„Wir könnten kaum gegensätzlicher sein. Und geben jetzt doch gemeinsam Gas“

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Regula (www.divein.ch)
Völlig gegensätzliche Persönlichkeiten und doch gemeinsam stark: Joelle (vorne) und Silvia Rausch.
Regula (www.divein.ch)
Völlig gegensätzliche Persönlichkeiten und doch gemeinsam stark: Joelle (vorne) und Silvia Rausch.

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Neustart in der Friseurfamilie Rausch: Nach den zehrenden Corona-Jahren und einem schweren Schicksalsschlag nehmen Silvia und Joelle Rausch mit ihrem Unternehmen nun als Doppelspitze wieder Fahrt auf. FMFM-Autorin Daniela Hamburger hat Mutter und Tochter im südbadischen Waldshut zum sehr ehrlichen und emotionalen Interview getroffen.

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Silvia, erstmal herzlichen Glückwunsch zum 30-jährigen Salonjubiläum! Was empfindest Du, wenn Du auf die vergangenen drei Jahrzehnte zurückblickst? Und was waren die wichtigsten Meilensteine für Dein Friseurunternehmen?

Silvia: 1993 habe ich meinen eigenen Salon eröffnet. Dann kamen erstmal 20 Jahre harter Arbeit, in denen ich mich oft durchbeißen musste aber Stück für Stück mein Standing erarbeitet habe. 2013 sind wir ins gegenüberliegende Gebäude gezogen und haben hier auf 200 Quadratmetern einen Salon der Extraklasse auf zwei Ebenen und inklusive Barbershop eröffnet. So etwas gab es am Hochrhein noch nicht, wir wurden mit Aufmerksamkeit überschüttet und der Erfolg hat uns überrollt. Plötzlich waren wir in allen Magazinen und ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere. 2015 wurden wir auf einem großen Event in die Intercoiffure aufgenommen und gehörten fortan zu den führenden Salons in Deutschland. Ein weiterer Meilenstein war, als ich unter die 5 Finalistinnen beim Wettbewerb „Unternehmerin des Jahres im Friseurhandwerk“ gewählt wurde. Bei all diesen Schritten war mein Mann und Joelles Vater, Gérard, an meiner Seite. Parallel kam Joelle ins Geschäft: 2012 begann sie ihre Ausbildung bei uns, danach war sie bei Sassoon in London.

Flexibilität statt starrem Businessplan

Was waren in dieser Zeit die einschneidendsten Veränderungen und größten Herausforderungen? Und wie bist Du ihnen begegnet?

Silvia: Die Branche hat sich in diesen 30 Jahren enorm gewandelt. Früher war es üblich, viele Kund*innen zu haben, die alle 4 Wochen zum Termin kommen. Das gibt es heute kaum noch. Die Besuchshäufigkeit hat abgenommen. Die Leute gehen nur noch zum Friseur, wenn sie „müssen“, ihr Leben ist durchgetakteter. Früher haben sie einen Genusstag draus gemacht und sich treiben lassen: Beim Coiffeur verwöhnen, dann ins Café, schön bummeln, abends ins Restaurant… Die Stadt hat geboomt, davon ist nicht mehr viel zu spüren und das merken wir auch. Hier an der Schweizer Grenze hat uns der 17-wöchige Lockdown während der Pandemie sehr zugesetzt. Wir haben 60-70 Prozent Schweizer Kunden, von denen sich während dieser Zeit viele einen anderen Friseur in der Schweiz gesucht haben. Die wenigen Laufkund*innen fangen das nicht auf. Wir waren mal über 15 Mitarbeiter*innen, heute sind wir noch 4. An jeder Ecke sprießen Barbershops aus dem Boden, die kurz darauf wieder schließen. Das ist keine gute Entwicklung für die Branche. Nachhaltigkeit ist ein superwichtiges Thema geworden, vor 30 Jahren spielte das noch gar keine Rolle. Auch darauf müssen wir eingehen. Und natürlich haben sich auch die nachgefragten Dienstleistungen immer wieder geändert. All diesen Herausforderungen sind wir immer mit viel Flexibilität begegnet und können deswegen ganz gut damit umgehen. Wir hatten nie einen langfristigen Businessplan, sondern reagieren auf die Veränderungen, die das Leben bringt, spontan. Das kommt uns jetzt zugute.

