14€ Mindestlohn – Ist das der Tod von Familienunternehmen?

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Foto: Kevin Fobe
17. April 2023In BusinessVon Simone Frieb
Sieht vor allem Familienbetriebe in Zugzwang: Friseurunternehmer Tim Mehlfeld aus Bad Schwartau
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Sieht vor allem Familienbetriebe in Zugzwang: Friseurunternehmer Tim Mehlfeld aus Bad Schwartau
17. April 2023In BusinessVon Simone Frieb

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14€ Mindestlohn?! Für viele Friseurunternehmer*innen ist das der neueste Horrorclown der Branche. Bundesarbeitsminister Heil kündigte jüngst an, im Jahr 2024 erneut an der Mindestlohnschraube drehen zu wollen. In den Friseurforen wird das Thema bereits heiß diskutiert. Was würde ein Mindestlohn von 14€ eigentlich für Friseurbetriebe bedeuten? Salon Co-Inhaber Tim Mehlfeld über mögliche Folgen.

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Seit meinem Wechsel in die Friseurbranche in unseren Familienbetrieb beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Lohn, Lohnsysteme und deren Optimierung. (Fun Fact nebenbei: Das perfekte System habe auch ich noch nicht gefunden;) Von Haus aus bin ich Betriebswirt, meine Frau ist Friseurmeisterin. Spannend ist, dass eigentlich alle Unternehmerkolleg*innen, mit denen ich mich austausche, sich ganz regelmäßig die Frage stellen, welche Gehaltserhöhungen gezahlt werden können, ob Provisionssysteme fair sind, wie man den Lohn steuerlich so optimieren kann, dass alle etwas davon haben usw.

In diesen Runden geht eigentlich nie darum, am Lohn zu sparen oder den Mitarbeitern weniger zu zahlen, als sie wert sind. Zum Glück werden diese Unternehmer*innen, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schlecht behandeln, immer weniger.

Zu viel? Oder noch zu wenig?

Jetzt sorgt die Ankündigung von Arbeitsminister Heil für Furore in der Friseurbranche: 2024 plant er, die Mindestlohngrenze auf 14 oder sogar 15 Euro anzuheben. Ist das wirklich ein Grund für Krisenstimmung? Rechnen wir doch mal kurz durch: Wenn wir einen Stundenlohn von 14 Euro zugrunde legen und mit 40h pro Woche kalkulieren, liegt der Bruttolohn eines/r Mitarbeiter*in bei ca. 2.427€. Ein realistischer Faktor für die Sollumsatzberechnung liegt vielerorts mittlerweile zwischen 3,7 und 4,3 oder noch höher. Kalkulieren wir nun mit dem Festgehalt von 2.427€ und einem durchschnittlichen Faktor von 4, kommen wir bei einem Soll von 9.708€ heraus. Das bedeutet also, dass ein/e Mitarbeiter*in bei diesem Mindestlohn schon mal fast 10.000€ erwirtschaften muss, damit er/sie sich für den Betrieb lohnt, das heißt, dass alle Rechnungen bezahlt sind und (je nach Berechnung) Rücklagen gebildet werden können. Mit höheren Gehältern/Stundenlöhnen, könnt ihr die Rechnung gerne einmal selbst machen; die Sollumsätze steigen schnell! Das bedeutet, da muss in einigen Betrieben schon mal wie am Fließband Akkordarbeit mit Vollauslastung geleistet werden, um auf diese Zahlen zu kommen (wir reden an dieser Stelle auch noch immer über 14€ Mindestlohn, eigentlich wollen und sollten wir ja unsere FACHkräfte viel besser bezahlen!). Egal, ob man nun bei der persönlichen Kalkulation am Ende bei 9.000, 10.000 oder 11.000 Euro landet – das ist ein Umsatzniveau, das in der Branche bislang bei Weitem nicht flächendeckend erwirtschaftet wird. Sonst hätten wir nicht solche hohen Betriebszahlen im Bereich der mittleren und kleinen Betriebe. Ein brisantes Thema ist die weitere Anhebung des Mindestlohnes damit für viele Betriebe allemal! Doch wen würde ein höherer Lohn am härtesten treffen?

Was bedeuten 14 € für uns?

