„Was kümmert euch das Portemonnaie eurer Salonkunden?“

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Hört auf, mit dem Portemonnaie des Kunden zu denken!
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Hört auf, mit dem Portemonnaie des Kunden zu denken!

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Selbst gemachtes Elend - der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel im Friseurhandwerk! Findet Christian Funk und macht sich Luft!

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„Wir Friseure arbeiten an und mit Menschen, bereiten ihnen Glücksgefühle, heben ihr Selbstvertrauen und sind so unglaublich wichtig für deren Wohlbefinden. Wie wichtig wir tatsächlich sind, haben wir insbesondere in und nach den Lockdowns erlebt! Und trotzdem viel zu schnell wieder vergessen!

Denn was machen wir? Verramschen weiterhin unsere WICHTIGKEIT genau wie die unserer Mitarbeiter, und zwar so dermaßen unter Wert, dass weder die meisten Unternehmer noch die Mitarbeiter zukunftssicher leben können! Und dann wundern wir uns doch tatsächlich, dass wir weder Mitarbeiter noch adäquaten Nachwuchs finden!?

Meine Eltern schlugen schon 1987 die Hände über den Kopf zusammen, nachdem ich den Berufswunsch Friseur geäußert hatte. 34 Jahre später sieht das nicht anders aus… Als frisch ausgelernter Friseur betrug mein Gehalt damals magere 1000 DM netto! Und was verdient heute ein “Frischling” als Geselle? Oftmals einen Mindestlohn von 9,50 €, bestenfalls 10,50 €. Auch hier landen wir dann in etwa bei kärglichen 1000 € netto! Und soll ich Euch mal was sagen!? 1000 DM waren 1990 definitiv mehr wert als diese jämmerlichen 1000 € heute!

Seit Jahrzehnten begehen wir gravierende Fehler in der Friseurbranche!

Und schon damals habe „ICH“ beschlossen, dass dieser Beruf keine Zukunft für mich hat und bin nach nur einem Jahr als Geselle für 4 Jahre zum Bund gegangen. Zeitsoldat nannte man das damals und dort hatte ich gleich von Anfang an über 500 DM mehr auf dem Konto! Dass meine Karriere beim Bund dann doch nicht so glorreich wurde und ich es trotzdem nach drei Jahren wieder zum Friseurberuf geschafft habe, ist ein anderes Thema.

Aber es soll verdeutlichen, dass wir bereits seit Jahrzehnten gravierende Fehler in unserer Branche begehen! Was damals scheiße war, ist heute halt ein riesiger Haufen Mist! Früher waren Jobs für junge Menschen noch knapp, heute geht uns die Jugend aus und dazu kommt noch, dass kaum ein Unternehmer überhaupt noch ausbilden WILL!

1990 gab es 50.000 Friseursalons, die jedes Jahr ca. 15.000 Friseure in den Markt gepumpt haben! Heute schaffen 86.000 nicht mal 5.000 Gesellen und davon bleiben höchstens 40 % dem Beruf treu! Über 60 % beträgt allein die Abbruchquote bei der Ausbildung!

Ihr glaubt, 3000 Euro Gewinn pro Monat sind viel?

Und ich muss es mal wieder ganz deutlich zum Ausdruck bringen: Der demografische Wandel wird uns erst noch richtig treffen, denn der steht erst ganz am Anfang! Wenn wir so weiter machen, dann landen wir alle im Einzel-Unternehmertun ohne Absicherung eines Teams!

Doch es gibt zum Glück auch viele Salons, die keine Personalprobleme kennen. Fragt sich nur, was machen die anders als der traurige „Rest vom Schützenfest“?

Vielleicht hilft folgendes Kalkulationsbeispiel ein wenig auf die Sprünge: Um 3000 € pro Monat Gewinn für Leben, Einkommenssteuer, Rücklagen, Liquidität und Absicherung kalkulieren zu können, liegen wir bei einen Lohnkostensatz von über 23 €. Da wir aber nur ca. 10 Monate im Schnitt arbeiten, erhöht sich dieser auf 27,60 € nur für den mageren Lohn, über den jeder Hartz-IV-Empfänger lachen würde!

Wie? Ihr glaubt, 3000 € wären viel? Bei 3000 € fallen schon mal ungefähr 30 % Einkommenssteuer an! Und schwups, sind 900 € weg – und es bleiben noch 2100 €. Abzüglich Kranken- und Rentenabsicherung zwischen 800-1000 €. Dann legen wir noch magere 100 € pro Monat auf die schmale Kante immer in dem Wissen, dass das eh nicht reicht – und landen dann wo? Genau: bei lächerlich niedrigen +/- 1000 € und wir stehen dann genauso armselig da wie unsere nicht mehr vorhandenen Mitarbeiter! Super, oder?

Und der arme Kunde? Der kann das ja nicht bezahlen!? Der muss genug Geld für Auto, Urlaub, teure Markenklamotten und Handy ausgeben – da MUSS die Frise dann eben billig sein!

Wir brauchen ein neues Selbstbewusstsein, und wir brauchen einen neuen Umgang miteinander und wir brauchen neue Strukturen! Wir müssen wieder attraktiv werden und aufhören, mit dem Portemonnaie des Kunden zu denken! Wir müssen endlich realistisch denken!

