Peter Gress: Kryptozahlung im Salon – visionärer Move oder reiner Spieltrieb?
Alle ächzen. Aber Peter Gress sind diese Zeiten offenbar noch nicht spannend genug;) Seit dem 1. Juli setzt der Strategieberater und Friseurunternehmer nun sogar auf Kryptozahlungen in seinem Salon! Warum er sich Haarschnitte und Co. jetzt auch in Bitcoins bezahlen lässt, was er Kritiker*innen entgegnet und wie er die spannende Grätsche zwischen Spieltrieb und visionärem Unternehmertum meistert, erfahrt Ihr hier.
Ab dem 1.7.2022 ist Bitcoin offizielles Zahlungsmittel in unserem Salon „Gress Friseure“. Die Terminals der Hausbanken unterstützen derzeit noch keine Kryptozahlungen, deshalb mussten wir einen alternativen Weg finden. Auch mussten wir klären, wie wir die Zahlung mit Bitcoin im Kassensystem und in der Finanzbuchhaltung handhaben können. Der wichtigste Punkt aber war der, dass die Zahlung und Quittierung am POS schnell, sicher und nachvollziehbar abläuft. Für die Mitarbeiter und Kunden darf es keine Unsicherheiten geben.
Es ist immer wieder spannend zu sehen, welche neuen Technologien sich etablieren. Es dauert meist längere Zeit, bis die Akzeptanz auf Seiten von Anbietern und Kunden so groß ist, dass auch kleinere Unternehmen wie Gress Friseure diese Technologien nutzen können. Ich freue mich darauf, mich mal wieder an einem ganz neuen Thema abarbeiten zu können. Und vor allem darauf, dass wir mit Kryptowährung eine neue Tür aufstoßen, von der wir noch nicht genau wissen, wohin sie führt. Das ist Teil meiner Unternehmerphilosophie: Manchmal muss man Dinge einfach ausprobieren.
Warum soll ich als Friseur Bitcoins akzeptieren?
Das ist eine gute Frage, die ich weiterspinnen will. Warum soll ich als Friseur ein EC-Cash Terminal installieren? Oder warum soll ich Kreditkarten als Zahlungsmittel zulassen? Warum Apple und Google Pay? Warum verkaufe ich Gutscheine auf der Webseite über Paypal? Meine Antwort: Mir ist es egal, wie Kunden ihre Rechnung bei uns begleichen. Cash, Plastik, Smartphone, Online oder eben auch Bitcoin. Meine Kunden haben die freie Wahl; das ist mein Service. Ich gängele meine Kunden nicht. Sie sollen so bezahlen, wie sie es bevorzugen. Also noch einmal: Warum Bitcoin? Weil es spannend ist. Weil es innovativ ist. Weil es neu ist. Und weil ich als innovativer Unternehmer vorne dabei sein will. Mein Nutzen ist die Erfahrung, die ich in den kommenden Wochen und Monaten machen werde. Ein sehr überschaubarer Invest in mittlerer dreistelliger Höhe, sowie laufende jährliche Kosten in Höhe von 120 Euro für die Node, die Schnittstelle zur Blockchain. Das ist ein überschaubares Risiko. Natürlich ist auch ein gewisser Spieltrieb dabei; und ich akzeptiere das Risiko der Wertschwankung. Momentan gibt es eh keine finanzielle Sicherheit, denn der Euro ist mit knapp acht Prozent Wertverlust auch ein schlechtes Investment. Also wann, wenn nicht jetzt!? In Zeiten der Unsicherheit spielt die Kursschwankung meiner Meinung nach nur eine untergeordnete Rolle.
