„Wer qualifiziertes Personal will, muss auch ausbilden!“

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1, 2 oder 3? Patrik hat gleich drei Azubis
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1, 2 oder 3? Patrik hat gleich drei Azubis

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Es gibt sie noch! Erstklassige Azubis mit Wissensdurst, Eigeninitiative und Höflichkeit. Friseurunternehmer Patrik Kolbow aus Geesthacht in Schleswig-Holstein sind sogar gleich drei von ihnen in den Salon geflattert. Warum er sich trotz schlechter Lehrlingserfahrungen in den letzten Jahren nie vor der Herausforderung drücken will, lest ihr hier.

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Patrik, Du hast aktuell drei Azubis im ersten Lehrjahr. Das hat heutzutage Seltenheitswert. Wie kommts?

Anfang des Jahres bekam ich eine Anfrage von einer Agentur in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit, die versuchen junge Migrantinnen ohne Schulabschluss in ein Langzeitpraktikum zu bringen und sie langfristig natürlich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das nennt sich berufsbildende Vorbereitung mit zwei Tagen Schule und drei Tagen im Salon. Die Bezahlung kommt dann vom Amt, die Versicherungen werden ebenfalls übernommen und ich trage lediglich die Lohnnebenkosten. Das empfand ich als lohnenswerte und überschaubare Investition, um zu sehen, ob man mit den Bewerberinnen überhaupt etwas anfangen kann. Und so kamen die Ala, eine junge Syrerin, und Martyna aus Polen zu mir. Und kurz darauf sagte ich Kimberly noch ein Schulpraktikum zu.

Und das hat funktioniert?

Ja, das war der Wahnsinn. Alle drei Mädels waren beziehungsweise sind extrem wissbegierig, hören zu, zeigen Eigeninitiative und Engagement. Du erzählst denen was und es bleibt hängen. Die machen selber Internetrecherchen, fragen nach und üben das, weil sie es einfach können wollen. Die übernehmen plötzlich Dinge, die sie sich gegenseitig beigebracht haben. Und das trotz kultureller und sprachlicher Unterschiede und Barrieren. Ala lernte auch unglaublich schnell unsere Sprache und quatscht die Kunden jetzt schneller zu als ich. Nach dem halben Jahr Praktikum waren alle drei schon weiter als viele Lehrlinge Ende des ersten Lehrjahres.

Und vom Praktikum ging es dann direkt in ein Lehrverhältnis?

Ja, die drei Mädels waren so toll, dass ich keine gehen lassen konnte – ein echter Glücksgriff. Ich und auch meine Mitarbeiter*innen waren sicher, dass wir die Herausforderung mit gleich drei Azubis meistern werden. Seit dem 1.8. besteht nun also ein ganz normales Lehrverhältnis, mit einmal in der Woche Berufsschule. Sie sind wirklich eine unglaubliche Bereicherung für unser Geschäft und gehören voll zum Team.

Dabei warst Du selbst aufgrund „mangels talentierter Bewerber“ schon kurz davor zu resignieren…

Ich bin seit 26 Jahren selbstständig und hatte schon so einige Lehrlinge, aber in den letzten Jahren war das, was da an Nachwuchs reinkam, wirklich eine Katastrophe. Da herrschten dann immer so eine Null-Bock-Mentalität, dazu keine Umgangsformen und Selbstständigkeit. Das war dann reine Zeit- und Geldverschwendung und ich hatte echt keinen Bock mehr. Aber ich sage auch immer, wer qualifiziertes Personal will, muss auch ausbilden. Deshalb bin ich auch immer am machen. Und dank dieser drei Mädels macht mir Ausbilden wieder richtig Spaß und ich blicke positiv in die Zukunft.

Was machst du anders, vielleicht auch zeitgemäßer, bei der Ausbildung?

Den bestehenden Ausbildungsrahmenplan habe ich schon vor 20 Jahren kritisiert. Mit ihm hab ich allenfalls eine bessere Putzkraft, die Befehle ausführt. Ich hingegen möchte selbstständig denkende Menschen um mich herum. So habe ich einen eigenen Ausbildungsplan für meine „angehenden Friseurinnen“ erstellt. Dabei stehen immer zwei Kollegen einem Lehrling zur Seite, wo er sich viel abschauen kann und erklärt bekommt, wie was funktioniert. Jede*r muss selbstständig mindestens drei Modelle pro Woche mit Arbeitsbericht erstellen. Dabei lassen wir sie auch ganz bewusst Fehler machen, denn nur so ergibt sich auch ein Lerneffekt. Bis zum Jahresende sollen alle ein Gefühl für Haarschnitt, Farbe und Styling  haben. Und tatsächlich haben meine drei Mädels jetzt bereits ein tolles Verständnis für Farbe und deren Wirkweise, sie können Dauerwelle machen, eine Wasserwelle legen und bereits das Styling übernehmen. Ab Januar planen wir den Junior-Service einzuführen, wo sich unsere Kunden gezielt von den Azubis behandeln lassen können und weniger bezahlen. Die Mädchen sollen so schnell wie möglich, die Angst vor den Kunden verlieren und am Objekt sein.

Du bezeichnest Dich selber als Karma-Mensch und seit 2018 bist Du auch als Barber Angel unterwegs. Was nimmst Du hier für Dich mit und was gibst Du Deinen Azubis weiter?

Mir ist es extrem wichtig, etwas zurückzugeben – eben auch als Barber Angel. Oft ist es mehr Glück als Verstand, welches das Leben in die jeweilige Richtung lenkt. Ich begegne jedem Menschen auf Augenhöhe, mit Respekt und Wertschätzung. Und auch als Chef, beziehungsweise sehe ich mich als Kollege, ist mir das Zwischenmenschliche enorm wichtig. Ich bin immer fair. Wenn ich etwas kritisiere, ist das fachlich begründet und ich möchte, dass sich meine Mitarbeiter, die alle bereits zwischen 12 und 17 Jahren bei mir sind, wohlfühlen. In der Ausbildung möchte ich nicht nur das Friseurige weitergeben, sondern auch den Charakter formen. Hierzu stelle ich es den Mädels auch frei, zu einem Barber Angels Einsatz mitzukommen, um auch mal die Kehrseite der Medaille zu erleben und Berührungsängste zu verlieren. Am Ende ist alles Karma.

Würdest Du heutzutage auch das Ausbilden als Charity-Arbeit betrachten?

Auszubilden ist immer eine Art Wundertüte. Man weiß letztendlich nie, wie sich der Lehrling entwickelt und ob er am Ende bei bleibt. Dazu ist es eine finanzielle Herausforderung. Eigentlich müsste man mich bezahlen, dass ich Leute ausbilde, mein Wissen und meine Zeit weitergebe und sie in Seminare und Workshops stecke. Aber ich habe auch Verantwortung meiner Branche gegenüber. Mich nervt das ständige Geheule, dass es keine qualifizierten Friseure gibt. Dann muss ich mir eben meinen eigenen Nachwuchs züchten und wenn er am Ende in einen anderen Salon geht, möchte ich ein gutes Gewissen habe und stolz darauf sein, was er alles bei mir gelernt hat. Dann habe ich eben eine Art Charity für unsere Branche geleistet.