Suchtpotenzial: Das besondere Seminar

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Strahlende Gesichter in Kassel!
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Strahlende Gesichter in Kassel!

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„Wir müssen reden!“ Sagt Maybrit Illner jeden Donnerstag bei der Anmoderation ihrer Talkgäste! Sie mussten auch reden – die 38 Friseur*innen, die am Wochenende nach Kassel gereist waren, um „Das besondere Seminar“ zu erleben. Neben Top-Referenten, inspirierenden Vorträgen und Horizont erweiternden Workshops kam vor allem genau das nicht zu kurz, was Friseure so lieben: die Kommunikation. Was dieses vor 52 Jahren (!) ins Leben gerufene Seminar auch in diesem schwierigen Jahr 2021 so „besonders“ macht, wollte FMFM-Redakteurin Gabriela Contoli vor Ort wissen – und wurde fündig. Ihr Fazit!

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Mein erster Präsenztermin mit leibhaftigen Friseur*innen seit fast 2 Jahren! Als ich vor knapp zwei Wochen meine Teilnahme zusagte, ahnte ich allerdings noch nicht, dass Corona kurz vor dem Event mal wieder als verlässliche Spaßbremse aufpoppen würde. Dennoch trete ich Samstagnachmittag die dreistündige bemaskte Zugfahrt von Stuttgart nach Kassel an – und freue mich!

Die Zusicherung des Orgateams (Jürgen Freudenstein, Dirk Teß und Tanja M. Copertino), für alle notwendigen Schutzmaßnahmen inklusive täglichem Schnelltest zu sorgen, beruhigt mich. Und die Freude auf endlich mal wieder „Face to Face statt Facebook“ überwiegt sowieso!

Relativ spät schlage ich in der zauberhaften Location, dem Hotel Renthof auf dem Documenta-Gelände in Kassel auf und höre schon beim Einchecken das fröhliche und selbst nach fast zwei Jahren analoger Branchen-Abstinenz so vertraute Lachen und Geplapper aus Richtung Bar. Sofort entdecke ich bekannte Gesichter, die sich ebenfalls freuen, mich zu sehen. Und ruckzuck halte ich ein Glas Weißwein in den Händen, wo immer das auch herkommt…Ach, ist das schön! Fast wie „nach Hause kommen“.

Live is live!

Bereits beim Warm-up führe und folge ich Gespräche(n), die live so völlig anders ablaufen als die Kommunikation der vielen Monate über Zoom, Teams & Co. Intensiver, emotionaler, ehrlicher und respektvoller! Ja, und schon in diesen ersten Stunden wird deutlich, dass es vielen derzeit alles andere als gut geht: Ist ja nicht so als wäre vor Corona nur eitel Sonnenschein in unserer Branche gewesen, aber dieser verfluchte Virus hat dem Friseurhandwerk nochmals unfassbar viel Leid zugefügt: Mir wird berichtet von Soforthilfen, die nun zurückgezahlt werden müssen, leeren Innenstädten und somit leeren Salons. Von Mitarbeitern, die aus der Kurzarbeit nicht wiedergekommen sind und jetzt lieber beim Edeka Regale einräumen, von Kunden, die nicht nur seit neuestem Haarschneidescheren und Profi-Clipper zu ihrem Hausrat zählen, sondern auch das Ansatzfärben im heimischen Badezimmer für sich entdeckt haben. Nicht zuletzt die Home Officeler, die einem perfekten Look neuerdings lieber ausweichen, indem sie noch seltener den Friseur aufsuchen als zuvor.

Der Leidensdruck ist gefühlt noch nie so hoch wie jetzt! Brachte der Sommer noch Hoffnung, bringen Herbst und Winter bestenfalls 2G oder 2G+! Angst vor erneuten Schließungen wie derzeit in Österreich macht sich auch in Kassel breit. Verzweiflung ist zu spüren! Da kommt dieses besondere Seminar doch gerade recht, last but not least, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, auszuheulen, Rat einzuholen und auch mal laut zu fluchen!

