Einfach hairlich oder alles Sauerkraut? Friseure im TV!

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Einfach hairlich - macht Lust auf Friseur
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Einfach hairlich - macht Lust auf Friseur

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Ich hab` Bauchweh! Eine Sendung über Friseure im TV? Das ging in den letzten Jahren ja meist völlig daneben! Negativ besetzt, würde ich sagen! Und warum soll das diesmal anders sein, hagelte es doch bereits vor Ausstrahlung der allerersten Folge der Friseur-Dokusoap „Einfach hairlich“ jede Menge unbesehenen Shitstorm! Friseure schämten sich auf Facebook schon mal prophylaktisch und im Kollektiv für die todsicher Klischee schwangere TV-Präsenz ihrer Kolleginnen und Kollegen. Wir Menschen brauchen halt unsere Schubladen, auch wenn wir dort weder was verloren noch zu suchen haben! Extrem unfair und dem Image unserer Branche keineswegs zuträglich, wie ich finde! Umso gespannter war ich auf die Ausstrahlung der ersten beiden Folgen des TV-Formats "Einfach hairlich", das Friseure in ihrem Salonalltag zeigt, wie sie als Schönmacher und Seelentröster, Haardoktoren und Ratgeber tagtäglich ihre Kundinnen glücklich machen. Trash oder Top? Eindrücke von Gabriela Contoli

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Mitten am Nachmittag zu bester sogenannter „Hartz-IV-TV-Zeit“ mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich, öffne eine Tüte vegane Chips und schalte RTL2 ein. Muss ich allerdings erst mal in meiner Senderliste suchen, ist nämlich nicht als Favorit gespeichert. Inständig hoffe ich, dass die nächsten 60 Minuten tatsächlich „einfach hairlich“ und nicht nur „einfach peinlich“ werden. Ich bete, dass der Vorschuss-Shitstorm unter unserem Facebook-Post zur Ankündigung des Formats seine Berechtigung nicht bestätigen wird. Im Sinne unserer User! Im Sinne unserer ganzen Branche!

Wenn das Haar kurz ist, dann wird es auch nicht mehr lang!

Vorbehaltlos lasse ich mich auf die Sendung ein und werde gleich zu Beginn mit dem Schicksal von Denise, 36, konfrontiert, die zwar gerade eine erfolgreiche 25 kg-weniger-Diät hinter sich gebracht hat, aber als jahrelanger unfreiwilliger Single vermutet, erst mit einem neuen Look den Mann fürs Leben zu finden. Eine schwere Aufgabe für Hatice Nerim vom Salon Haar-Werk in Frankfurt, denn Denise scheint ein wenig der Mut zu verlassen, als die Friseurmeisterin ihr die notwendigen Maßnahmen für den Weg in die Liebe mitteilt. Und schließlich trägt die Kundin seit Jahrzehnten bekennend und überzeugt die gleiche Frisur, bei deren Anblick ich umgehend „Ein bisschen Frieden“ zu summen beginne, da mich Denise an Schlagermäuschen Nicole bei ihrem ESC-Auftritt anno 1982 erinnert. Aber das nur nebenbei!

Hatice ist jedenfalls davon überzeugt, eine krasse Kürzung des Haars, ein kecker Pony sowie ein richtig tolles blondes Blond, also ein noch blonderes Blond als Hatices Blond, würden Denise aus ihrer Dating-Diaspora erlösen. Leicht verängstigt und verunsichert sackt Denise ob dieser umfangreichst angedachten Typveränderung in ihrem Stuhl zusammen. Das erinnert mich in diesem Moment irgendwie an meine letzte Zahnwurzelbehandlung, die wohl ähnliche Gefühle in mir ausgelöst haben muss. „Wenn das Haar kurz ist, dann wird es auch nicht mehr lang“, jammert Denise (Hä?) und kann sich auch mit dem Gedanken eines Ponys so gar nicht anfreunden: „Der hängt mir dann im Gesicht rum, muss immer nachgeschnitten werden,…“. Schließlich gelingt es Hatice trotzdem, Denise zu überzeugen: „Du wirst sehen, nachher wird dich JEDER anschauen…“ (Aha…)

