und bewundernswert.

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„Es gibt Momente und Situationen im Leben, die sich deiner unmittelbaren Kontrolle entziehen. Diese Erfahrung habe ich schon vor Jahren in schwierigen Krisen gemacht. Einerseits ist die Erkenntnis natürlich bitter: Du bist mittendrin im Sturm und kannst nichts anderes machen, als ihn einfach auszuhalten. Andererseits bin ich dankbar, dass ich diese Lektion schon vor Corona gelernt habe, weil ich heute weiß: An Punkten wie diesen macht es für mich nur noch Sinn, auf meine kleine Welt Einfluss zu nehmen. Die Krise ist die Krise, aber wenn ich versuche, es mir und meinem nahen Umfeld, besonders schön zu machen, kommen wir alle am besten dadurch.

Polit-Irrsinn

Natürlich kann ich mich täglich daran aufreiben und überlegen, welch irrsinniger Umsatz mir gerade jetzt im Weihnachtsgeschäft flöten geht. Das Potenzial zum Wahnsinn hat ja auch die Tatsache, dass im benachbarten Ludwigshafen die Inzidenzzahlen deutlich höher sind und dort die Salons trotzdem weiter geöffnet bleiben – was mich persönlich für jeden Kollegen freut! Dennoch liegt es nah, dass so mache/r Kunde/in kurz über die Brücke dorthin fährt und sich schnell noch die Haare machen lässt. In einem Gebiet, wo die Infektionsgefahr deutlich höher ist als bei uns! Und das nur, weil wenige Kilometer weiter die Pfalz anfängt und wir Mannheimer zu Baden-Württemberg gehören. Keine Frage: Das ist der Hammer. Aber bringt es mir etwas, wenn mich dieses Regel-Durcheinander nicht schlafen lässt? Nein! Meine Haltung ist folgende: Ich entscheide mich für Frieden und sehe das Ganze holistisch: Ich komme als Mensch ohne alles auf die Welt und gehe ohne alles. Der Besitz, den ich zwischendurch anhäufe, gehört mir also eigentlich gar nicht. Das mag für manche komisch klingen. Aber es ist tatsächlich meine Überzeugung und es hilft mir, zwischen das Corona-Chaos und mich Distanz zu bringen.

Dankbar für Solidarität

Mit diesem Abstand gelingt es mir, Dankbarkeit zu empfinden. Natürlich nicht für die Schließung selbst; das ist klar. Aber ich bin total dankbar für die innige Solidarität, die ich in meinem unmittelbaren Umfeld erfahre. Wir hatten im Februar 2020 aufgrund einer großen Renovierung extrem hohe Investitionskosten. Kurz darauf kam der 1. Lockdown. Das war für mich Anlass, alle Preise neu zu kalkulieren und eine Preisanpassung von ca. 15-20% mehr vorzunehmen. Das Ganze habe ich nicht gemacht, um dadurch reich zu werden, sondern um sicherzustellen, dass es P.A.M. auch nach der Pandemie noch geben wird! Ich habe damals schon geahnt, dass uns irgendwann eine zweite Schließung bevorstehen könnte. Die wirtschaftliche Notwendigkeit eines solchen Schritts ist aber nur das eine. Das andere ist, dass du als Unternehmen eine derart hohe Preissteigerung nur dann durchsetzen kannst, wenn alle mitmachen: die Mitarbeiter und die Kunden! Ich also habe viele, viele Überzeugungs-Gespräche geführt und es ist mir gelungen, dass alle mitgezogen haben. Dass wir das gemeinsam gerockt haben, lässt mich heute ruhig schlafen. Denn dank dieser Maßnahme konnten wir uns im vergangenen halben Jahr wieder ein kleines Polster aufbauen. Natürlich haben wir auch einige wenige Kunden verloren. Diesen Effekt hätten wir jedoch ebenso bei einer nur 3%-igen Steigerung gehabt.

Dankbar für das, was ist

Das Geschenk für uns ist, dass wir unser tolles Team – selbst die ganz kreativen Köpfe unter ihnen – ins Boot bekommen haben. Und unsere treuen Kunden auch. Vielleicht schiebt der oder die andere Gast nun den Friseurtermin eine oder zwei Wochen weiter hinaus – aber sie verstehen und lieben uns und möchten weiter von uns verwöhnt werden! Das macht mich glücklich. Diese Solidarität unter Menschen würde ich mir in der ganzen Gesellschaft wünschen!

Wann wir unseren Salon wieder öffnen dürfen, weiß ich nicht. Vielleicht am 23.12., vielleicht auch erst im Januar 2021. Wir Friseure haben ja alle in diesem Corona-Jahr gelernt: Planen können wir derzeit sowieso nicht! Deshalb bereiten wir uns als Team auf beides vor – und in der übrigen Zeit versuchen wir, es uns schön zu machen, die Ruhe zu genießen und Kraft zu tanken.“

 

Friseurin? Stylistin? Oder gar Friseuse? Zur Etikette und Geschichte der Berufsbezeichnung Friseurin.