WELT, was geht denn ab mit dir?!

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Zeit zum Sinnieren. "Wie kann es weitergehen mit uns und der (Friseur-)Welt?
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Zeit zum Sinnieren. "Wie kann es weitergehen mit uns und der (Friseur-)Welt?

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Wolken über Sizilien. FMFM Artist Andreas Sebastian Ehrle ist im Urlaub und hat Zeit zum Beobachten und Nachdenken. Über die Welt an sich, die Umwelt, die Nachwelt. Wenn nicht gerade ein Tornado am Strand vorbeizieht. Seine Frage: Was können wir alle gemeinsam tun, damit uns diese verdammt geliebte Erde nicht um die Ohren fliegt?

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Gerade liege ich hier auf meinem viel zu weichen Bett mit Meerblick in Capo D’Orlando. Luxusproblem, aber mein Rücken mag das nicht; was soll ich machen? Der ist kaputt. Es ist unser erster Sommerurlaub in Italien seit drei Jahren. Erst die Geburt unserer Tochter Romy, dann die verdammte Pandemie. Beides hat uns gehindert, Strand und Salzwasser zu fühlen. Nun endlich ist es soweit. Sommer 2022. Mehr als verdient, denke ich. Es ist Mittagszeit und die Sonne kommt wieder raus. Ein Hin und Her, ein Mix aus Regen und Sonne fast wie im April. Es ist aber die letzte Augustwoche. Die Tage davor hatten wir 40 Grad. Nur einen kleinen Tick wärmer als in Deutschland. Ein heftiger Sommer war das auch bei uns. Das kannten wir so noch nicht. Meine Frau ist aus Sizilien. Aus dem Ort, an dem wir grade sind, kommt sie her. Ihre ganze Kindheit hat sie Jahr für Jahr wieder hier verbracht. Ich bin das vierte Mal dabei. Gestern wollte sie mir eine kleine Bucht am Strand zeigen, an der sie immer ihre Strandtücher ausbreitete, idyllisch und verlassen. Aber der Strand dort war weg. Das Wasser hatte ihn sich genommen. Einfach so – nicht mehr da! Wie kann das sein? Das macht sie traurig, mich macht es nachdenklich, und hier kommen nun ein paar Zeilen dazu für Euch.

Sparen. Nur wo? Und wie?

In Deutschland reden wir von der Not, endlich zu handeln. Erzählt wird uns, dass wir keine Diesel mehr fahren sollten. In manchen Städten wirst du schon beim Reinfahren bestraft – aber tanken kannst Du den Shit noch immer für viel Geld. Benziner sind auch nichts mehr. Also alle ab zum E-Auto. Aber habt ihr da das Geld für? Für so ein neues Teil? Ich habe es nicht. Gas und Strom werden heftig teuer. Der Winter wird uns die Wahrheit zeigen. Bei uns in der Zeitung stand erst neulich, dass sie vorhaben, beheizte Turnhallen zur Verfügung zu stellen, damit die Leute sich dann eben aufwärmen können. Die, die es sich nicht mehr leisten können, daheim zu heizen. Was zur Hölle?! Das ist echt heftig und macht einem doch Angst. Politiker*innen geben uns Ratschläge, wie wir Gas und Strom sparen können. Wir könnten seltener duschen und uns stattdessen mit dem Waschlappen sauber machen. Ok, denke ich da, das macht ihr ganz bestimmt alle dann auch bei minimal 10 Kilo Gehalt im Monat. Mal sehen, ob wir Friseur*innen weiter den Kund*innen die Haare waschen dürfen oder ob uns auch nur eine gewisse Menge Wasser pro Kopf erlaubt wird. Am besten bringt einfach jede und jeder den eigenen Eimer mit Wasser mit. Hoffentlich ist der Anreiseweg in den Salon nicht zu weit, sonst ist es dann halt mal kalt. Kneippkur. Auch cool. Anna, meine Frau, liest das hier grade und muss lachen; naja ich weiß nicht, ob das dann nicht doch auch noch Realität wird.

Preiserhöhung. Eine Frage des Überlebens

Alle reden im Moment von der Inflation, der Preiserhöhung im Salon. Ob Du dich das trauen kannst. Hallo, wacht mal auf. Bei der Inflationsrate und den laufenden Kosten, die wir haben? JA! Da müssen wir hoch gehen. Wie sollen unsere Mitarbeitenden, unser Team, denn sonst ihren ganzen Mist zahlen? Und Geld für mal was Schönes on top sollten sie doch auch haben. Wer einen guten Job abliefert, sollte bekommen. Leistung gibt es für Leistung. Wir sind nicht preiswert, aber wir sind unseren Preis wert! Ab morgen bitte alle im Preis hoch gehen. Das hat nichts mit Bereicherung von einzelnen zu tun. Oder wollt Ihr, dass Ihr Eure Läden bald zu machen müsst? Die paar abgeschweiften Zeilen hierzu mussten sein. Zurück zum Thema.