Ich muss zugeben, dass mir nach diesen einleitenden Szenen bereits der erste vegane Chip im Hals stecken bleibt und meine Hand unkontrolliert beginnt, sich in Richtung Fernbedienung aufzumachen. Aber zu spät! Das insbesondere Frauen so anhaftende Neugier-Gen, auf das sich vor allem Privatsender wie RTL2 nachmittags bedingungslos verlassen können, nimmt von mir Besitz. Ich will wissen, wie Denise nachher aussieht, auch wenn ich dafür bis ans Ende der Sendung durchhalten muss.

Knallig statt klassisch – hilft das gegen Liebeskummer?

Szenenwechsel. Die bunt gescheckte, gepiercte Sheila Härtel, stolze Besitzerin des angeblich billigsten Salons von Berlin (Dienstleistungen ab 4,95 Euro prangert es schweinebauchanzeigenmäßig am Schaufenster) geht erst mal Kippen kaufen (too much information!), bevor sie an einem Montag extra für ihre an Liebeskummer leidenden Schwester den Salon öffnet. Denke mir an dieser Stelle so, welche Daseinsberechtigung Friseure wohl hätten, wenn es keine Frauen verlassende oder ignorierende Männer geben würde?. Jedenfalls sollen die langen, langweiligen Haare von Isabel mit so ziemlich der unscheinbarsten Haarfarbe, die man sich vorstellen kann, eine verblasst graublaue Mähne, endlich ab: „Die Haare erinnern mich an IHN, weil ER sie immer so wollte,“ gibt Isabel mit tränenerstickter Stimme preis. Na ja Sheila, dann passt es ja, wenn du deinem Salonmotto „knallig statt klassisch“ treu bleibst! Das dürfte dann auch das „Kerl, never come back“-Ticket sichern! Das Ergebnis: ein lockiger schulterlanger Traum in Pink und Blau! On top: ein Touch-Over Make-up von Sheila kaschiert die ebenfalls vom Liebeskummer gezeichnete Haut ihrer Schwester.

Wenn die Kundin sich für den Zustand ihrer Haare entschuldigen muss…

Weiter nach Hamburg. Das schillernde und extrovertierte Ehepaar Andreas und Sebastian Hintz erwartet mit böser Vorahnung ihre neue Kundin. Bereits am Telefon sagt sie Unheil wabernd, sie sei blond gefärbt. „Ich kann mir schon vorstellen, was da wieder kommt, Sauerkraut!“, brummelt Sebastian hinter seiner Rezeption genervt vor sich hin. Seine negativen Visionen mutieren in eine regelrechte Schockstarre, als die Kundin dann tatsächlich den Salon betritt und Sebastian – statt die Kundin nett zu begrüßen – erst mal die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Zumindest wird nur das von RTL2 gezeigt! Ähnlich emotional folgt das Analysegespräch, als Sebastian wissen möchte, wie es die Kundin denn eigentlich geschafft hat, ihr Haar derart zu ruinieren. Ein Drama, das nach Rettung schreit! Na ja, recht hat er ja irgendwie! Aber der Ton macht halt immer noch die Musik! Der hitzige Sebastian ist aber nicht zu bremsen und sieht schlussendlich den desolaten Kopfzustand seiner Kundin trotzdem als Herausforderung an, auch wenn er sich eher angewidert ans Werk macht. „Wie pflegst du deine Haare, oh Gott, ich will es gar nicht wissen…“, sind die Szenen, die auf RTL2 gezeigt werden. Die nächsten 7 Stunden (!) sieht der Zuschauer nur im Zeitraffer, vermutlich gab es zwischendurch auch mal freundliche Worte, sonst wäre die Kundin sicherlich irgendwann mit der Farbe auf dem Kopf durch die Salontür getürmt. Mein persönlicher Höhepunkt, als Sebastian die eingeschüchterte Kundin sogar dazu bringt, sich für den Zustand ihrer Haare zu entschuldigen! Hallo, geht`s noch? Das ist ja, wie wenn ich mich bei meiner Putzfrau für den Dreck in meiner Wohnung entschuldigen würde!

