Thorsten Hussfeldt: „Unsere Branche muss mutiger werden!“

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Thorsten Hussfeldt und sein stylisher Salon Capelli Group in Ludwigsburg
Capelli Group
Thorsten Hussfeldt und sein stylisher Salon Capelli Group in Ludwigsburg

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Als Creative Director von GLYNT ist Thorsten Hussfeldt seit 12 Jahren federführend bei rund 20 Großveranstaltungen pro Jahr im Einsatz. Doch in diesem Jahr sieht das anders aus: Seine aktuelle Trendcollection ziert zwar bereits sein Salon-Refugium, eine traumhaft schöne Jugendstilvilla am Stadtrand von Ludwigsburg, wird aber noch nicht in die Friseurlande kommuniziert Warum er das gar nicht schlimm findet, Webinare für ihn wenig sexy sind und er das zwangsverordnete Runterbeamen in diesem verrückten Jahr ganz generell nicht verteufelt, erzählt uns der kreative Kopf der Capelli Group im exklusiven Interview mit FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli.

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Thorsten, erstmal Glückwunsch zu diesem atemberaubenden Salon! Was für ein Spirit allein schon, wenn man hier reinkommt! Thorsten Hussfeldt: Danke, Gaby! Wir haben uns bewusst für dieses harmonische Ambiente in dieser über 100 Jahre alten Jugendstilvilla entschieden und sie nach unserem Geschmack und Stil eingerichtet. Ich lebe ja auch in diesem Haus mit meiner Frau und meinen zwei Töchtern. Natürlich sollen sich unsere Kunden hier wohlfühlen, wir und unser Team aber auch!

Das spürt man sofort. Und eure Einrichtung ist ein zeitloser, aber spannender Mix aus Retro und Moderne. T.H.: Und genau hier liegt meine Auffassung von Trend zugrunde: Das Grundkonzept bei allem, was man tut, ist und schafft – nicht nur im Salon, sondern auch in der eigenen Denke und Kreativität – sollte ein festes Fundament haben, ein zeitloser Raum sein, in dem sich Inhalte verändern und Trends bewegen! Stressfrei und ohne Druck, ständig das Rad neu erfinden und jedem Trend hinterherhecheln zu müssen. So definiere ich Stil!

Ich nehme an, diese Lebenseinstellung hast du nicht erst seit Corona. T.H.: Nein, aber die vergangenen Wochen haben mich darin mehr als bestätigt, dass es längst an der Zeit war, einmal innezuhalten, runterzukommen und sich selbst mal wieder zu reflektieren, um entweder zu entdecken, dass man auf dem richtigen Weg ist oder eventuell ein paar Weichen einschlagen muss. Was ich ganz generell seit 5 Jahren in unserer Branche beobachte, es wird viel zu viel über Zahlen diskutiert. Die stehen total im Vordergrund, egal ob es um Umsatz, Personal oder Kunden geht. Und es wird gejammert ohne Ende statt diese Energie in ein Grundkonzept zu investieren mit solidem und dem für sich passenden Fundament, auf dem sich dann auch der Erfolg aufbauen kann.

„Mir fehlt in unserer Branche eine gewisse Leichtigkeit!“

In welcher Situation sollte ein Friseur deiner Meinung nach die Weichen neu justieren? T.H.: In unserer Branche wird sich doch permanent das Hirn zermartert mit Negativthemen: Dies und jenes funktioniert nicht, dies und das muss man besser machen und überhaupt reicht das alles nicht! Anstatt mal zu sagen: „Mensch, das ist doch super, was ich hier mache! Ich habe meine Zielgruppe, meine Dienstleistungen, meinen Salon und meine Marke, die zur mir passen.“ Und darin darf ich doch dann auch mal ruhen, statt jedem Trend und jeder imaginären Zahl hinterher zu rennen. Wir haben uns in der Capelli Group z. B. ganz bewusst gegen Haarverlängerung entschieden. Nicht, weil das etwas Schlechtes ist, sondern weil es nicht zu uns passt. Das bedeutet aber keinen Umsatzverlust für uns, sondern wir konzentrieren uns hingegen auf unsere Kernkompetenzen, die unsere Kunden überzeugen, statt uns zu verzetteln.

Sind demnach die oftmals nicht vorhandenen Grundkonzepte vieler Salons verantwortlich für das Negativimage unserer Branche? T.H.: Ich persönlich habe mich jedenfalls noch nie minderwertig gefühlt in meinem Beruf. Und wenn ich an meinem Image zweifle, zweifle ich auch an mir selbst.