„Mein Mann verdient gut, ich komm‘ mit 1000 Euro klar!“

So, dann schauen wir uns noch an, wie denn das Leben als Unternehmer/Mitarbeiter mit 1000 € im Monat läuft: Wohnen unter 500 €? Keine Ahnung, in welchem Loch, aber bei uns in Lüneburg unmöglich! Der Rest? Der steigt gerade ins Unermessliche – Auto – Urlaub – vernünftiges Handy oder Markenklamotten? Kannste knicken! Strom Gas, Heizkosten? AUA! Wer da nicht automatisch von dunkler Kassenführung (Unternehmer) und Nachbarschaftshilfe (Mitarbeiter) ausgeht, der wird vor Naivität auch noch den Schuh zum 06.12. auf die Treppe stellen und bitterlich weinen, wenn er dann leer bleibt!

Aber HALT! Über 80 % Frauenquote bei den Friseuren – beste Aussage ever – „Mein Mann verdient gut, ich komm mit 1000 € klar!“ Echt jetzt? Das ist Dein Leben? Von Deinem Gatten abhängig und für ein Taschengeld ackern? Und wenn dann irgendwann die sprichwörtliche Jüngere winkt – oder andere Aspekte zum Beziehungsaus führen? Besser nicht drüber nachdenken!?

Bloß nicht krank werden!

Wie schaut es denn also preislich aus, wenn ich knapp 30 € Lohnkostensatz kalkulieren muss!? Das würde unsere kalkulierten Preise auf 90-100 € ohne Material hochtreiben, ohne dass wir selbst davon wirklich etwas haben! Wir reden immer noch von lächerlichen 3000 Scheinen für ALLES! Also 1000 € netto als Unternehmer!

Werden wir für längere Zeit einmal krank, landen wir innerhalb kürzester Zeit hoch verschuldet in tiefster Armut, da die ganzen Fixkosten natürlich einfach weiterlaufen! Es gibt Einzelunternehmer, die gut von ihrer Arbeit leben können und es auch schaffen, sich „einigermaßen“ abzusichern, aber in dem preislichen Segment, in dem der Durchschnitt unterwegs ist, never ever!

Ich kann an meinem Mitarbeiter das Gleiche verdienen wie er an mir!

Vor kurzem hatte ich gerade dieses Gespräch mit einer meiner Kalkulationskund*innen – der Salon wird recht kostengünstig in einem Container betrieben und das im Alleingang, da man nicht die Verantwortung für einen Mitarbeiter übernehmen wollte! Viel lieber würde man einen Platz in dem Container vermieten. Aber was kann man verlangen für solch einen Platz und welche Probleme kann ich mir unter Umständen ins Haus holen? 500 – 600 €? 700 €? 800 €? Viel mehr wird garantiert keiner zahlen wollen!

Und die miese Qualität, die derjenige womöglich abliefert, fällt unter Umständen auch auf mich zurück. Auch preislich darf „Kollege“ mich nicht unterbieten! Und was ist mit den Themen Wareneinsatz und getrennte Kassenführung? Da warten ordentlich Probleme auf mich als Unternehmer! Und der Gewinn ist wahrlich mager!

Ein Mitarbeiter kann auch Probleme bereiten, aber auf den habe ich als Arbeitgeber viel mehr Einfluss und wenn das nicht funktioniert, habe ich es quasi selbst in der Hand! Was verdiene ich an einem einigermaßen guten Mitarbeiter? Wenn ich meine Löhne, Preise und die Leistungserwartung sauber auf einen gesunden Punkt kalkuliert habe, dann kann ich an dem Mitarbeiter locker das gleiche verdienen wie er an mir verdient! MINDESTENS!

Bedeutet, wenn Mitarbeiter:innen inkl. Lohnnebenkosten ca. 2500 € kosten und nur lauwarme 5000 € (netto) Umsatz schaffen, dann reduziert dies trotzdem die Gemeinkosten, die der Unternehmer sonst komplett allein zahlen müsste um ca. die Hälfte! JA und er/sie zahlt dem Arbeitgeber auch mehr als die Hälfte seines Lohnes. So reduziert sich der Lohnkostenfaktor um die Hälfte! Das macht im Endpreis UNGLAUBLICHES aus!

„Machen“ ist die Antwort!

Wir alle – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – sitzen doch im selben Boot! Würden Mitarbeiter unternehmerisches Denken lernen und Unternehmer verstehen, dass die Mitarbeiter für ihr unproduktives Gehalt verantwortlich sind, dann wäre viel passiert in unserem schönen Beruf. Unternehmer sein ist kein Kampf, Arbeitgeber sein ist kein Krieg und die Mitarbeiter sind keine Feinde! Wollen wir Mitarbeiter und (vernünftigen) Nachwuchs finden, müssen wir uns bewegen! Und zuallererst müssen wir aufhören, uns über unsere selbst gemachten Probleme aufzuregen, denn vom Aufregen werden die nicht weggehen!

Vor kurzen schickte mir mein Freund Jochen Becker ein Bild über WhatsApp mit der Aussage, wir hätten einen massiven Porschemangel – er suche schon ewig nach einem „neuen“ für unter 10.000 € und es sei einfach keiner zu bekommen! Genauso schaut es doch auch mit Fachkräften und Nachwuchs aus: Die werden wir für das, was wir bieten, auch nicht (mehr) bekommen!“

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