Zweimal-Store: „Bei uns ist immer Weihnachtsgeschäft!“

Friseur, Mode & Dschungel-Atmopshäre: „Zweimal“, das ist nicht „nur“ ein wohl einmaliges Store-in-Store-Konzept, das sind auch zwei unkonventionelle Typen, die der alten Redewendung „aus der Not eine Tugend machen“ neues Leben einhauchen. Jules und Emil haben mit FMFM-Autorin Daniela Hamburger über die turbulente Gründung, ihre Funktion als „Feelgood-Manager“ und die Schattenseiten der Selbstständigkeit gesprochen.
Haare und Make-up, Mode und Acessoires: Der „Zweimal Store“ im beliebten Münchener Szeneviertel Haidhausen steht für zwei ineinandergreifende Styling-Konzepte, die ausgezeichnete Beratung mit handwerklichem Können und Kompetenz verbinden. So weit, so cool. Wenn auch nicht komplett neu.
Haare, Mode & grüne Babys
Absolut einmalig dürfte jedoch das dritte Standbein der beiden Inhaber Jules und Emil sein. Denn ihre Kund*innen haben außerdem die Möglichkeit, „grüne Babys“ mit nach Hause zu nehmen. Keine Angst, es geht weder um Außerirdische noch um Kleinkinder. Als „grüne Babys“ bezeichnet das Zweimal-Team die Zimmerpflanzen, die hier sowohl käuflich erworben als auch für Film- oder Fotoproduktionen gemietet werden können. Auf Anfrage stattet Emil auch Privatwohnungen mit den grünen Pflänzchen aus.
Lockdown macht erfinderisch
Wie zur Hölle kommt man darauf? Jules erzählt: „Emil und ich haben uns auf Tinder kennengelernt – wir sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch privat ein Paar. Ich bin Hair & Make-up Artist, Emil ist Mode-Stylist. Schnell stellten wir fest, dass in dieser Konstellation Potenzial steckt.“ Jules war mit seiner damaligen beruflichen Situation außerdem mehr als unzufrieden: „Ich war übelst angepisst. In meiner Zeit als Angestellter wurde ich immer schlecht bezahlt, erhielt noch als Mittdreißiger nur den Mindestlohn. Dazu kamen miese Arbeitsbedingungen, das Minimum an Urlaub und Urlaubssperren, während sich der Chef eine Auszeit in Afrika gönnt.“ Emil ermutigte ihn, aus der Situation auszubrechen, doch Jules war in alten Glaubenssätzen gefangen: „Ich komme aus einer Familie, in der man nicht kündigt, bevor man nicht einen neuen Job hat. Außerdem wollte ich mir von meinem Partner nicht vorschreiben lassen, was ich zu tun habe.“ Und dann?
Kam Corona. Während des Lockdowns hatten die beiden viel Zeit zum Nachdenken aber wenig Geld. Da kam ihnen eine Idee: „Als Stylist verfügte Emil über einen Kleiderfundus. Den stellten wir bei ebay Kleinanzeigen rein und verkauften Mode – aus unserem Küchenfenster“, lacht Jules. „Emil hatte außerdem unglaublich viele Pflanzen, die er nach einer Fotoproduktion mitnehmen durfte, mit denen haben wir das Gleiche gemacht. Ein absolutes Trendprodukt während der Pandemie – und für uns plötzlich ein geiles Konzept.“
Kein Kredit fürs Business-Konzept
Dazu kam der Zufall: Im eigenen Wohnviertel stand plötzlich ein Ladenlokal leer. „Und das haben wir tatsächlich bekommen“, so Jules. Also alles geklärt – bis auf die „Kleinigkeit“ Startfinanzierung. „Wir gingen zur Bank aber die wollten nichts von uns wissen“, erinnert sich Jules. „Ein solches Geschäft eröffnen in der Coronazeit?! Wir haben keinen Kredit bekommen.“ Also arbeiteten die beiden wie besessen und kratzten alles Ersparte zusammen: „Mit 15.000 Euro sind wir schließlich gestartet und haben uns kleckerweise die Einrichtung gekauft, wenn Geld da war.“
„Andere Friseursalons gibt es schon genug in München“
Am 13. Dezember 2021 öffneten Emil und Jules schließlich die Ladentür – und können sich seitdem vor begeisterten Kund*innen nicht retten. „Unser Klientel ist komplett durchgemischt“, erzählt Jules. „Bei uns ist jeder willkommen und soll eine gute Zeit haben. Die Atmosphäre und die Beziehung zu unseren Gästen sind sehr persönlich, wie im Wohnzimmer. Mit meiner ältesten Stammkundin wandere ich seit 17 Jahren durch München“, lacht er. „Wir sind bunt, offen, nicht so steif – normal halt. Andere Friseursalons gibt es schon genug in München.“ Wichtig ist allerdings, dass der Vibe stimmt: „Ich habe auch schon mal jemanden rausgeschmissen, der hier ausländerfeindliche Sprüche abgelassen hat. So was akzeptieren wir nicht.“
Mit über 25.000 Followern auf Instagram haben sich „Zweimal“ außerdem eine beachtenswerte Reichweite aufgebaut: „Emil trägt auf diesem Kanal viel Privates von uns nach außen, zeigt, wie wir wirklich sind“, schildert Jules. „Wir stellen keine Produkte vor, nehmen unsere Follower dafür mit aufs Lady Gaga Konzert – und wir haben auch einen gewissen Mut zur Hässlichkeit“, lacht er. Werden spontan Termine frei, wird dies auf Insta gepostet – und der Slot so innerhalb kürzester Zeit neu vergeben.