Was fehlt denn aktuell am allermeisten, um aus dieser Misere wieder herauszufinden? T.H.: Zahlen, Optimierung und Schnelllebigkeit gehen zu Lasten der Kreativität – meiner Meinung nach das wesentliche Kriterium, um unsere Kunden glücklich zu machen. Was mir in unserer Branche fehlt, ist eine gewisse Leichtigkeit und der erforderliche Mut, zu seinem eigenen Konzept zu stehen und dieses organisch weiterzuentwickeln. Ohne Stress und Druck, alles mitmachen und jeden mitnehmen zu müssen! Und ganz ehrlich, wenn ich auf Facebook die Kalkulation des einen oder anderen Salons nicht verstehe, dann muss ich mich doch auch nicht mit ihr auseinandersetzen, sondern investiere die Zeit doch lieber in meinen eigenen Laden!

Thorsten Hussfeldt (Creative Director von GLYNT) liebt die Bühne Thorsten Hussfeldt (Creative Director von GLYNT) liebt die Bühne ©Glynt

„Der Friseurbesuch war der erste Gang in die Normalität“

Ich gehe davon aus, dass deine Weichen in die richtige Richtung laufen? T.H.: Wir sind jedenfalls megaentspannt und zufrieden, hatten im Mai den Rekordumsatz seit Bestehen von Capelli Group und sind jetzt wieder auf normalem Kurs. Und wir haben festgestellt, je normaler wir mit der Situation umgehen, umso entspannter sind auch die Kunden. Auch wenn ich es sehr bedauere, dass ich dir derzeit nicht den besten Cappuccino von Ludwigsburg anbieten darf.

Heißt das, alle Kunden sind wieder an Bord? T.H.: Ja, ich habe den Lockdown genutzt, alle Kunden anzurufen, um neue Termine zu vereinbaren. Einige habe ich dann sogar zweimal angerufen, da der erste Wiedereröffnungstermin ja dann nochmals verschoben wurde. Die Kunden fanden das toll und haben sich riesig gefreut. In der ersten Woche nach dem Reopening sagte eine Kundin zu mir: „Der Friseurbesuch ist der erste Gang in die Normalität“. Das hat mich sehr berührt.

Also, kein No-show-Problem bei euch im Salon? T.H: Selten! Das liegt aber sicherlich auch daran, dass wir bewusst kein Onlinebuchungssystem haben. Wir führen ganz klassisch ein Terminbuch mit einer Liste, auf der sich Kunden in der Warteschleife befinden, die wir jederzeit abrufen können, wenn mal der eine oder andere kurzfristig absagt. Das funktioniert einwandfrei.

Hast du nach dem Lockdown wie viele andere Friseure auch deine Preise im Salon erhöht? T.H.: Nein, und ich finde das auch komplett falsch, eine Preiserhöhung zu gestalten, ausgerechnet dann, wenn sich ein großer Teil der Bevölkerung in Kurzarbeit befindet. Da muss man schon sensibel mit umgehen, denn das zeugt nicht gerade von Wertschätzung den Kunden gegenüber.

„Das Erlebnis muss wieder mehr in den Vordergrund rücken“!

Nochmal zurück zu den Trends! Warum schlummern diese tollen Looks in Zeiten von Webinarmöglichkeiten bei dir im Salon? T.H.: Weil ich der Meinung bin, Mode bedarf der Live-Interaktion. Mode kommt im Web nicht rüber! Das ist doch wie bei einem Konzert. Live ist live! Sich Depeche Mode mit einer Chipstüte auf der Couch im Fernsehen anzuschauen ist doch kein Vergleich zum Genuss einer Live-Performance! Man muss doch jetzt nicht auf Biegen und Brechen Veranstaltungen durchführen.

Apropos live, noch ist die Top Hair-Messe im September nicht abgesagt. Würdest du hingehen? T.H.: Ich glaube nicht, dass es die Top Hair-Messe so wie bisher weiter geben wird. Da müssen neue Konzepte her. Nicht, was die Inhalte betrifft, sondern die Art und Weise der Kommunikation. Die Messe sollte auf drei Tage verteilt werden, damit sich die Anzahl der Besucher entzerrt. Es war ja auch bisher sonntags eher eine Quälerei und man hat vor lauter Andrang nur einen Bruchteil von dem, was einen interessiert hat, gesehen. Spätestens seit Corona haben solche Konzepte meiner Meinung nach eher ausgedient. Es gibt im Zeitalter der Digitalisierung doch tolle Möglichkeiten, z. B. begehbare Themenwelten zu schaffen mit großen Screens, die einen großen Raum bilden und ein grandioses Image transportieren. Das Erlebnis sollte nun mehr in den Vordergrund rücken. Ich persönlich fände es jedenfalls schade, nun so zu tun, als hätte es die 6 Wochen Shutdown nicht gegeben.  

Vielen Dank, lieber Thorsten, für das offene und ehrliche Gespräch!  

Hier erfahrt ihr mehr zu FMFM-Artist Thorsten Hussfeldt

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