Frust-Alarm: „Diese Azubi-Generation saugt mich energetisch aus!“

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Kosten Ausbilder oft Lebensenergie pur: Azubis 2019
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Kosten Ausbilder oft Lebensenergie pur: Azubis 2019

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Ausbildung ade!? Gabi Stern schmeißt hin. Sie ist erfolgreiche Friseurunternehmerin und hat als engagierte Chefin in 22 Jahren unzählige Azubis ausgebildet. Jetzt aber hat die Friseurmeisterin aus Asperg, vorsichtig formuliert, die Nase voll! Ihr Entschluss: „Ich bilde vorerst nicht mehr aus. Diese Azubi-Generation saugt einen energetisch aus wie ein Vampir! Ich bin einfach müde, Hunde zum Jagen zu tragen...“. FMFM hat Gabi Stern zu ihrer ernüchternden Bilanz als Ausbilderin der Generation Y befragt.

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Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?

 

Frau Stern, Sie sind in der Friseurszene als engagierte Friseurin und Ausbilderin bekannt. Jetzt ziehen Sie die Reißleine und bilden vorerst nicht mehr aus. Gab es eine Initialzündung für diese Entscheidung?

Ja, die gab es in der Tat. Meine 29-jährige Salonleitung, die sich bei uns maßgeblich um das Thema Ausbildung kümmert, kam zu mir und sagte: „Frau Stern, ich kann und will nicht mehr ausbilden!“ Da haben wir uns zusammengesetzt und beschlossen: wir lassen es!

Einfach so?

Nein, das ist gewiss keine Entscheidung, die man sich leicht macht, wenn man, wie ich, sogar Lehramt studiert hat, viele Jahre als Trainerin tätig war und sogar Meister- und Ausbildungsprüfungen abnimmt. Aber meine 29-jährige Salonleitung hat mir im Grunde genommen aus der Seele gesprochen. Und sie ist der Auszubildenden-Generation deutlich näher als ich es mit fast 55 bin! Gespürt habe ich dieses Unbehagen schon länger, doch ich wollte es nicht so recht wahrhaben, weil ich immer viel Verständnis für junge Leute aufgebracht habe. Aber die vergangenen Jahre waren einfach zu frustrierend.

Das Kreuz mit dem Ypsilon

Braucht eine Azubi-Pause: Gabi Stern Braucht eine Azubi-Pause: Gabi Stern

Die Generation Y gilt allgemein als sehr eigenwillig im Handling. Was sind Ihre Erfahrungen?

Mein Eindruck ist, dass diese Generation nur nach dem Lustprinzip lebt! Verstehen Sie mich nicht falsch: mir war es immer wichtig, dass ich mit Azubis auf Augenhöhe spreche und sie eine deutlich andere Ausbildungszeit erleben, als es bei mir damals der Fall war. Aber ich stelle fest, dass heute 18-Jährige den sozialen Entwicklungsstand von früher 15-Jährigen haben. Man muss ihnen zeigen, wie man einen Spiegel putzt, einen Geschirrspüler einräumt und einen Trockner bedient. Wenn sie am Stuhl oder Übungskopf arbeiten, soll man 3 Stunden hinter ihnen stehen und sie permanent loben. Aber zum Üben und Trainieren haben sie keine Lust. Nicht während, und schon gar nicht nach der regulären Arbeitszeit. Außerdem müssen wir Dinge immer und immer wieder wiederholen. Es fehlt einfach an Konzentration und Aufnahmefähigkeit.

Sie klingen (ausbildungs-)müde …

Das bin ich auch! Ich selbst bin Friseurin aus Leidenschaft und liebe meinen Beruf seit Tag 1. Ich war und bin heute noch neugierig, möchte Neues lernen und mich entwickeln. Das alles fehlt mir bei nahezu allen Auszubildenden! Kollegen aus anderen Handwerkszweigen erleben übrigens Ähnliches. Das erschüttert mich. Als Ausbilderin nehme ich meinen Job erst, Azubis können bei uns jederzeit trainieren. Aber sie nutzen es einfach nicht! Stattdessen stehen sie rum und unterhalten sich privat. Sie als spätere Mitarbeiter auszubilden funktioniert auch nicht, weil sich gute Azubis als Gesellen oft in andere Richtungen entwickeln wollen und sich nicht mehr an den Lehrbetrieb gebunden fühlen. 