„Loszulassen tut weh“

Silvia, Du bist als starke Persönlichkeit sowohl in der Friseurbranche als auch bei Deinen Kund*innen bekannt. Dein ganz persönlicher Stil hat auch Deinen Salon entscheidend geprägt. Wie ist es, so einen Fingerprint-Salon nun teilweise abzugeben? Ist es schwer, in die „Marke“ Rausch noch eine zweite Persönlichkeit, die Deiner Tochter, zu integrieren?

Silvia: Ich gebe zu, dass es sehr schwer für mich ist, abzugeben. Die Entscheidung, ein Stück weit loszulassen und Joelle die Salonleitung zu übergeben, hat schon weh getan. Dieses Unternehmen ist mein Lebenstraum, den ich mit meinem Mann gemeinsam gelebt habe. Hier steckt all mein Herzblut drin, all meine Kraft. Aber gleichzeitig bin ich unglaublich glücklich, dass Joelle nun voll dabei ist. Sie bringt neue Impulse und Ideen ein, die brauchen wir.

Joelle: Es ist in der Tat schwierig, in diesem Fingerprint-Salon meiner Mutter einen Raum für mich zu finden, den ich ausfüllen kann. Ich möchte gar nicht alles über den Haufen werfen, aber meinen Stil Stück für Stück einziehen lassen. So langsam gelingt das auch ganz gut. Für mich ist es enorm wichtig, nach außen hin zu kommunizieren, dass meine Mutter und ich das Unternehmen nun gemeinsam führen. Sie ist die Inhaberin, ich bin die Salonleitung. Deswegen war auch ein neuer Name nötig: Aus „Intercoiffure Silvia Rausch“ wurde „Salon Rausch“. Der Nachname blieb, der ist unsere Geschichte. Und dennoch war dieser Veränderungsprozess unglaublich wichtig.

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Mit dem 200 qm großen Salon auf zwei Etagen hat sich Silvia Rausch einen Lebenstraum erfüllt. // Regula (www.divein.ch)

Durchstarten nach dem Schicksalsschlag

Silvia, Du übergibst damit den Salon ja (noch) nicht gänzlich. Warum hat Joelle nicht gleich komplett übernommen?

Joelle: Eigentlich war das tatsächlich der Plan…

Aber?

Silvia: Doch dann ist Gérard gestorben. Völlig überraschend. Unser Plan war immer, dass ich mit 55 an Joelle übergebe, damit ich mit meinem geliebten Mann, der 15 Jahre älter war als ich, noch viel vom Leben habe. Der Verlust schmerzt extrem, auch wenn ich mittlerweile wieder einen neuen Partner an meiner Seite habe. Wir waren Visionäre, wir haben unseren Traum gelebt. Es würde mir das Herz herausreißen, wenn ich nun auch noch den Salon verlieren würde. Ich bin 56 und noch viel zu jung, um aufs Abstellgleis geschoben zu werden.

Joelle: Der Tod meines Vaters und auch Corona haben erstmal Stillstand in unserem Unternehmen verursacht. Wir mussten zunächst wieder durchatmen, zu uns finden und auch unsere Rollen neu sortieren. Wir waren davor immer ein Dreierteam. Ich war das Papa-Kind und er musste zwischen mir und meiner Mutter vermitteln. Es gab viele Reibungspunkte. Er hat immer gesagt: „Ihr braucht einander doch.“ Nun, als Zweierteam, wird erst klar, wie recht er damit hatte. Wir haben nun ein viel engeres Verhältnis und können wieder nach vorne sehen. Wir starten wieder durch – gemeinsam.

Joelle, Du trittst damit in große Fußstapfen. Was ist das für ein Gefühl, jetzt einen so erfolgreichen Salon mit zu führen?

Joelle: Eigentlich hat sich für mich gar nicht so viel verändert. Ich bin seit elf Jahren mit im Salon und damit aufgewachsen. Ich kenne es gar nicht anders. Und ich entscheide auch schon immer mit. Ich kenne die Mitarbeiterinnen und bin schon lange die Stellvertreterin meiner Mutter. Die Veränderung ist aber, dass wir das nun nach außen offiziell kommunizieren. Klar, dadurch lastet mehr Druck auf mir aber ich konnte auch schon gut in diese Rolle hineinwachsen.