Locker im Vibe, pingelig im Handwerk
Die Arbeitsbereiche sind bei „Zweimal“ klar getrennt: Jules kümmert sich um die Friseurdienstleistungen, darunter schwerpunktmäßig Haarverlängerungen, Emil um Mode und Pflanzen. „Wir unterstützen uns und besprechen uns, kommen uns aber nicht in die Quere – das ist optimal“, sagt Jules. Eine ausgezeichnete Beratung und tadelloses Handwerk sind den beiden gleichermaßen wichtig, auch sehen sie sich als „Feelgood-Manager“ für ihre Kund*innen. „Wir geben uns große Mühe bei den Basics und sind stolz auf unser gutes Fachpersonal.“
„Bei uns ist immer Weihnachtsgeschäft“
„Bei uns gibt es keine toten Monate, bei uns ist immer Weihnachtsgeschäft“, sagt Jules. „Deswegen suchen wir auch händeringend nach weiteren Mitarbeitenden.“ Das Konzept „Zweimal“ geht also auf, manchmal sogar zu sehr: „Wir haben einen derartigen Zulauf an Neukund*innen und so viel Betrieb, dass uns das leider sogar an die Gesundheit geht. Ich bin neben einer Kundin zusammengebrochen und habe seitdem einen Dauerschwindel, außerdem leide ich an Panikattacken.“ Auch Emil hat mit psychosomatischen Beschwerden zu kämpfen. „Das sind die Schattenseiten der Selbstständigkeit, aber wir gehen sie an – mit Therapien, Osteopathie und Medikamenten“, sagt Jules. „Aufgeben ist keine Option. Und ich bereue die Selbstständigkeit keine Sekunde.“
Angekommen und doch erst am Anfang
Was die Mitarbeiterphilosophie angeht, hat Jules aus seinen früheren schlechten Arbeitsbedingungen eine Lehre gezogen: „Wir zahlen ein anständiges Gehalt, das sich nach der Probezeit erhöht, bei uns gibt es mehr Urlaub, und wir kommen für die Kosten für den ÖPNV auf. Unser Mitarbeitenden können hier entspannt arbeiten, ich stehe nicht mit der Uhr neben ihnen oder lasse den Chef raushängen. Ich möchte meinen Leute vertrauen. Dafür erwarte ich gute handwerkliche Arbeit, denn wir haben einen Ruf zu verlieren.“
Jules und Emil sehen sich nach ihrer turbulenten Vergangenheit bei „Zweimal“ angekommen. Hier möchten sie bleiben. „Aber Stagnation ist auch langweilig“, sagt Jules. „Deswegen ist es für uns wichtig, uns auch in der Selbstständigkeit weiter zu entwickeln, zum Beispiel Weiterbildungen in Mitarbeiterführung zu besuchen. Ein Traum wäre es auch, ein paar Quadratmeter mehr Fläche zu haben. Aber das muss sich ergeben, das wollen wir nicht auf Biegen und Brechen.“ Wichtig ist für die beiden, immer offen für neue Entwicklungen zu bleiben: „Denn das ist erst der Anfang.“