Das Marketing
Eine weitere große Rolle spielt für mich das Marketing. Schon jetzt sind wir im in Esslingen wegen der Bitcoin-Einführung im Gespräch, obwohl wir werblich bisher noch gar nicht offensiv in die Breite gegangen sind. Wir brauchen junge, solvente Kunden, die regelmäßig zu unseren jungen Mitarbeitern in den Salon kommen. Ich setze, wie bei Apple und Google Pay, auch auf den Spieltrieb der jungen Generation. Wir sind, soweit ich bisher in Erfahrung bringen konnte, der einzige POS in Esslingen, der Bitcoin annimmt. Es ist mir egal, ob oder aus welchen Gründen sich Menschen über mein Angebot echauffieren. Ich habe in den vergangenen Wochen die Erfahrung gemacht, dass am lautesten die dagegen sind, je weniger Ahnung sie vom Thema haben. Man kann durchaus anderer Meinung sein, aber die Qualität der Äußerungen lassen sich immer an der Substanz des Wissens messen. In der Folge versuche ich, die Funktion des Bitcoin mit einfachen Worten zu erklären. Wenn Ihr Fragen habt und mehr über Bitcoins wissen wollt, dann wendet Euch bitte direkt an mich.
Was ist überhaupt Bitcoin?
Bitcoin ist digitales Geld. Bitcoin wird durch Kryptographie gesichert, deshalb nennt man sie auch Kryptowährung. Das besondere an Bitcoin ist, dass es keine zentrale Ausgabestelle wie eine Bank oder eine Regierung gibt. Bitcoins werden von so genannten Minern geschürft. Die Währung ist deflationär angelegt, weil die maximale Anzahl von Bitcoins, die je geschürft werden können, bei maximal 21 Millionen liegt. Der Euro dagegen ist an keine Deckungsvorschrift gebunden. Das ist übrigens einer der Gründe, warum die Euro-Inflation derzeit so hoch ist. Mittlerweile befinden sich sechsmal mehr Euros im Markt als für die Stabilität der Währung gesund wäre. Bitcoin dagegen ist sicher vor Manipulationen, weil er dezentral auf Hunderttausenden von Rechnern verwaltet wird. Um teilzunehmen, braucht man lediglich eine digitale Brieftasche (Wallet). Das Besondere daran: Weil Bitcoin digital ist, kann ich die Kryptowährung mit einem Mausklick um die ganze Welt senden. Bitcoin ermöglicht es auch, Geld von Mensch zu Mensch zu verschicken, ohne eine Bank zwischenzuschalten. Das nennt man Peer-to-Peer.
Wie funktioniert Bitcoin?
Bitcoin ermöglicht es jeder Person, das Netzwerk mit zu überwachen. Es gibt keine zentrale Autorität wie eine Zentralbank, die das letzte Wort hat. Stattdessen einigt sich das Netzwerk aller Teilnehmer auf einem Konsens. Die Regeln dafür sind im Computercode festgelegt, dessen Quellcode frei verfügbar ist („open source“). Das Überwachen der Regeln übernimmt das Computerprogramm und sorgt so für Sicherheit der Transaktionen im Netzwerk. Durch die dezentrale Verteilung auf zig Tausenden von Rechnern kann kein einzelner Teilnehmer an einer Transaktion etwas verändern, ohne dass es das Netzwerk merken würde. Die nachträgliche Bearbeitung einer Transaktion ist technisch unmöglich, weil die Veränderungen auf allen teilnehmenden Rechnern zur selben Millisekunde geschehen müsste. Bitcoin läuft auf einem technologischen System namens Blockchain, sehr vereinfacht gesagt: das Betriebssystem des Bitcoin. Die Blockchain-Technologie Die Blockchain ist eine Kette aus Datenblöcken, die jeweils eine gewisse Anzahl von Transaktionen enthalten. Jede Transaktion hat ihre individuelle Codierung, die nicht mehr verändert werden kann. Eine Blockchain ermöglicht es, Informationen mithilfe einer dezentralen und von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzten Datenbank fälschungssicher zu übermitteln. Kopien sind so ausgeschlossen und Zahlungen gesichert. Die Blockchain-Datenbank kann man sich als Register oder Hauptbuch (Ledger) vorstellen, das dezentral verwaltet wird. Dieses Hauptbuch heißt im Fall des Bitcoin Distributed Ledger, also verteiltes oder dezentrales Hauptbuch.