Absolut machbar: Müll reduzieren! 

Wir leben in einer Gesellschaft, die total viel Müll produziert. Allein in der Pandemie: die Schnelltests und das Einwegzeug. Was das an Abfall bringt. In Tübingen gibt es die Verpackungssteuer – ein guter und nachhaltiger Zug. Wie ist es sonst? Du bestellst bei Onlineshops und kannst portofrei zurücksenden, oft werfen die die zurückgesendeten Klamotten einfach weg. Das soll anscheinend günstiger sein. Da frage ich mich schon, was das teure Zeug denn in der Produktion kostet, wenn es dann im Müll landet? Wie krank ist das bitte denn? Unser Kühlschrank ist voll und auch hier landet das ein oder andere Essen manchmal in der Tonne. Seid ehrlich und sagt mal: Ja, das ist bei mir auch so.

Chaos – scheinbar aus dem Nichts

Wir haben das Glück, in einem Land voller Information zu leben. Sollte man zumindest denken. Wir werden sogar überschüttet von medialem Input, was alles so passiert da draußen. Und trotzdem kommt es aus dem Nichts? Auf einmal müssen wir sofort handeln, es ist schon zu spät, wir können es nicht mehr aufhalten, wird uns eingetrichtert. Das macht schon Angst. Stürme, die wir so nicht kennen, Überschwemmungen, Waldbrände und Menschen, die ihr Zuhause verlassen müssen, weil Sie eben dort gefährdet sind. Nennt sich das nun Naturkatastrophe oder was ist es? Alles auf einmal und aus dem Nichts? Vor zwei Tagen waren wir gegen Abend am Meer mit den Kids. Eine hammer Atmosphäre. Alle starrten in dieselbe Richtung. Es war aber nicht zum Sonnenuntergang hin. Vom Himmel bildete sich ein breiter und noch längerer Streifen, der auf dem Meer endete. Er brach das Meer auf und wirbelte das Wasser wild umher. Er zog in unsere Richtung. Ein paar Menschen filmten das alles, andere rannten weg. So ganz sicher fühlte ich mich auch nicht. Ich sagte zu meiner Frau Anna und meinem Sohn Davie, dass sie sich mal besser an einer Laterne festhalten sollen. Meine kleine Tochter Romy schnappte ich auf den Arm. Zum Glück ging es gut für uns aus. Es musste eine Art kleiner Tornado gewesen sein. Am nächsten Tag stand es in der Zeitung. Crazy. Das habe ich so noch nie gesehen. Faszinierend und schön, aber eben auch nicht wirklich gut, dass es so was gibt.

Selbst aktiv werden

Was können wir tun? Ganz einfach: Jede und jeder seinen Teil. Auch wenn es nur ein kleiner ist. Es ist einer! Aber es ist eben auch Arbeit. Schon klar. Raus aus der Komfortzone mit uns allen. In meinem Salon dachte ich schon längere Zeit drüber nach, was ich ändern könnte. Mich hat es hart gestört zu sehen, wie viel Müll wir täglich produzieren. Pro Tag war es bestimmt in Summe ein großer Sack voll. Auch das ständige Wäscherei-Spielen hat mich echt angepisst. Wir arbeiten zu dritt und haben oft zwei Maschinen am Tag und im Winter noch den Trockner dazu. Diese verdammte Luftfeuchtigkeit nervt echt auch. Das beschissene Gesumme des Automaten und die Hoffnung, dass die Dinger mal halten. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, nachhaltige Alufolie für die Strähnen zu benutzen. Die wird dann gesammelt und einfach zurückgeschickt, wenn die große Box voll ist. Im selben Zug bekomme ich wieder eine frische Box mit neuer Folie. Die eingesendete Folie wird dann dort gereinigt und kommt danach zum Recyclen. Die machen wieder neue draus. Besser finde ich geht’s fast nicht. Wir verwenden seit ein paar Wochen kompostierbare Einweghandtücher, die im Biomüll landen. Nach ca. 100 Tagen sind die dann einfach mal weg. Sie zersetzen sich komplett. Die Dinger sind aus Zedern- und Eukalyptusholz. Jede Kundin bekommt ihr eigenes, neues Handtuch. Das finde ich in der Zeit der Pandemie auch hygienischer. Wir trocknen die Tücher dann nach Benutzung auf dem Wäscheständer und nutzen Sie noch als Putzlappen. Danach ab in den Bio. Es ist krass zu sehen, dass wir nun nur noch eine Maschine die Woche waschen müssen. Hallo, statt ca. zwei pro Tag. Waschmittel, Wasser und vor allem die Energie fällt ja dadurch fast weg. Das finde ich super. Dazu kommt die Zeitersparnis für das Waschen, Aufhängen und Zusammenlegen der Handtücher. Auf einmal hat man dann kurz mal einen Leerlauf und eine zufrieden Kollegin Daniela. Das kennen wir bis jetzt so nicht – das mit der Zeit, meine ich. Es kostet klar alles auch ein paar Euro mehr, aber die bin ich ganz bestimmt bereit, als meinen Beitrag zur Umwelt zu investieren. Ich versuche, wenn irgendwie möglich mit dem Fahrrad zu fahren. In die Arbeit, sowie privat. Das geht schon klar.

