Das Schönste ist, wenn Kundinnen sagen „Ich bin endlich wieder ich!“

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Foto: Friseur Kempinger
Uli Kempinger fertigt eine neue Generation von Perücken.
Foto: Friseur Kempinger
Uli Kempinger fertigt eine neue Generation von Perücken.

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Echt oder etwa doch nicht? Ja, es gibt sie: Perücken, die gar nicht danach aussehen! Uli Kempinger hat in ihrem Augsburger Salon viele Kund*innen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Perücken, Topper oder Toupet tragen. Und die sind meist mehr als nur Haarersatz: Patient*innen mit Chemo oder Alopecie schauen in den Spiegel und sehen: "Ich bin endlich wieder ich!" Was die neue Generation des Haarersatzes so revolutionär neu und besonders macht.

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Uli, du fertigst Perücken, die man wirklich nicht als solche erkennt – nicht einmal am Haaransatz. Das ist ja schon eine große Herausforderung, wie lange hast du an der Technik gearbeitet, damit es so aussieht, und wie gelingt das?

Ich arbeite seit vielen Jahren mit Perücken, am liebsten mit Echthaarperücken. Vor fünf Jahren habe ich angefangen, meine eigene Kollektion Fabulist zu erarbeiten, weil ich mit der Qualität der meisten Hersteller unzufrieden war. Seitdem arbeite ich ausschließlich mit europäischem Echthaar und verbessere mich kontinuierlich. Es gibt einige Faktoren, die man beachten muss. Die Knüpfrichtung etwa muss exakt auf den natürlichen Fall der Haare abgestimmt sein. Dann erfordert es unterschiedliche Knüpftechniken z. B. am Ansatz in den Konturen, da sind besonders weiche Übergänge erforderlich.

Warum verwendest du ausschließlich europäisches Echthaar?

Ich fertige Perücken aus unbehandeltem, europäischem Echthaar – auch in Grau – komplett ohne Kunsthaar und ohne Färbungen. Das ist tatsächlich einzigartig, denn der Großteil aller grauen Perücken auf dem Markt besteht entweder aus Kunstfasern oder aus gefärbtem Echthaar. Reines, naturgraues europäisches Haar in Manufakturqualität gibt es praktisch nur bei uns. So ist es für mich und andere Friseur*innen, die meine Perücken auch vertreiben, einfacher, mit den gängigen Produkten zu arbeiten, um zu färben, umzuformen etc. und so nachzubilden, wie die eigene Frisur aussieht. Individualisierung ist gefragt, und das ist für mich die perfekte Kombination aus Friseurhandwerk und Manufakturqualität.

Ein aktuelles Beispiel einer jungen Frau, die aufgrund ihrer Krebserkrankung eine Perücke trägt, ist Patrice Aminati. Sie geht ja auf Instagram sehr offen mit ihrer Situation um, deshalb dürfen wir sie sicher hier erwähnen. Sie zeigt, was ihre Perücke im Alltag alles mitmacht. Welche Voraussetzungen erfordert das?

Also zunächst finde ich es echt cool, wie offen sie mit ihrer Erkrankung umgeht. Da ist der Punkt: Was sind die Anforderungen an die Perücke? Die Wünsche der Kund*innen sind durch eine Maßanfertigung perfekt abdeckbar. In diesem Sektor ist unbehandeltes Echthaar perfekt, da mit Strähnen oder Glossing und Ähnlichem jederzeit Veränderungen möglich sind.

Wie kann Zweithaar – Perücke, Topper oder Toupet – (nicht nur) den jungen, modebewussten Frauen im Krankheitsfall helfen? Verleiht die Lösung ein völlig neues Lebensgefühl?

