Trauerspiel: Sind Mütter Friseur*innen zweiter Klasse?

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Allzu häufig wird es den Müttern zu schwer gemacht, wieder in den Beruf einzusteigen.
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Allzu häufig wird es den Müttern zu schwer gemacht, wieder in den Beruf einzusteigen.

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Skandal oder Trauerspiel?! Muttersein wird in der Friseurbranche diskriminiert wie in kaum einem anderen Handwerk. Davon ist jedenfalls FMFM Artistin Sonja Hansmann, selbst Friseurunternehmerin und Mutter (!), überzeugt. Kann es sich eine Branche berufliches "Mom Shaming" leisten, die zu rund 80 % aus Frauen besteht? Wohl eher nicht! Für Sonja ist klar: Die Zeit für Saloninhaber*innen ist reif, neue Wege einzuschlagen und alte Denkweisen abzulegen. Eine Abrechnung.

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Mütter. Sie sind das Rückgrat der Gesellschaft – auch das der Friserubranche. Und doch: Wer als Frau nach Schwangerschaft und Elternzeit wieder in den Job zurück möchte, hat es oft schwer. In der Welt von Social Media ist der Begriff „Mom Shaming“ inzwischen in aller Munde – und trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Heißt: egal, ob Frau mit Kindern arbeitet oder nicht – irgendeiner findet sich immer, der oder die die mütterliche Entscheidung infrage stellt, lästert oder rummobbt. Wenn Frau im Job allerdings auch noch Diskriminierung durch mangelndes Verständnis für den familiären Balanceakt oder mangelnde Förderbereitschaft durch Arbeitgeber  ausgesetzt ist, hat sie irgendwann die Faxen dicke. Sonja Hansmann weiß das aus eigener Erfahrung. Ihr Anliegen ist es, auf das berufliche Mom Shaming im Friseurhandwerk aufmerksam zu machen.

Wir müssen hier wirklich handeln, ansonsten stehen wir bald mit noch weniger Fachkräften dar.

Für Sonja Hansmann ist klar: Die Zeit ist reif, zu handeln. Für Sonja Hansmann ist klar: Die Zeit ist reif, zu handeln.

Eine überwiegend weibliche Branche führt unweigerlich zu überwiegend vielen Müttern im Friseurhandwerk. Wie empfindest Du Deine Rolle als Mutter und Salonunternehmerin?

Es ist keine einfache Rolle, die einem hier zuteilwird. Es ist ein ständiger Spagat zwischen schlechtem Gewissen, weil man ja arbeitet und Freude, weil man ja arbeitet! Ich bekomme glücklicherweise keine ungebetenen Ratschläge, aber dennoch muss man sich Kommentare wie „Ach, das hätte ich nicht gekonnt, diesen wichtigen Schritt in der Entwicklung meines Kindes zu verpassen“ anhören. Als Selbstständige kann man eben nicht zwei Jahre Elternzeit nehmen, um in aller Ruhe jeden Meilenstein des Kindes mitzunehmen, auch wenn man das gerne möchte. Viele Kunden, die solche unbedachten Aussagen machen, wissen gar nicht, was für einen psychischen Druck sie dadurch bei vielen Friseurinnen aufbauen. Mütter haben es schon schwer, wieder einen Fuß in die Branche zu bekommen und müssen sich dann auch noch schlecht fühlen?! Ich habe gelernt, gelassen zu sein und solchen Äußerungen keinerlei Beachtung zu schenken.

Schwangerschaft, Elternzeit, häufige Ausfälle: Dass in einer 80 % weiblichen Branche Frauen wegen ihrer Gebärfähigkeit diskriminiert werden, klingt erst mal komisch. Sollten Friseurinnen sich da nicht eher unterstützen?

Sollten sie. Leider ist es allzu oft nicht so. Es fällt einem ganz stark ins Auge, dass viele Salons es den Müttern unendlich schwer machen, nach der Babypause wieder in den Job einzusteigen. Es ist, als ob sie einen scharlachroten Buchstaben auf der Brust tragen, der andeutet: In diese Person müsse man nichts mehr investieren und Weiterbildungen könne man sich schenken, da sie ja eh häufig fehlen wird. Mütter sind und bleiben vollwertige Fachkräfte, auch mit Kind und Kegel. Diese Wertschätzung sollten sie auch spüren. Sei es beim Gehalt oder bei bezahlten Seminaren für die berufliche Weiterbildung. Es ist wirklich ein trauriges Bild, was sich hier abzeichnet. Wir müssten viel mehr Regelungen für Mütter etablieren. Denn drängt man die Mütter aufgrund von inkompatiblen Arbeitszeiten oder eben einem niedrigen Lohn, zwischen Job und Familie zu wählen, passiert folgendes: Sie gehen und im schlimmsten Fall bedienen sie ihre Kunden dann in Schwarzarbeit. Und was ist mit dem Salon? Dieser verliert eine gut gelernte Fachkraft, die dank Nachwuchsmangel nicht allzu schnell ersetzt werden kann. Ein wirklich teuflischer Kreislauf, den man doch ganz leicht unterbrechen könnte. In meinem Salon sind wir nur Frauen – und mittlerweile auch alles Mütter. Die Arbeitszeiten sind so geregelt, dass die Work-Life-Balance jeder Mitarbeiterin stimmt.

Du sprichst hier gleich zwei gravierende Probleme der Branche an – Schwarzarbeit und Nachwuchsmangel. Hättest Du auch eine Lösung parat?

Ich fordere schon etwas von meinen Mitarbeiterinnen, da ich ja aus eigener Erfahrung weiß, wie viel man auch als Mutter schaffen kann. Trotzdem begegne ich ihnen immer mit Verständnis, vor allem im Hinblick auf die Arbeitszeit. Mittlerweile arbeiten die Mamas bei mir ihre Stunden an festgelegten vollen Tagen ab und können so besser die Familienzeit organisieren. Eine Art Teilzeit in Vollzeit-Tagen. Jede Mutter arbeitet zudem nur einen, maximal zwei Samstage im Monat. Auch das ist ein Entgegenkommen, um meine berufstätigen Mütter zu integrieren. Natürlich ist dieses Arbeitszeitmodell vielleicht nicht in jedem Salon anwendbar, aber es ist ein Anfang in die richtige Richtung. Wir müssen hier wirklich handeln, ansonsten stehen wir bald mit noch weniger Fachkräften dar.

Aus Unternehmersicht bergen Schwangerschaften und Mütter aber doch ein finanzielles Risiko. Welches Umdenken müsste hier stattfinden?

Fangen wir doch bei der Bewerbung an: Ich würde niemals eine Friseurin danach beurteilen, ob sie demnächst schon ans Kinderkriegen denkt. Es ist einfach eine Unart, Frauen aufgrund ihres gebärfähigen Alters zu diskriminieren bzw. auszuschließen. Allein bei dem Gedanken schüttelt es mich. Als Unternehmerin würde ich natürlich auch keine Luftsprünge machen, wenn mir eine neue Mitarbeiterin nach einem Monat sagt, sie sei schwanger. Bei langjährigen Mitarbeiterinnen ist das anders. Bei einer Friseurin, die gute Umsätze fährt und dann durch die neue Lebensphase mal ausfällt, aber verlässlich wieder zurückkommt, ist das alles kein Problem. Es gab früher eine Zeit, da hätte ich fast geweint, als mir meine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft mitgeteilt hat, weil zu diesem Zeitpunkt bereits einige Mütter fehlten. Heute habe ich mich von dieser Denkweise befreit und sehe das locker.

 

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