„Wenn ich Glück habe, stehe ich noch mit 70 im Salon!“

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Foto: planity / Christine Huiss
Denkt noch lange nicht ans Aufhören: Christine mit ihrem Salon ,Jettenburger Frisurenmeisterei by Christine Huiss‘.
Foto: planity / Christine Huiss
Denkt noch lange nicht ans Aufhören: Christine mit ihrem Salon ,Jettenburger Frisurenmeisterei by Christine Huiss‘.

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In einem Alter, in dem viele bereits dem Ruhestand entgegenfiebern, ist sie erst richtig durchgestartet: Christine Huiss hat sich mit jugendlichen 61 Jahren selbstständig gemacht. Seit zwei Jahren ist sie nun in Jettenburg glücklich ihre eigene Chefin. Warum dieser Schritt erst so spät kam und wie ihre Zukunftspläne aussehen, das erzählt sie im Interview.

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Christine, mit 61 Jahren in die Selbstständigkeit! Wie kam es dazu?

2016 hatte ich in einem Betrieb angefangen, wo die beiden Chefinnen mir in Aussicht stellten, ich könne den Salon in den nächsten zwei bis drei Jahren übernehmen, wenn sie in Rente gehen würden. Da ich keinen Meistertitel habe, absolvierte ich also 2017 Weiterbildungen und Prüfungen zur Ausübungsberechtigung. 2018 war ich dann zwar stellvertretende Geschäftsleitung, aber das mit dem Aufhören hatten sie sich vorerst anders überlegt. Diese Situation machte mich zunehmend unzufrieden, zumal da einige Dinge im Salon waren, die ich gerne verändert hätte. Im Angestelltenverhältnis wollte ich das allerdings nicht ansprechen. Ich saß also wie auf einer Art Wartebank, wo nichts voranging. Der Gedanke der Selbstständigkeit hatte sich bei mir aber festgesetzt. Im Herbst 2021 war ich dann auf dem ,Inspire Me‘-Event von Maher Aslan in Hannover. Hier ist dann der Knoten geplatzt.

Was ist passiert?

Ich kann gar nicht mehr genau sagen, was es war. Aber die Vorträge der Speaker, die positive, mitreißende Art von Maher und der Austausch mit Kolleginnen haben mich so beeindruckt und inspiriert, dass ich da raus bin und gesagt habe: „Das mache ich jetzt!“ Die Überlegungen waren ja schon da, aber den letzten Impuls gab wirklich dieser Event.

Wie ging es weiter?

Ich bin dann zur Handwerkskammer, und die haben geschaut, ob denn gerade irgendjemand seinen Salon abgeben möchte. Und tatsächlich war das so. Ich bin in diesen Salon rein und wusste: das ist meins! Das war im Oktober 2021. Im Januar 2022 war ich schon selbstständig. Das ging dann zack, zack. Wenn man sich für etwas entscheidet, funktioniert das auch. Ich musste im Salon auch nichts Großes verändern, sondern habe lediglich meinen Stil reingebracht und beispielsweise aus der Kinder- eine Schminkecke gemacht.

Hattest Du keine Angst vor der neuen Herausforderung? Corona war da ja auch noch nicht ums Eck.

Stimmt, da bestand sogar noch Maskenpflicht im Salon. Ich hatte allerdings nie den Gedanken, dass das wegen Corona nicht klappen könnte. Ich war immer sehr positiv bei dem ganzen Selbstständigkeitsthema, wie auch mein Umfeld. Lediglich mein mittlerweile Ex-Mann traute mir nicht zu, einen Salon zu führen. Er meinte, ich könne das ganze Unternehmerische und Betriebswirtschaftliche nicht. Stimmte auch – aber das sind Dinge, die man lernen kann und an denen man wächst. Ich frage jemanden, wenn ich etwas nicht weiß und hole mir Unterstützung, beispielsweise einen Steuerberater. Es geht alles, wenn man möchte! Man muss seinen Weg nur finden und gehen.

Und wie ist es jetzt deine eigene Chefin zu sein? Hast Du auch Angestellte?

Es ist wunderbar! Ich genieße es in vollen Zügen. Vor kurzem durfte ich bei einer Hochzeitsmesse für den Laufsteg die Frisuren machen, da war ich dann schon stolz, mein eigenes Salonlogo zu sehen. Ich arbeite alleine und das ist im Moment auch gut so. Mein Salon ist von Dienstag bis Freitag geöffnet sowie samstags nach Bedarf, zum Beispiel für Bräute oder vor Feiertagen. Auch abends kann ich mich mal nach Kundenwünschen richten, da bin ich flexibel. Ich besuche regelmäßig Seminare, um immer up to date zu sein. Wenn die Kundennachfrage irgendwann zu hoch wird oder ich dann langsam doch in ein Alter komme, wo ich mehr abgeben möchte, werde ich sicher eine Teilzeitkraft hinzuzuholen. Ich möchte mich ja auch nicht mehr verheizen. Das Ganze soll Spaß machen!

Bereust Du es, diesen Weg nicht schon früher eingeschlagen zu haben?

Nein, überhaupt nicht. Es war genau der richtige Zeitpunkt für mich. Ich habe mit 16 meine Lehre gemacht und war seitdem immer gerne im Angestelltenverhältnis. Kundinnen haben allerdings schon sehr oft zu mir gesagt, dass ich die geborene Chefin wäre. Ich habe das nie so gesehen und war einfach noch nicht so weit. Die Vorstellung hat sich tatsächlich erst in den letzten Jahren entwickelt.

Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Bis zum eigentlichen Rentenalter ist es ja theoretisch nicht mehr lang.

Wie gesagt, im Moment bin ich sehr glücklich! Ich kann mir durchaus vorstellen, noch mit 70 im Salon zu stehen – wenn gesundheitlich alles passt sowieso. 2012 war aufgrund starker Arthrose im Knie nicht klar, ob ich den Friseurberuf überhaupt weiter ausüben kann. Ich kämpfte, nahm 15 kg ab – und die Probleme ließen nach. Bei der Arbeit bin ich jetzt kaum noch eingeschränkt. Aufgeben ist also nie eine Option; mein Beruf ist meine Berufung. Und vielleicht hole ich mir in den letzten Jahren ja sogar noch eine Mitarbeiterin dazu. Doch derzeit ist dieser Gedanke – und vor allem der Gedanke ans Aufhören – in weiter Ferne.