Im Krankheitsfall kann das viel mehr leisten als nur Haarersatz. Zurück ins normale Leben, wieder authentisch und mit Sicherheit auf die Straße zu gehen. Ich schaue in den Spiegel und erkenne mich wieder. Bei Kundinnen mit Chemo z. B. geht der Haarausfall in der Regel nach der zweiten Chemo los, innerhalb von 2-3 Tagen verlieren sie oft alle Haare. Ich bin für meine Kundinnen deshalb jederzeit erreichbar. Sie haben meine Handynummer und können sich auch am Wochenende melden. Wenn der Haarausfall beginnt, da musst du als Friseur*in/Perückenmacher*in einfach da sein.

Die Krankenkassen bezahlen ja Haarersatz im Krankheitsfall – auch aus Echthaar? Das ist doch deutlich teurer als Kunsthaar?

Die Kassen unterscheiden oft zwischen Alopecie und Chemotherapie. Bei letzterer sind sie der Meinung, dass das eine kurzzeitigere Versorgung erfordert. Deshalb gewähren sie bei Alopecie einen höheren Anteil, aber das ist von Kasse zu Kasse unterschiedlich. Manche bezahlen auch immer denselben Betrag. Der Rest ist Eigenanteil, aber viele Leute sagen, wenn ich schon krank bin, mag ich wenigsten gut aussehen und investiere das Geld in etwas, das ich bin. Man spürt ja auch den Unterschied, ob man Plastik auf dem Kopf hat oder echtes Haar, das so fein ist wie das eigene.

Wie kannst du hier unterstützen?

Ich mache die komplette Abrechnung mit der Krankenkasse, damit haben die Kund*innen gar nichts zu tun. Der Bescheid ist in wenigen Tagen da, dann kennt man den Kassenzuschuss, dieser wird sofort vom Preis abgezogen. Die Kund*innen werden von Anfang an unterstützt, und es ist ja auch Nachbetreuung notwendig. Wenn die Haare nach und nach ausgehen, wird die Perücke evtl. nochmal angepasst. Bei Alopecie-Patient*innen muss oft nachgearbeitet werden, etwa ein neues Monofilament eingenäht oder Haare nachgeknüpft werden.

Hast du auch Kund*innen, die Perücken, Topper oder Toupet rein aus modischen Gründen tragen? Ist das heutzutage noch ein Thema?

Es ist schon noch ein Thema, obwohl der Großteil meiner Kund*innen aus dem Chemo- oder Alpecie-Bereich kommt. Das ist ja auch meine Spezialisierung. Aber die Bandbreite ist wirklich groß: Ich mache Topper für Frauen, die in den Wechseljahren plötzlich feine Haare bekommen und mehr Volumen möchten. Oder Toupets für Männer, die müssen ja alltagstauglich sein. Ich habe junge Männer, denen mit Mitte 20 schon die Haare ausgefallen sind und die sich so einfach nicht mehr wohl fühlen. Da muss das Toupet eine super Qualität haben, damit es z. B. auch beim Sport hält.
Dann gibt es die Männer, die als Frauen mit Trans-Identität leben möchten. Bei ihnen ist der Anspruch besonders hoch, da ihre Kopf- und Schädelmaße häufig nicht den gängigen Standardgrößen des Perückenmarkts entsprechen. Eine maßgefertigte Lösung ist hier notwendig, damit die Perücke perfekt sitzt und sie sich in ihrer weiblichen Identität sicher und authentisch fühlen können.
In den USA werden allgemein Ready-to-wear-Modelle getragen. Diese sind schnell zu wechseln, weisen jedoch nicht die individuelle Passform unserer maßgefertigten Modelle auf.

Uli, es gibt ein Erklärvideo mit Dir, angelehnt an die Sendung mit der Maus heißt es ‚Die Sendung mit der Uli‘. Das ist wirklich gut gemacht und eine total witzige Idee!

Ja, das hat echt Spaß gemacht, und meine Agentur hat dafür sogar einen Preis gewonnen. Schaut gern mal rein: Zertifizierte Friseure und Zweithaar-Spezialisten | Perücken-Beratung