Salon Rausch
Der Salon Rausch trägt eindeutig den Fingerprint von Silvia Rausch, einer Unternehmerin, die durch ihren ganz eigenen Stil auffällt. Tochter Joelle bringt nach und nach Ihre Persönlichkeit in die Einrichtung mit ein. // Regula (www.divein.ch)

„Erstes Ausbildungsjahr war der Horror“

War das denn dann von Anfang an klar, dass Du ins Unternehmen mit einsteigst? Wolltest du schon immer Friseurin werden?

Joelle: Überhaupt nicht! Ich wollte auf keinen Fall Friseurin werden. Papa hat mich allerdings durch seine diplomatische Art dazu gebracht, es mir anders zu überlegen. Trotzdem war das erste Jahr der Ausbildung der Horror, ich wollte sogar schon abbrechen. Meine Freundinnen sind alle freitags weg, nur ich musste am Samstag arbeiten, das hat absolut genervt. Ich habe dann einen Teil der Ausbildung auch nicht bei uns, sondern bei Amann & Bohn gemacht. Für mich war es schwer, dass meine Klassenkameradinnen nach dem Abi alle weg sind, nur ich saß noch in der Kleinstadt fest. Heute weiß ich, dass das auch Vorteile hatte: Meine Freundinnen mussten sich erst finden, waren unentschlossen und taten sich mit der Entscheidung schwer, was sie machen sollen. Ich liebe meinen Beruf, bin seit Jahren total gesettelt.

Ihr führt das Unternehmen gemeinsam. Wer ist wofür zuständig – habt Ihr das aufgeteilt?

Joelle: Strikt getrennt haben wir das nicht. Ich übernehme als Salonleitung das Daily Business, kümmere mich um die Organisation, Bestellungen usw. Mama übernimmt eher das Backoffice und unser Netzwerk. Wir sprechen uns aber in allen Bereichen total viel ab.

Mit Joelles Eintritt in die Salonleitung habt Ihr den Salonnamen verändert und verzichtet nun auf den Zusatz „Intercoiffure“. Ihr seid aber noch in der Vereinigung. Warum lasst Ihr dieses Gütesiegel dann in der Kommunikation nach außen ungenutzt?

Joelle: Für uns sollte der Name „Rausch“ mehr im Vordergrund stehen, das ist es, was uns seit 30 Jahren ausmacht und womit unsere Kund*innen uns verbinden. Dass wir Intercoiffeure sind, ist für unsere Endkund*innen überhaupt nicht wichtig, das sagt ihnen gar nichts. Im Gegenteil: Viele hielten uns aufgrund des Sterns für ein Franchise-Unternehmen. Intercoiffure hat nur innerhalb der Branche Bedeutung.

Gegensätzliche Persönlichkeiten

Ihr habt also auch das Logo geändert?

Joelle: Genau, der Stern musste weichen und es ist jetzt alles viel zeitgemäßer, clean und minimalistisch. Das Logo spiegelt damit meinen Stil wider, zeigt aber durch die beiden Figuren, die Rücken an Rücken stehen und gleichzeitig eine Schere bilden, dass hier zwei Persönlichkeiten das Sagen haben.

Logo
Das neue Logo verzichtet auf den Intercoiffure-Stern und zeigt sich minimalistisch und clean - Joelles Stil. Zwei Personen stehen Rücken an Rücken und bilden gleichzeitig eine Schere.

Diese beiden Persönlichkeiten sind aber enorm gegensätzlich – die extrovertierte Silvia auf der einen, die introvertierte Joelle auf der anderen Seite. Wie trennt Ihr denn Geschäft und Privatleben? Oder tut Ihr das gar nicht?

Silvia: Es gibt keine Trennung. Das Geschäft ist schon immer bestimmender Teil unseres Familienlebens. Ich war immer im Salon als Joelle noch ein Kind war. Sie ist einfach mitgewachsen.

