„Wer nichts fordert, kriegt NOCH weniger!“

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Setzt auf "Wünsch Dir was" bei der Politik: FMFM Artist Andi Ehrle
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Wenn ich mir etwas wünschen dürfte... Andi Ehrle hat den Papp auf. Erst kürzlich moderierte er bei der Saarländer Messe ISSMA '24 den Polit-Talk – und gewann die Erkenntnis: "Wer nichts fordert, kriegt NOCH weniger!" Hier seine Auswahl aktueller Forderungen an Staat und Kollegen. Träume eines Geköpften oder vielleicht Stoff für heiße Diskussionen?

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Schon länger, und ich kann nicht mal genau sagen, seit wann genau, läuft es nach meinem Gefühl nicht mehr so wirklich rund in unserem Job. Es gibt so viel Gegenwind, so viele negative Aussagen, so viel Frust und irgendwie auch so viel „gefühlte Wut“ in unseren eigenen Reihen unter uns Friseuren. Das alles on top noch gepaart mit der angespannten Haltung der Kund*innen. Fast alle meckern, haben Angst und meinen, dass das Geld knapp wird. Nachwuchs in vielen Berufen? Fremdwort oder Realität! Das Aus für einige Branchen? Der schleichende Tod oder eine Chance zum Umschwung? Ist das Meckern aus der Not heraus – oder eher das übliche Luxusproblem? Nämlich das, dass keiner bereit ist, den Kuchen zu teilen oder auch nur auf einzelne Krümel zu verzichten. Ich merke aber deutlich, dass es in unserem Job, der Friseurbranche, einen Umschwung und einen Zwang zum Neuerfinden, zur Hilfe von außen oder eben auch dem „Aufgeben“ gibt. Hier mal ein paar Punkte, die schon Thema sind, aber eben verbunden mit einer Lösung von mir, die ich der Politik und uns selbst mal zum Nachdenken und Handeln als Chance näherbringen möchte:

7 % Mwst. in unserem Handwerk oder Chancengleichheit für alle Friseurunternehmer – ab einem Angestellten!

Ich weiß, dass diese Forderung und die Aussage „das wollen wir!“ ziemlich ausgelutscht sind, aber genau aus diesem Grund fange ich damit an und rolle die Sache mal anders und von hinten auf! Wisst Ihr eigentlich über die Kleinstunternehmerregelung Bescheid? Bis zu einem Jahresumsatz von 22.000 Euro wird keine Umsatzsteuer abgeführt. Das bedeutet weniger als 100 Euro Umsatz am Tag? Dann bin ich steuerfrei? Wie geht das denn? Bei den Preisen, die wir im Gegenzug für einen Haarschnitt aufrufen müssen, um unsere Kosten wie Miete, Gehälter etc. deckeln zu können? Niemals… Also, um es zu vereinfachen: 30 % der Friseurunternehmen in Deutschland fallen unter diesen besagten 22.000 Euro Jahresumsatz, verdienen also weniger als ein Hunni am Tag? Tendenz steigend. Da muss ich echt lachen. Wie willst du denn ernsthaft mit unter 100 Euro Umsatz am Tag alles deckeln – und noch davon leben können?! Aber genau hier ist das Problem. Wenn die Regierung nicht handelt, werden mehr und mehr Salons auch unter diese Grenze rutschen! Ob sie es wirklich nicht anders schaffen oder das halt eben als die Lösung ihrer Probleme sehen, sei dahingestellt. Seit der Pandemie ist die Lustlosigkeit am Wachsen und der Frust mit der Aussage „Warum arbeite ich überhaupt noch?“ zu spüren. Und hier entsteht die deutliche Gefahr für das Land. Denn Salons reduzieren ihre Arbeit, verkleinern ihre Teams und machen sich einen easy Job. Ist ja auch verlockend: weniger arbeiten, weniger haben, aber dafür mehr vom Richtigen – dem Leben. Eben um zu leben. Und nicht leben, um zu arbeiten. Aber geht das gut, und vor allem, geht das auf? Es fühlt sich nach dem schleichenden Tod der bodenständigen Meisterbetriebe an. Dem Sterben der Salons, die wir alle schon immer kennen und die wir schätzen. Wo ein Bestandssalon schließt, machen zwei 11-er Buden auf. Da kommt dann auch nicht mehr viel rein. Keiner sollte keine Steuer zahlen und keiner sollte für alle zahlen? Das funktioniert so nicht!