Das Versagen der Eltern

Diese Altersklasse heißt „Generation Y“ weil sie immer nach dem „Warum?“ fragt. Kennen Sie das?

Sicher. Was ich als Ausbilderin sage, wird nicht als Aufforderung verstanden, sondern als Diskussionsgrundlage. Es ist, als müsse ich mich jeden Tag auf ein Neues als Chefin beweisen. Aber der Arbeitstag – vor allem in einem kleinen Salonteam – besteht aus vielen Dingen, die laufen müssen und die nicht ständig wieder besprochen und erklärt werden können. Mir ist völlig klar, dass nicht jede Routinearbeit Spaß bringt, aber wir sind ein kleiner Betrieb. Und da müssen Dinge einfach gemacht werden. Auch ich falte Handtücher, wenn es nötig ist. Auch ich kehre durch. Eigentlich können die jungen Leute gar nichts dafür. Man müsste ihre Eltern übers Knie legen, dass sie ihnen offenbar alles hinterhergetragen haben, statt sie selbst mal in die Pflicht zu nehmen. Eigentlich sollte doch im Elternhaus vermittelt werden, dass Schule, Lehre und Studium eine Investition in die eigene Zukunft sind.

Einige Friseurkollegen haben für „Routinetätigkeiten“ eigene Servicekräfte eingestellt, damit sich Mitarbeiter und Azubis auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren können. Eine Idee?

Dafür haben wir uns jetzt auch entschieden. Ab Sommer haben wir eine Beauty-Assistentin in Vollzeit eingestellt. Sie wird kleine Beauty-Dienstleistungen übernehmen und nebenbei Routinearbeiten erledigen. Sie ahnen nicht, wie viele Bewerbungen wir dafür hatten! Das sind Frauen unterschiedlichsten Alters, die einfach Spaß und Freude am Kümmern haben; die sagen: „Ich will!“. Genau das, was ich bei den Azubis vermisse. Wer weiß – vielleicht haben diese Beauty-Assistenten ja später Lust, ihr Spektrum um Haarfarben oder andere Tätigkeiten zu erweitern. Why not?

Gegengift: Bezahlte Ausbildung!

Was könnte nach Ihrer Einschätzung die Ausbildungsatmosphäre positiv verändern?

Kein Witz: Wenn man für die Ausbildung wieder bezahlen müsste, so wie es in einigen anderen Berufsständen üblich ist! Das würde den Anspruch auf beiden Seiten anheben: Die Azubis würden sich genau überlegen, was sie lernen möchten und sich engagieren. Die Ausbilder würden an ihrer Aufgabe gemessen („Hallo, ich zahl dafür…?!“) und seitens der Eltern wäre sicher auch mehr Zug dahinter. Warum sollte das nicht funktionieren? Wer eine Kosmetikfachschule besucht, zahlt in der Regel auch 10.000 pro Jahr. Und das funktioniert.

Was sagen Sie Kollegen, die ihnen vorhalten, dass Sie kapitulieren?

Kapituliere ich? Vielleicht. Es stimmt, ich habe gerade keine Lust mehr, mir die ganze Mühe zu machen. Das habe ich mehr als 20 Jahre getan. Ich würde es aber weniger als kapitulieren, sondern mehr als verschnaufen ansehen wollen. Mir fehlt es ja nicht an Bewerbungen. Es waren in diesem Jahr so viele wie lange nicht mehr. Aber wir haben bewusst keine Gespräche geführt, weil ich mich kenne: ich sehe immer das Gute im Menschen und sage dann doch wieder ja. Aber ich habe zur Zeit keine Kraft mehr, weil ich das Gefühl habe, dass mein Wissen und meine Erfahrung im eigenen Salon nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Dennoch engagiere ich mich weiter in Ausbildungskonzepten und mache Trainings für Kollegen. Nur nicht mehr mit eigenen Azubis in meinem Geschäft.