Und das in vertrauter Runde! Denn viele Teilnehmer*innen besuchen dieses Seminar bereits seit mehr als 20 Jahren. Und was der Friseurbranche im Allgemeinen so sehr fehlt – der Nachwuchs – hier in Kassel ist dafür gesorgt. Ich sehe einige Mitzwanziger*innen und erfahre, dass schon deren Eltern dieses Seminar besucht haben.

Bis 2018 hieß das besondere Seminar übrigens noch „Sonderseminar“. Gründungsvater Manfred Schmock machte damals Schluss – wer verdenkt es ihm nach der 50. (!) Auflage. Umso erfreuter bin ich, ihn in diesem Jahr als entspannten Besucher erleben zu dürfen, dem unsere Branche immer noch spürbar am Herzen liegt.

Dirk Teß, Tanja M. Copertino und Jürgen Freudenstein Dirk Teß, Tanja M. Copertino und Jürgen Freudenstein ©FMFM

Klimaschutz geht uns alle an!

Jan Borchert, Cut Climate Change Jan Borchert, Cut Climate Change ©AWAKENbeauty

Am Sonntagmorgen – nach dem traditionellen Anstimmen des inzwischen in die Jahrzehnte gekommenen Nana Mouskouri-Hits „Guten Morgen, Sonnenschein!“ startet das Seminar mit einem Thema, das der Menschheit – wie Corona – ebenfalls immer mehr unter den Nägeln brennt: Klimaschutz!

Jan Borchert, seines Zeichens Förster und Gründer der Initiative „Cut Climate Change“, erarbeitet mit einem erfreulich interaktiven Publikum, mit welchen einfachen Möglichkeiten ein Salon durch CO2-Ausgleich klimapositiv arbeiten kann. Borchert erklärt, dass Cut Climate Change dabei im Vorfeld die CO2-Bilanz eines Salons analysiert, beim Einsparungspotenzial berät und Zertifikate aus Klimaschutzprojekten zum Ausgleich bereithält.

Ich spüre, wie sehr den Teilnehmer*innen dieses Thema am Herzen liegt. Viele von ihnen bringen tolle Ideen ein und verraten, wie sie bereits klimapositiv agieren, beispielsweise durch die Verwendung von Grünstrom, dem Einsatz von Job-Leasingrädern für die Mitarbeiter, Strom- und Wasser sparendem Handeln, etc. Ich bin wirklich sehr beeindruckt!

RUMCUT – Mehrwert im Salon

Eine spontane, aber sehr willkommene Programmergänzung bot uns anschließend Dirk Teß, indem er uns seine eigens kreierten Rumsorten „RUMCUT“ nicht nur präsentierte, sondern auch zum Probieren verteilte.

Eine clevere Geschäftsidee, Salonkunden einen exklusiven Mehrwert zu bieten! Und obendrein noch so extrem lecker!

Der RUMCUT von Dirk Teß Der RUMCUT von Dirk Teß ©AWAKENbeauty

Begeistert kommunizieren

Sonja Schrapp Sonja Schrapp ©AWAKENbeauty

Weiter geht’s am Nachmittag mit Powerfrau Sonja Schrapp, die als Impro-Schauspielerin, Moderatorin und Coach aktiv ist. In drei kurzweiligen Stunden – ebenfalls mit ganz viel Interaktion – lernen die Friseur*innen wertvolle Kniffe, wie sie mit Improvisation, Humor und Achtsamkeit für begeisternde Gespräche im Salon und privat sorgen können. Ich staune, dass es Sonja mit ihrer resoluten Schlagfertigkeit sogar gelingt, den einen oder anderen „vorlauten“ Teilnehmer sprachlos zu machen.

Negativ und positiv!

Am Sonntagabend starten wir zu Fuß an der Fulda entlang zur geschichtsträchtigen Orangerie mit Glühweinempfang, dem ein sensationelles 3-Gänge-Menü folgt. Und schnell wird mir bewusst, dass der Kommunikationsbedarf unter den Teilnehmer*innen an diesem Tag noch lange nicht erschöpft ist. Bei 40 gleichzeitig sprechenden Menschen in einem engen und spartanisch eingerichteten Raum kann Kommunikation dann auch mal ganz schön anstrengend werden! Zum Glück können wir unsere Gespräche nach dem Bratapfel mit Vanillesauce an der viel ruhigeren Bar im Erdgeschoss fortsetzen.