Daher fordere ich: Jetzt sind wir mal dran! Sonst sind wir weg. 7 % Mwst. für alle Salons ab einem Angestellten. Typische Aussage der Politik, die jetzt kommen muss: „Warum und wie soll das gehen?“ Warum und weshalb denn nicht! Wenn alle Salons gleichgestellt wären, ob sie viel bringen oder eben wenig, dann würde diese Gefahr nicht entstehen. Im Gegenteil! Es würde einigen zeigen, dass man uns sieht, uns wahrnimmt und ernsthaft erkennt, dass wir 220.000 Friseure am Tag zusammen über eine Million Kunden bedienen. Bei nur (extra gering angesetzten!) 20 Euro pro Kunde im Schnitt sind wir hier pro Tag bei 200 Millionen Euro Umsatz. Das ist schon eine große Nummer, finde ich. Oder etwa nicht? Kommentare gerne wie immer unten im Feed.

300 Euro brutto gleich netto aufs Gehalt packen… Und das alles vom Staat!

Da lacht mich fast jeder aus?! Habe ich schon oft gesagt und Kritik bekommen: „Wie soll das denn gehen? Die helfen doch nicht, die zahlen doch nichts, die haben kein Geld“ Wie bitte? Bei allem, was da so rausgeschmissen wird? Für mich die dümmste Aussage war „Das kann doch das Unternehmen selbst bezahlen.“ Hey, woher soll die Kohle denn kommen? Von meinen Kundinnen kann ich das nicht holen! Die sind auch an der Kante. Die Preisanpassung, die zumindest einmal im Jahr zur Pflicht geworden ist, sehen viele von außen leider noch immer als Preiserhöhung. Leider ist da nicht mal ein Euro für mich eingerechnet.

Hört mir doch bitte mal zu! Also, stellt euch mal vor, der Staat packt in schlecht bezahlten Berufen, in denen es am Ende vom Monat knapp wird (sei es bei uns Friseuren, im sonstigen Handwerk oder auch in anderen Branchen) 300 Euro brutto gleich netto aufs Gehalt drauf – einfach dauerhaft und als Geschenk und nicht so, wie bei der Soforthilfe damals. Was würde passieren? Was würde es kosten? Wisst ihr was: Ich habe mit vielen Menschen in Berufen geredet, die wenig verdienen. Die dem Bürgergeld nah sind, von dem, was sie im Monat haben. Die arbeiten und haben oft nur paar hundert Euro mehr als die, die daheimbleiben. Wenn überhaupt. Und genau hier ist das große Problem, denn so entsteht der Reiz, nichts zu tun! Es heißt oft: „Wer arbeitet, hat mehr“. Es muss aber heißen: „Wer arbeitet, hat viel mehr!“

Rechnet doch mal mit…

Was passiert also mit diesen geforderten 300 Euro vom Staat aufs Gehalt? Denkt doch mal, was bedeutet das für unsere Branche: Friseure fühlen sich gesehen, spüren Anerkennung und Respekt von der Regierung. Sie haben 300 Euro im Monat mehr – und das motiviert weiterzumachen. Damit fällt für viele die Frage des Bürgergeldes flach, da sie nun deutlich mehr für Arbeit bekommen als fürs Daheimbleiben. Also wird gearbeitet. Bedeutet im Umkehrschluss Umsatz. Umsatz gleich Geld. Geld gleich Einnahmen für den Staat. Ein Friseur, der Arbeiten geht und der den Staat 300 Euro kostet. Aber eben auch einer, der was reinbringt, und zwar deutlich mehr als 300 Euro im Monat. Das machst DU locker an Umsatz pro Tag! Das ist ja wohl eine gute Geldanlage mit einem mega Zins und einer Person mehr, die zufrieden ist. Rechnet das doch mal reell aus! Und hier sind wir dann wieder bei der Zahl von oben, 200 Millionen Euro Umsatz am Tag bei (wenn wir mal unrealistisch tief ansetzen) durchschnittlich nur 20 Euro pro Schnitt. Heißt: Geld als Invest und on top: Das Geld wird dann wieder im eigenen Land für das Leben ausgegeben.

Wir Deutschen gehen doch leider oft arbeiten, um leben zu können, aber das Geld sollte auch noch zum „Erleben“ reichen, oder? Heißt, mal ne Woche im Jahr Urlaub zahlen zu können. Im Bestfall reicht es noch zum Überleben, also was für die Rente zu sparen. Denkt mal darüber nach! Keine Angst: Für einen Urlaub im Ausland reicht es dann aber noch immer nicht.

Handwerk positiv nach außen bringen!

Ich hatte vor zwei Wochen ein Déjà vu… Wir waren mit unserer Innung an einem Donnerstagmorgen in eben der Schule, in die ich vor ziemlich genau 30 Jahren als Schüler aufs Gymi ging. Ein Handwerksorientierungstag war es. Über 500 Schüler der Allgemeinschule und des Gymnasiums. Ich dachte, mal sehen, was uns dort erwartet. Work-Life-Balance, 4 Tage Woche oder „Chill doch mal“. Wenig leisten, viel fordern. Eben das, was da draußen so erzählt wird über unsere Youngster.