Ein Beispiel:
1.) Person A schickt Person B Geld.
2.) Die Transaktion wird einem Datenblock in der Blockchain hinzugefügt.
3.) Eine Kopie wird an alle teilnehmenden Rechner verschickt.
4.) Das Netzwerk bestätigt die Transaktion, das nennt sich Proof of Work.
5.) Der entstandene Block wird der Kette angehängt und ist damit gesichert.
6.) Das Geld geht bei B ein, womit die Transaktion abgeschlossen ist.
Ist Bitcoin böse?
In der Vergangenheit ist Bitcoin immer wieder mit Geschäften im Darknet in Verbindung gebracht worden. Als Vergleich möchte ich Schwarzgeld in Form einer analogen Währung wie Dollar oder Euro anführen. Wenn heute ein Koffer voller Bargeld den Besitzer wechselt, läuft das ebenso illegal und ohne Namensnennung ab. Ein gutes Beispiel dazu ist Pablo Escobar, legendärer Drogenbaron, der Bargeld nicht mehr zählen, sondern wiegen ließ, weil niemand mehr die Zeit zum Zählen hatte. Ein weiteres gebräuchliches Argument gegen den Bitcoin ist der zum Teil sehr stark schwankende Kurs. Das kennen wir aber auch von der Börse. Es gibt am Aktienmarkt immer wieder starke Ausschläge nach oben und nach unten, im Langzeitvergleich allerdings sind die Kurse über die Jahre jedoch kontinuierlich gestiegen. So ist das auch beim Bitcoin, den es ja erst seit 2009 gibt. Bitcoin selbst ist nicht böse, kann aber, wie Schwarzgeld auch, für dunkle Zwecke missbraucht werden.
Wie komme ich an Bitcoin?
Wenn ich Bitcoin kaufen möchte brauche ich dafür eine digitale Brieftasche (Wallet). In dieser Wallet bewahre ich meine Bitcoins als digitales Guthaben auf. Gesichert wird die Wallet über einen so genannten Private Key, mit dem ich meine eigene Bank bin. Bitcoins kaufe ich bei Bitcoin-Brokern, Bitcoin-Börsen oder über Apps wie beispielsweise BISON, die offizielle KryptoTrading-App der Stuttgarter Börse. Wenn ich es mir zutraue, kann ich mit Bitcoins auch handeln (traden) und so Gewinne oder Verluste zu Geld machen. Das Trading mit Bitcoin ähnelt dem Aktienmarkt. Aber Vorsicht: Die professionellen Solventen übernehmen das Geld von den amateurhaften Gierigen, die zwar schnelles Geld wittern, aber meist nur sehr viel Geld beim Traden verlieren. Dafür kann der Bitcoin nichts, genau so wenig wie die Aktie.
Warum akzeptieren wir Bitcoin?
Der beste Weg, die Vorteile einer dezentralen Währung wie Bitcoin großflächig aufzuzeigen, ist die Akzeptanz im Einzelhandel. Ich handle derzeit nicht mit Bitcoins, sondern ich lasse sie einfach in unserer Wallet liegen und warte die Entwicklung ab. Um Befürwortern einer offiziellen Währung wie dem Euro den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen, sei die derzeitige Inflationsrate angemahnt. Die vornehmste und wichtigste Aufgabe der EZB ist die Sicherung des Wertverfalls des Euro. Bei einer Inflationsrate von acht Prozent erfüllt sie diese Aufgabe definitiv nicht. Eher sind die hoch verschuldeten Staaten über die hohe Inflation erfreut, weil sich dadurch ihre Finanzierung und Schuldentilgung erleichtert. Wenn die EZB den Zinssatz anhebt, steigt die Gefahr einer Rezession in den hoch verschuldeten Staaten, deshalb lädt sie derzeit die Last der Geldentwertung bei den Bürgern ab. Mit der Akzeptanz von Bitcoin bekomme ich die Hoheit wenigstens über einen Teil meines Geldes zurück.