Schauen wir uns die Billigfriseure an. Genau genommen ist es heutzutage betriebswirtschaftlich gar nicht mehr möglich, einen Low-Budget-Salon zu betreiben. Es mag ganz besondere Fälle geben, bei denen die Unternehmen nur noch zum Hobby betrieben und entsprechend (niedrige) Preise aufgerufen werden können. Im Normalfall muss man aber wohl leider sagen, dass sich diese Betriebe eher den marktwirtschaftlichen Anforderungen mit Schwarzgeld entziehen oder andere (illegale) Tricks bemühen. Was macht solch ein Unternehmen also, wenn der Mindestlohn erhöht wird? Entweder wird hier der Schwarzgeldanteil weiter erhöht, um die höheren Lohnkosten aufzufangen, oder Mitarbeiter*innen werden mit weniger Stunden eingestellt, um die Lohnkosten stabil zu halten (den Rest gibt es dann bar auf die Hand). Somit haben diese Unternehmen eigentlich kein Problem mit der Erhöhung des Mindestlohns; sie befinden sich sowieso außerhalb der Legalität. Premiumbetriebe wird ein höherer Mindestlohn ebenfalls nicht hart treffen, denn sie haben durch höhere Preise, gute Auslastung und oftmals bessere Konzepte viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten, was Lohnsysteme angeht. Hier werden deutlich höhere Pro-Kopf-Umsätze erwirtschaftet, und ihre Mitarbeiter*innen werden in aller Regel ohnehin bereits übertariflich bezahlt. Hier sind dann nur geringe Anpassungen am Lohnsystem nötig.

Klar gebeutelt: Familienbetriebe!

Also trifft es mal wieder die goldene Mitte, die klassischen Familienbetriebe. Diese haben hohe Fixkosten sowie den Druck bei den Gehältern, ohne dass sie die Umsätze eines Premiumbetriebs erwirtschaften. Das heißt, sie stecken im Falle der Anhebung des Mindestlohnes in der Zwickmühle, weil weder Zeit noch Geld vorhanden sind. Für sie entsteht ein wirklicher Überlebenskampf, denn diese Unternehmen werden, wenn sie sich nicht schnell anpassen, schon bald handlungsunfähig. Für sie kommt der Druck von oben und von unten, also aus beiden Richtungen: Einerseits von den Premiumsalons, die qualifizierten Fachkräften bessere Gehälter bieten, die ausgeklügelte Konzepte haben und häufig mehr Professionalität in der Dienstleistungsqualität an den Tag legen – also auch für Kund*innen oft deutlich attraktiver sind. Aber sie haben auch den Low-Budget-Salon als ernstzunehmende Konkurrenz, wo zum einen schnelles Schwarzgeld für Angestellte und mehr Geld für „weniger“ Leistung sowie der billige Ratzfatz-Haarschnitt für Kund*innen locken.

Für Betriebe im breiten Mittelsegment kann es also nur einen Weg geben: Die Preise und die Qualität müssen über Spezialisierung und Branding etc. weiter deutlich erhöht werden, um sich damit direkt unterhalb der Premiumklasse anzusiedeln. Die Kunst ist dann allerdings, ambitionierte Preise durchzusetzen, ohne die klassische familiäre Kundenklientel zu verschrecken. Alles in allem keine einfache Aufgabe!

Ohnehin ist eines sicher: personalintensive Betriebe wie Friseursalons können ihren Gewinn nicht im gleichen Maße steigern wie andere Branchen. Ein Beispiel: In der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ wurde eine neuartige Geldbörse vorgestellt, die mit einer Marge von 1000% punkten konnte. Zum Vergleich: Im Friseurbereich erreichen viele Betriebe noch nicht mal 20%. Wir alle wissen, dass eine Skalierung des Geschäfts in diesem Umfang im Friseurbereich einfach nicht möglich ist. Unsere Stellschrauben sind allein die Mitarbeiter*innen, die Qualität, die Auslastung und höhere Preise – viel mehr Möglichkeiten haben wir nicht. Das große Glück, dass wir weder wegindustrialisiert noch wegdigitalisiert werden können, ist im Falle des Umsatzwachstums eher ein Hindernis. Sei‘s drum.

Nun mal realistisch…

Zum Ende hin muss man aber einmal ganz ehrlich sein. Angesichts der vieldiskutierten und gefürchteten Drohkulisse der Mindestlohnanhebung müssen wir immer noch realistisch sein: Wir reden hier von möglichen 14€ Mindestlohn, die uns ins Haus stehen könnten – das ist nicht viel! Für ein Handwerk wie unseres, welches eine Premiumdienstleistung mit 1:1-Betreuung anbietet, sollten aus meiner Sicht eigentlich Gehälter zwischen 20€ und 30€ Stundenlohn normal sein! Das müssen unser Selbstverständnis und unser Ziel sein, mit denen wir nach außen auftreten, damit wir in Zukunft vielleicht nicht mehr als Testimonial für Mindestlohn und Altersarmut herhalten müssen.

Mein Tipp an die Kolleg*innen: Wartet weder auf die Politik noch auf die Innungen, Handwerkskammern oder Branchenverbände. Da wird sich nichts tun. Und wenn, dann mit einem Zeithorizont, der uns allen wahrscheinlich nicht viel helfen wird. Schaut auf euch selbst, euren Betrieb, prüft euer Konzept und analysiert, in welche Richtung ihr euch weiterentwickeln und/oder spezialisieren wollt und könnt. Wir können nur im Kleinen und bei uns selbst etwas ändern, aber das haben wir wenigstens selbst in der Hand.

 

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