Nachhaltig arbeiten – und drüber sprechen

Im Salon kommunizieren wir diese Themen mit unseren Kund*innen. Viele finden es echt klasse, erzählen es Freund*innen weiter und sind sogar stolz, bei so einem Friseursalon zu sein. Ich finde, dass sie mit ihrem Zu-Uns-Kommen auch ihren Beitrag leisten. Ein paar Kund*innen hinterfragen das trotzdem. Sie sind zum Teil skeptisch. Wollen wissen, wie diese Dinge in der Produktion sind. Von dem Energiebedarf her und was auch immer. Oft ist es bei uns in Deutschland so, dass erstmal immer ein „dagegen“ kommt. Hallo? Auch hier, wacht mal auf. Wir machen doch was! Und das ist richtig, wichtig und gut so! Denkt mal an unsere Kinder! Bei manchen Kund*innen schaffe ich es auch, dass Sie durch unser Gespräch nachdenklich werden, wie es denn bei ihnen am Arbeitsplatz ist. Egal, wo auch immer. Im Hotel, Café, Restaurant, beim Bäcker, in der Klinik, bei den Ärzt*innen, in den Schulen, Büros, Ämtern, in den Supermärkten, Klamottenläden oder auch Möbelhäusern. An allen Arbeitsplätzen, die ich noch vergessen habe. Überall produziert Ihr doch Müll und verbraucht Energie. Denkt mal drüber nach, was man da so ändern könnte und wo man einsparen kann. Beispiel Möbelladen. Erst neulich habe ich da was für den Salon gekauft. Du bekommst dann von dem Typ einen Kaufvertrag mit ein paar Seiten ausgedruckt. Für so ein kleines Möbelstück, dachte ich mir, das ganze Papier. Wozu denn das? Dummerweise hatte der Verkäufer die falsche Adresse im System. Also dann gleich nochmal die ganzen Seiten drucken. Für ihn und für mich. Mir hätte die Rechnung gereicht. Irgendwie nicht mit der Zeit und auch etwas krank, dass das dort weiterhin so gemacht wird.

Grad neulich…

Durch Zufall vergaßen wir vor ein paar Tagen nach der Mittagspause die Lichter in meinem Laden wieder anzumachen. Es war nicht wirklich dunkler als mit, wir haben das Glück, einige Fenster mit Tageslicht zu haben. An sonnigen Tagen im Sommer machen wir das nun immer so, dass die Lichter ausgeschaltet bleiben. Wie machen die Leute das denn in den anderen Ländern? In vielen gibt’s nicht mal eine Mülltrennung. Hier in Italien bekommst Du jede Menge Plastiktüten im Supermarkt, im Kekseladen und beim Obst das gleiche. In der Bar bekommst Du, wenn Du dir eine Wasserflasche kaufst, vier Becher dazu. Aus Plastik. Dosen und Flaschen landen alle im Müll. Kein Pfand. Ich habe keine Automaten gesehen, wo man sie abgeben könnte. Ich denke, getrennt wird aber schon. Sehr viele fahren Diesel und ich glaube, das juckt auch niemanden hier. In den USA bekommst Du zu einem Muffin eine Tüte voller Servietten dazu – in der Pandemie hätte ich die dann als Klopapier genommen. Was soll das denn? Es soll keine Anklage oder ein „Wir sind besser“ sein, trotzdem wäre es cool, wenn alle Länder da mitziehen würden. Ich denke, an dieser Stelle können wir fast ein bisschen stolz sein, in diesem Land zu leben. Und das aus meinem Mund? Da muss ich ja schon etwas schmunzeln. Aber in dieser Sache, echt gut so! Also, macht weiter so! Wenn jede und jeder von uns sich mal die Zeit nimmt und darüber nachdenkt, wird jede und jeder einzelne sehen, dass es Dinge gibt, die man anders besser machen kann. Seit wir das in meinem Salon so machen, macht es irgendwie mehr Spaß. Wir machen was Gutes…

Für uns, für alle

Auch wenn wir alle, die diesen Text hier lesen können, vielleicht noch gut durch diese Nummer kommen, dürfen wir nicht vergessen, was unsere Kinder und alle, die danach noch kommen, erwartet. Ist es denn so schwer, sich an ein paar Dinge zu halten und diese wunderbare Welt und die Zeit auf ihr als ein Geschenk mit Dankbarkeit und Respekt zu betrachten? Aus der Liebe zum Leben für das Leben unserer Kinder. Anfangen und teilen wäre Liebe.

Euer Andi.