Erst recht mehr als gespannt bin ich hier natürlich auf das Ergebnis! Denn wer es sich erlauben kann, sich so aus dem Fenster zu lehnen, muss schon was drauf haben! Und ich muss mir schnell eingestehen, das hat Sebastian zweifelsohne! Mehr noch, ich bin total geflasht! Er hat wahrhaftig Stroh zu Gold gemacht! Die Kundin ist total happy, den Tränen nah! Der (Haar)-Doktor hat heileheile gemacht! Und eine Lanze muss ich für Sebastian darüber hinaus brechen: Durch seine direkte Art bringt er an diesem Dienstagnachmittag eine klare Message in die deutschen TV-Haushalte, die unserer Branche einfach nur gut tun muss. „Färbt euch nicht selbst die Haare und kauft euch kein billiges 5-Euro Shampoo im Supermarkt! Geht zum Profi!“ Gerne, lieber Sebastian, und noch lieber, wenn es auch ein bissle freundlicher geht…

Fazit

Natürlich gibt es in den beiden Folgen „Einfach hairlich“, die ich mir angeschaut habe, noch mehr motivierte Friseure, coole und originelle Salons und – am wichtigsten – durch die Bank glückliche Kundinnen, sodass ich Summa Summarum dem Format ein positives Feedback gebe. Besonders beeindruckend, die teilweise spektakulären Vorher-Nachher-Ergebnisse, die auch mir mal wieder so richtig Lust und Mut auf einen neuen Haarschnitt und eine neue Farbe machen. Extrem positiv fällt mir die Beratungskompetenz der meisten in diesem Format mitwirkenden Haarspezialisten auf! Vorbildlich und treffsicher wird der jeweilige Kundentyp analysiert, auf Wünsche eingegangen, bei No Gos hat man begeisternde Alternativen parat. Und genau das ist es doch, was mich davon abhält, im heimischen Badezimmer aktiv zu werden. Wenn mir bei meinem Friseur geholfen wird! Wer eine Folge von „Einfach hairlich“ gesehen und nicht direkt etwas mit unserer Branche zu tun hat, dürfte nicht schlecht staunen, was ein Friseur übers Haare schneiden hinaus so alles leisten muss und wie glücklich er mit seinem Talent, seinem Fachwissen, seiner Kreativität und vor allem mit seiner Empathie (Seelentröster) seine Kundinnen macht. Auch wenn hier in guter RTL2-Manier kaum ein Klischee ausgelassen wird, so kommen die vielen Facetten dieses wunderschönen Berufs doch sehr deutlich rüber. Denn die Sendung zeigt, was eine Kundin beim Friseur alles erwarten darf. Von traumhaft schönen Extensions, gelungenen Dauerwellen, verblüffenden Hair-Repairs über effektvollen Farbauffrischungen, tollen Typunterstreichungen bis hin zu extremen Typveränderungen (z. B. vom Langhaar zum Pixiecut). Ich habe viele coole Salons und noch coolere Friseure gesehen, die mit viel Leidenschaft und Kreativität für ihren Beruf einstehen und es zu verstehen wissen, ihre Begeisterung auf die Kunden zu übertragen. Bitte mehr davon in den Medien! Und bitte zu einer anderen Sendezeit!

Ach ja, ich bin euch ja noch schuldig, was aus Denise geworden ist. Ich kann nur sagen: Mit Schlagermäuschen Nicole hat dieser neue 15 cm kürzere, eisblonde Ponylook nichts mehr zu tun! Nachdem Denise vor dem Spiegel endlich die Augen öffnen darf, ruft sie ein begeistertes „Ach du sch…! Oh, Mein Gott!“ und fällt Hatice überglücklich in die Arme. Aber RTL2 wäre ja auch nicht RTL2, wenn…;-)