Joelle: Bei uns war nicht das Thema „Wie läuft’s in der Schule?“, sondern „Wie läuft’s im Salon?“

Zu einem erfolgreichen Salon gehören auch erfolgreiche Produkte. Silvia, Du bist seit Jahren treue Wella-Kundin. Was zeichnet diese Partnerschaft für Dich aus? Was muss ein Lieferant bieten, damit ihm so lange die Treue gehalten wird?

Silvia: Für mich ist die menschliche Komponente extrem wichtig, die Möglichkeit, in persönlichen Kontakt zu treten und sich austauschen zu können. Wir wurden und werden durch Wella immer eng begleitet, ich habe stets kompetente Ansprechpartner*innen und Unterstützung in Bereichen wie Management, Marketing und Social Media. Ich war immer treue „Wellanerin“ und habe alle anderen Firmen abblitzen lassen. Außerdem ändert man ja sein Farbsortiment auch nicht von heute auf morgen nur weil es gerade hip oder vegan ist.

Joelle, wirst Du das auch so handhaben?

Joelle: Ich weiß, dass die Produkte, die Farben performen, das ist natürlich unglaublich wichtig. Und unsere Mitarbeiter*innen arbeiten gerne damit, das funktioniert einfach. Eine zweite Marke für den Private Label-Bereich hinzu zu nehmen, schließe ich nicht kategorisch aus. Aber alles zu seiner Zeit. Vielleicht, wenn wir wieder ein größeres Team sind.

Jüngere Generation willkommen

Hast Du denn vor, die Mitarbeiterzahl wieder aufzustocken?

Joelle: Höchstens um ein bis zwei Leute, aber es muss menschlich auch passen. Jemand in meinem Alter wäre super, da unsere Mitarbeiterinnen alle zur Generation meiner Mutter gehören. Zu diesem riesigen Mitarbeiterstamm von vor ein paar Jahren möchte ich nicht mehr zurück. Damals waren wir sehr auf Masse ausgerichtet. Das war superstressig und hat viel Unruhe in den Salon gebracht. Nun arbeiten wir viel entspannter, unsere Stamm-Mitarbeiterinnen sind zufriedener, es ist einfach angenehmer. Und wir strahlen mehr Exklusivität aus. Wir sind auch nicht auf Azubisuche. Wenn aber jemand Gutes kommt, der zu uns passt, übernehme ich die Ausbildung gerne.

Team Salon Rausch
Eingespieltes Team im Salon Rausch: (v. l.) Silvia Rausch, Joelle Rausch, Beatrix Wipfler-Moser und Sonja Weißenberger. // Regula (www.divein.ch.)

Joelle, welche Neuerungen im Salon sind Dir wichtig? Was ist Dein ganz persönlicher „Fingerprint“?

Joelle: Optisch wird das „Grundgerüst“ unseres Salons bleiben, wird aber nach und nach um meinen Stil erweitert. Sonst fällt Mama die Veränderung zu schwer. Sie und Papa haben schließlich alles hier drin selber designt und die Einrichtungsgegenstände besorgt. Ich möchte den Salon digital nach vorne bringen, plane z. B. Online-Reservierungen. Allerdings ist das in der praktischen Umsetzung schwierig, da ich damit bei unserem nicht ganz jungen Team auf Gegenwehr stoße. Ich könnte also schon Unterstützung gebrauchen…

Was sind Eure Ziele für Euer Business? Wo wollt Ihr mit dem Salon Rausch hin?

Joelle: Uns beiden ist es das Wichtigste, dass wir unsere hohe Qualität halten und dass wir weiterhin so auf unsere Kund*innen eingehen, dass diese sich wirklich wohl bei uns fühlen. Außerdem leben wir für neue Trends, die sind unglaublich wichtig. Da immer up to date zu sein ist für uns beide selbstverständlich. So gegensätzlich Mama und ich auch sind – wir ziehen an einem Strang.

Liebe Silvia, liebe Joelle, herzlichen Dank für das offene Interview und viel Erfolg für die nächsten 30 Jahre!

Geschäftsführung Salon Rausch und Daniela Hamburger
Joelle und Silvia Rausch mit FMFM-Autorin Daniela Hamburger. // Daniela Hamburger