„Ohne Ausbildungsabgabe bin ich die Milchkuh der Branche!“

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Foto: privat
Wünscht sich eine Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen, die selbst nicht ausbilden: Christian Funk
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Wünscht sich eine Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen, die selbst nicht ausbilden: Christian Funk

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Mitarbeiter*innen wollen alle. Ausbilden (fast) keiner. FMFM Artist Christian Funk hat den Papp auf. Warum eine Ausbildungsabgabe ein Game Changer der Friseurszene sein könnte? Hier sein Statement.

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Ihr Lieben, ich bin einer von den Friseurunternehmern, die jedes verdammte Jahr ausbilden.
Drei bis vier Azubis habe ich immer im Salon und ich mache diese Arbeit – neben meiner Arbeit als Coach – zu 85% alleine! Der Vorteil: Ich habe seit Jahrzehnten keine externen Mitarbeiter*innen mehr einstellen müssen. Fachkräftemangel kenne ich nicht, ganz im Gegenteil, denn ich bilde so viele Azubis aus, dass ich diese kaum mehr übernehmen kann. Das bedeutet im Klartext aber auch: Ich engagiere mich im Wesentlichen dafür, dass meine Friseurkolleginnen und -kollegen überhaupt noch Mitarbeiter*innen finden. Ohne jetzt „in Opfer“ machen zu wollen (denn ich bilde voller Leidenschaft und Überzeugung aus), ist es letztlich doch so: Gäbe es nicht Ausbildungs-Idealisten wie uns, wäre es eher heute als morgen ganz zappenduster in der Branche!

Solidarität

Daher meine Meinung zur umstrittenen Frage, ob es eine Ausbildungsabgabe geben sollte oder nicht: JA. Und zwar ein klares, großes JA dafür! Es gibt für mich nicht den geringsten Grund für ein Nein! Denn jede/r Unternehmer*in, der/die auch nur eine/n Mitarbeiter*in beschäftigt und (aus welchen Gründen auch immer!) NICHT ausbildet, hat sich gefälligst an den Ausbildungskosten anderer Unternehmer*innen zu beteiligen!

Null Ausbildungsbereitschaft

Schließlich jammern alle, dass sie keine Mitarbeiter*innen mehr finden. Aber gleichzeitig wollen immer weniger von uns ausbilden! Noch in den 90er Jahren haben rund 50.000 Friseurbetriebe jährlich ca. 15.000 neue Friseur*innen ausgebildet, die größtenteils auch im Beruf gearbeitet haben. Heute schaffen es 86.000 Salons gerade einmal, etwas mehr als 6.000 Lehrlinge auszubilden. Von diesen 6.000 neu ausgebildeten Friseur*innen landen jedoch am Ende nur magere 40% wirklich als umsatzbringende Fachkräfte im Beruf. Wir haben also die bizarre Situation, dass sich jährlich 86.000 Friseursalons um 2.400 frischgebackene Fachkräfte prügeln. Und gleichzeitig senden nur lächerliche 20% der Betriebe überhaupt noch das Signal aus, selbst ausbilden zu wollen! Finde die Logik!

Es braucht Unterstützung

Die Ausbildungswilligkeit der Unternehmen schmilzt also dahin wie Eis in der Sonne, und es gibt aus meiner Sicht nur zwei Mittel, diese wieder zu erhöhen! Entweder muss ich als Saloninhaber*in für meine Azubis gar nichts mehr bezahlen und der Staat übernimmt alle Kosten. Frei nach der Überzeugung, dass der Ausbildungsaufwand und die Verantwortung schon groß genug sind (früher mussten Lehrlinge hoch Lehrgeld bezahlen, doch das ist sicherlich zu viel des Guten…). Es kann doch wirklich nicht sein, dass ich als regelmäßiger Ausbildender außer Belastungen – finanziell, sozial und auf viele andere Arten – kaum etwas von meinem Engagement habe, sondern am Ende meist für andere Unternehmen ausbilde.

Ausbildungsabgabe!

Option zwei wäre, dass genau die genannte Ausbildungsabgabe eingeführt würde, die alle Handwerks- und Handelsunternehmen zu tragen haben, die eben nicht ausbilden, aber Mitarbeiter*innen beschäftigen. Diese Abgabe sollte dann jedoch so hoch sein, dass die Kosten für Lehrgänge, Schulungen, Ausbildungsmaterial und Vergütung der Ausbilder*innen zu 100% gedeckt werden. Den Rest könnte man bestenfalls in Verbesserungen von Schulen, Lehrkräften und die Überarbeitung des gesamten Ausbildungssystems stecken. Ach, wäre das nicht eine schöne Welt, in der man als Ausbilder*in „nur“ noch den Aufwand und die Verantwortung tragen müsste und für den Beruf jedes Jahr neue Fachkräfte generiert würden, ohne dass man auch noch mit heftigen Kosten für die Ausbildung belastet wird?

Engagement kostet

Schließlich ist es doch so: Ein/e gute/r Ausbilder*in steckt pro Jahr ca. 15.000 bis 20.000 € in die Ausbildung einer Fachkraft! Klar, das ist nicht alles bares Geld, denn darin ist auch viel eigene Arbeitsleistung enthalten. Aber letztlich sind ja auch das Kosten!  Wir haben die Vergütung, überbetriebliche Lehrgänge, Ausbildungsmaterial, Einschreibegebühren, Prüfungsgebühren, Berichtshefte, externe Ausbildung und vieles mehr… Ohne Ausbildungsabgabe bin ich genau genommen die Milchkuh der Branche, denn ich trage als Ausbildungsbetrieb alles allein und investiere dazu viel Arbeit in jemanden, von deren/dessen Qualitäten im nächsten Schritt vor allem andere profitieren. Ich werde also bestraft dafür, dass ich ausbilde.

Für wen bilde ich aus?

Genau das gehört verändert! Nochmal: Ich liebe es auszubilden und stecke da viel Herzblut rein und verbringe viel meiner wenigen Freizeit mit diesen tollen jungen Menschen. Aber ich habe keine Lust mehr, das für „NICHTS“ und hauptsächlich für andere zu tun!  Deswegen brauchen wir dringend (und am besten schon gestern!) eine Ausbildungsabgabe, damit endlich wieder mehr Unternehmerinnen und Unternehmer bereit sind, den dringend notwendigen Nachwuchs für unsere wunderbare Friseurbranche auszubilden!

Viele Baustellen

Natürlich ist es damit allein bei Weitem nicht getan. Es muss auch mehr an dem Thema Image gearbeitet werden. Es müssen Ausbildungskonzepte überarbeitet und regelmäßig modernisiert werden. Und es müssen endlich moderne und zukunftsweisende Ausbildungsmethoden her, die junge Menschen begeistern und die ihr Feuer für das Handwerk entfachen!  Aber zu allererst müssen wir im Ausbildungsmarkt für Gerechtigkeit sorgen. Und da wäre eine Ausbildungsabgabe ein erster, sinnvoller Schritt.

Euer Christian Funk

 

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“