Was brauche ich für die Einrichtung?
Wir betreiben für die Bitcoin-Transaktionen ein eigenes Terminal. Mit einer so genannten Node (ein Knotenpunkt in die Blockchain), bestätigen wir innerhalb von Sekunden den Geldeingang und sichern ihn in unserer Betriebs-Wallet. Der Euro-Bon wird in Bitcoin umgerechnet, und die Transaktion wird in einer Liste gespeichert, die in der Buchhaltung als Transaktionsnachweis dient. Aus steuerlichen Gründen werden die Bitcoins am Monatsende auf ein Privat-Wallet gebucht. Dort bleiben sie liegen, bis die Haltefrist von derzeit zwölf Monaten vergangen ist. Wenn ich die Bitcoins dann verkaufen will, müssen Gewinne nicht versteuert werden. Die Alternative zum Verkauf? Liegen lassen, sich nicht um den Tageskurs kümmern und an die stetige Entwicklung nach oben glauben. Für mich sind Bitcoins wie Aktien: eine langfristige Investition.
Was steckt sonst noch dahinter?
Ich gehe davon aus, dass überwiegend die jüngere Generation mit Bitcoins bezahlen wird. Das ist die Zielgruppe, die ich im Visier habe. Meine jungen Mitarbeiter brauchen junge, solvente und regelmäßig wiederkehrende Kunden. Mit keiner anderen Aktion kann ich der Zielgruppe beweisen, dass wir technologisch vorne dabei sind. Zum Zweiten wollen krypto-affine Menschen auch mit ihren Bitcoins bezahlen. Ich gehe weiterhin davon aus, dass das zu Beginn nur wenige sein werden. Es muss erst bekannt werden, dass wir Bitcoin akzeptieren. Langfristig peile ich bis Ende 2026 Jahre einen Bitcoin-Anteil von fünf Prozent aller Transaktionen an der Kasse an.
Wie funktioniert die Zahlung an der Kasse?
Das Geschäfts-Wallet ist unsere Bitcoin-Kasse. Wir rufen auf dem iPad die Bezahlseite auf und geben den Rechnungsbetrag ein, der automatisch in Bitcoin zum Wechselkurs angezeigt wird. In Sekundenschnelle wird ein QR-Code generiert, den der Kunde mit dem Smartphone scannt. Im Anschluss daran wird die Zahlung angezeigt und durch die Node sekundenschnell bestätigt. Das Geld ist eingegangen, genauso schnell und sicher wir am EC-Cash Terminal. Der Vorgang dauert nicht länger als eine EC- oder Kreditkartenzahlung. Die Bezahlseite erreichen wir direkt per QR-Code über die Foto-App des iPad. Die Buchhaltung erhält die Liste aller monatlichen Transaktionen, die auf meinem zentralen Dashboard auflaufen. Die Verbuchung der Umsätze zum jeweiligen Tageskurs ist somit gewährleistet.
Fazit:
Der Bezahlvorgang ist genauso schnell und sicher wie der mit EC-Karte, Kreditkarte oder PayPal. Die technischen Anforderungen sind minimal, die Investition ist niedrig und die laufenden Kosten nahezu vernachlässigbar. Einzig der schwankende Wechselkurs birgt die Gefahr eines Wertverlustes. Als weiteren Nachteil des Bitcoins lässt sich der hohe Stromverbrauch anführen. Den Bitcoin gibt es jedoch erst seit 2009, er steckt also derzeit voll in der Pubertät. Die Community arbeitet aber ständig an der Weiterentwicklung. Daher können wir davon ausgehen, dass diese Weiterentwicklung alle Bereiche abdeckt.