Aber von wegen! Ich traf auf junge Menschen voller Wünsche, Ziele und Träume, die mich sowas von abholten. Einige von Ihnen schneiden sich schon länger gegenseitig die Haare, zum Teil in einer Quali, die echt bei ausgelernten Friseuren zu suchen ist. Talent oder die Lust, es zu machen und einfach durchziehen. Das war das, was ich so oft an diesem Tag hörte. Nicht denken, nicht Angst zeigen, sondern handeln! Nach dieser Nummer ging ich gefühlt 20 Jahre jünger mit einem breiten Grinsen und einem geilen Podcast-Take zurück in meinen Salon.

Und ich frage mich: Warum muss eine Ausbildung eigentlich drei Jahre gehen? Warum versteift auf die Berufsschule? Oft weit vom Wohnort entfernt und sehr oft mit dem falschen Lernstoff, der nicht wirklich auf das heutige, schnelllebige Verhalten und die Wünsche angepasst ist. Oft auf Deutsch für Schüler, die die Sprache nicht beherrschen. Warum nicht umdenken und die Gesetze, die Regeln brechen und die Arbeit und das Talent in den Vordergrund stellen?

Stattdessen führen wir Diskussionen über 4,5 Jahre bis zum Meister… Viel wichtiger ist doch, den Nachwuchs abzuholen, also vom Tag eins an. Ausbildung verändern, Berufsschule kippen oder eben ein Jahr Blockunterricht am Stück, fachlich und die komplette Theorie. Dann kann der Newcomer in den Salon kommen, muss aber das Wissen durch eine bestandene Prüfung erlangt haben und zumindest die Grundschnitte und die klassischen Farbtechniken beherrschen. So können wir Unternehmer ihn einsetzen und mit Stolz performen, anteasen und abfeiern. Das sollte doch dann ein mega Push für die Neuen im Salon sein. Nicht nur kehren und sich mit roter Birne im Keller verstecken, wenn was nichts klappt, wie damals bei mir selbst 1996, als alles begann.

Der wunde Punkt ist aber auch hier: Wer soll das erste Jahr bezahlen? Ein Betrieb wird sich selbst nicht motiviert dabei fühlen, ins Ungewisse zu investieren. Katze im Sack oder Artist im Keller? Heißt auch hier: Der Staat muss ran! Investiert in unsere Jugend, in unser Handwerk und eben auch in dauerhafte Qualität auf eurem Kopf. Oder muss es erst so weit kommen, dass eine Frau Doktor zum Barber zum Bartschneiden geht;)? Nicht weil sie will, sondern weil sie muss, weil es keine anderen Friseure mehr gibt!

Bringt die Exklusivität zurück!

Ich laufe manchmal durch meine City, in der ich schon seit 46 Jahren lebe, also vom ersten Atemzug an. Es ist schon komisch, da ich immer auf der Reise war. Tübingen ist meine Hood und meine Liebe. Viel hat sich verändert. Läden kamen, Läden gingen. Das Nachtleben wandelte sich von der Disco zum Club. Die Restaurants zur Dönerbude oder dem Thaiwok. Alles hat seine Berechtigung. Es gibt die alteingesessenen Betriebe und die neuen. Die Kultur und der Lebensstil wurden den Menschen angepasst. Gut so! Es klappt irgendwie, trotz aller Gegensätze. Aber wie ist es bei uns? Friseure oder Barbershop, wer macht zu und wer macht auf? Ich sehe jedenfalls: Wo ein langjähriger Meisterbetrieb schließt, machen zwei „günstige“ auf. Mit Bartschnitt bis zum Brillenbügel – oder doch mal kurz die Haare drüber?! Für mich gibt es da nur eine Antwort: Lasst uns die Exklusivität und das Besondere zurückbringen! Die Zeit, wo ein Termin ein Termin im Kalender ist, auf den sich unsere Kundinnen schon Tage davor freuen. Männer und Frauen, die zu uns kommen, um schöne Haare zu bekommen und gleich beim Abschied schon den nächsten Termin ausmachen. Nur für dieses Gefühl. Das können nur wir selbst umsetzen. Und zwar jede und jeder für sich.

Wir müssen zurück zu den Wurzeln. Seht, wer Ihr seid. Zeigt, was ihr könnt. Seid stolz. Wir waren schon immer die, die aus Mist Gold machen können, das kann nicht jeder. Aber wir können es! Wir sind Friseure. Steht auf und zeigt euren Wert!

Euer Andi