Der Montagmorgen beginnt wie schon am Tag davor mit „kollektivem Popeln“. Natürlich sind alle Tests negativ, im Gegensatz zur Stimmung! Denn wir freuen uns alle auf und über den sympathischen Stephan Conzen, Geschäftsführer von Glynt und Graham Hill Cosmetics, der in seiner bekannten hanseatischen Unaufgeregtheit – nordisch nobel -, aber dennoch mitreißend einen ehrlichen und teils schonungslosen Ausblick auf die Zukunft des Friseurhandwerks wagt. Dabei versäumt er es keineswegs, seinem Publikum auch Mut zu machen, lösungsorientiert zu handeln und denken. Die wahren Herausforderungen, denen sich Salonunternehmer*innen jetzt und in Zukunft stellen müssen, sind für Conzen der demografische Wandel („Wir müssen mit weniger Personal das gleiche schaffen“), die mangelnde Attraktivität des Friseurberufs („Wir müssen besser ausbilden, besser bezahlen, die Arbeitsbedingungen verbessern und uns selbst besser darstellen“) sowie der unlautere Wettbewerb („Wir müssen selbst politischer werden“).

Stephan Conzen Stephan Conzen ©AWAKENbeauty

Wenn es digital „klick“ macht!

Heiko Schneider Heiko Schneider ©AWAKENbeauty

Motivierend geht es weiter mit dem „digitalen Friseurgott“ Heiko Schneider, der seinem dankbaren Publikum genau dieses Thema – Digitalisierung – mit erfolgreichen Online-Marketing-Strategien schmackhaft macht.

Dabei sei es wichtig, über den Tellerrand der Friseurbranche hinauszublicken, um auch die allgemeinen digitalen Trends der Gesellschaft zu erfassen, so Schneider. Er empfiehlt seinen Kolleg*innen daher, sich auch über branchenübergreifende Podcasts wie „digital kompakt“ oder „Kassenzone“ zu informieren und erläutert, warum es Sinn macht, nur noch eine Datenbank im Salon zu verwenden (Kasse mit Terminbuch).

Heiko weist schon seit Jahren darauf hin, wie wichtig es ist, die Daten der Kunden unter Berücksichtigung der DSGVO-(Datenschutz-Grundverordnung) Richtlinien zu erfassen. Und da die Dokumentation ja sowieso verpflichtend sei, könne man das ja auch direkt mit dem Kassensystem erledigen. Auch der Versand von Emails – für Heiko Schneider das einfachste, schnellste und Kosten sparendste Medium, um Kontakt mit Kunden zu haben – ist darüber möglich.

Bei Shortcuts, dem Programm, das er anbietet, lassen sich sämtliche notwendige DSGVO-Formulare mit den Kundendaten des Kassensystem-Terminkalenders verknüpfen.

Man merkt, Heiko Schneider ist alles andere als ein Theoretiker! Und da er selbst Friseur ist, weiß er auch, wie wichtig die Praxisnähe bei solchen Vorträgen wie in Kassel sein muss. Somit hat es bei vielen Teilnehmer*innen beinahe hörbar „klick“ gemacht und Heiko konnte deren Bewusstsein, sich intensiver mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen, erfolgreich wecken.

Ich bin süchtig!

Nach der Mittagspause findet „das besondere Seminar“ mit einer besonderen Diskussionsmethode – der Fishbowl – ein spannendes Finale. Diskutiert wird vor allem über das Thema Arbeitszeiten! Unglaublich, wie viele verschiedene Modelle mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen es hier gibt!

Wie wohl die meisten Teilnehmer*innen bin auch ich glücklich und beseelt, das besondere Seminar mit diesen besonderen Menschen unserer Branche miterlebt zu haben.

Evelyn, die schon seit über 20 Jahren dabei ist, gesteht mir beim Abschied: „Ich bin süchtig nach diesem Seminar! Nächstes Jahr bin ich wieder dabei!“ Ich überlege nicht lange und sage: „Ich auch!“

 

Das nächste besondere Seminar ist für den 19.-23.11.2022 voraussichtlich in Heidelberg geplant.

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“