Inflation im Anmarsch: Wir Friseure brauchen Strategien!

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Rät, schon jetzt Strategien für die befürchtete Inflation zu entwickeln: Peter Gress
Rät, schon jetzt Strategien für die befürchtete Inflation zu entwickeln: Peter Gress

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Für Peter Gress ist völlig klar: Die Coronakrise wird eine Inflation nach sich ziehen! Was der Friseurunternehmer und Strategieberater seinen Kollegen jetzt dringend rät? Ihr erfahrt es in seinem neuesten Kommentar.

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„Es dürfte interessant werden, wie sich die Inflation entwickelt. Die EZB erwartet eine Steigerung der Teuerung auf rund drei Prozent. Das ist eine schleichende Reduzierung der Kaufkraft, die uns als Dienstleister auch treffen wird. Momentan läuft das Geschäft schon ruhiger, die Gründe dafür sind nachvollziehbar. Rückblick: Der Umsatz im März 2021 war bei uns rund 50 Prozent höher als im März 2019. Dann kam die Testpflicht, daraufhin haben wir im April 22 Prozent verloren. Im Mai (Stand 14.5.2021) sieht es ähnlich aus, da sind es hochgerechnet knapp unter 23 Prozent weniger Umsatz. Im Zeitraum 1.3. bis 14.5.2021 haben wir dennoch 0,83 Prozent mehr Umsatz erwirtschaftet als im vergleichbaren Zeitraum 2019. Ich erwarte aber eine deutliche Verschlechterung im Jahresverlauf, abhängig davon, ob und wie lange die Testpflicht noch weiter bestehen bleibt. Positiv auswirken wird sich jedoch die Öffnung von Gastronomie und Läden. Damit kommen wieder mehr Menschen in die Stadt, was auch den Zulauf zu unserer Dienstleistung erhöhen wird. Sollte die Testpflicht bei niedriger Inzidenz wider Erwarten noch bestehen bleiben, haben die Kunden aufgrund negativer Testergebnisse in der Stadt wenigstens mehr Möglichkeiten, sich zu treffen, einen Kaffee zu nehmen oder essen zu gehen. Dann ist der Schnelltest gefühlt mehr wert. Das habe ich mit einem realistischen Prozentsatz in meine Strategie 2022 eingebaut.

Viele Faktoren spielen mit

Ich weiß, Zahlenspiele sind dröge, aber notwendig. Mir bringen sie Klarheit und einen Überblick über die aktuelle Situation. Planung hat derzeit keinen langen Bestand. Wir fahren planerisch immer noch auf Sicht, sozusagen im Schaum. Das wird sich auch wohl erst gegen Ende des Jahres ändern. Und auch nur dann, wenn die Impfkampagne weitgehend störungsfrei durchläuft und 60-70 Prozent der Bundesbürger doppelt geimpft sind. Selbstverständlich auch davon, wie lange der Impfschutz hält. Wir haben es zudem mit verändertem Konsumverhalten zu tun, mit einer höheren Inflation, wir werden höhere Steuern bekommen und die Sozialversicherungsbeiträge müssen auch steigen, um die hohen Kosten auszugleichen. Das ist leider unausweichlich, auch wenn die Politik das momentan noch weit von sich schiebt. Mit den durch die Pandemie bedingten Steuerverlusten und wirtschaftlichen sowie sozialen Unterstützungsmaßnahmen ist der Schuldenberg massiv gewachsen. Und mit der Aussicht auf ein lediglich verhaltenes Wachstum von rund drei bis vier Prozent für 2022 ist die Staatskasse klamm. Zudem waren viele Städte und die Länder zum Teil schon vor der Pandemie finanziell am Limit – und der Zustand hat sich noch verschärft. Es wird auch hier mehr Geld vom Staat fließen müssen. Sparen ist nicht Sache der Politik, also können wir davon ausgehen, dass die Löcher durch Steuererhöhungen gestopft werden müssen.

Wie wollen wir Preise anpassen?

Rot und Grün wollen die Schuldenbremse weiter aufweichen, was zu noch höherer Verschuldung führen wird. An eine Rückkehr zur schwarzen Null glaube ich nicht, auch wird der EU-Stabilitätspakt demnächst obsolet sein. Die EU-Länder müssen erst mal abrechnen, man wird sehen, welche tiefen Schlunde sich hier noch auftun. Übermäßiges Verschuldungsverhalten bringt am Ende eine inflationäre Entwicklung, und diese Entwicklung sollten wir uns von der Politik nicht schönreden lassen. Es wird so kommen, auch wenn das niemand will. Und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie weit wir unsere Kunden mit höheren Preisen belasten müssen und wie wir die Löhne unserer Mitarbeiter anpassen.

Überdurchschnittliche Dienstleistungen anbieten

Was können wir als Unternehmer gegen eine höhere Inflation tun? Das ist die Gretchenfrage schlechthin. Dass es so kommt, dagegen können wir nichts tun. Wie wir damit umgehen allerdings schon. Im ersten Schritt sagen wir, unsere Preise müssen nach oben. Das stimmt, die müssen wir an die gestiegenen Kosten anpassen. Wir müssen auch mehr Rücklagen für Steuerzahlungen einplanen, beziehungsweise werden wir mit dem Steuermanagement mehr zu tun haben. Um zu diesem Zweck die Preise erhöhen zu können, müssen wir einen höheren Nutzen bieten. Denn nicht nur wir Unternehmer müssen mit Inflation, höheren Steuern und Sozialabgaben zurechtkommen, sondern auch die Verbraucher, zu denen wir auch selber gehören. Strategisch gesehen müssen wir unsere Leistungen stärker anspitzen und nicht alle möglichen Dienstleistungen anbieten, die uns in den Sinn kommen. Je mehr Dienstleistungen wir anbieten und je kleiner unser Team ist, desto schwieriger ist es, auf vielen Feldern eine überdurchschnittliche Leistung zu erbringen. Aber genau die brauchen wir, damit Kunden unsere zukünftig höheren Preise akzeptieren. Zur Selektion durch Corona kommt noch die Selektion der Unternehmen durch die Verbraucher hinzu.

Zentral wichtig: Ausbildung!

Die Ausbildung von Nachwuchs ist für mich in diesem Zusammenhang ebenfalls eines der wichtigen Themen. Denn obwohl die Geschäfte verhaltener sind, stellen wir auch diesem Jahr Auszubildende ein. Zwar erhöhen sich dadurch die Kosten und der Gewinn wird noch stärker reduziert, doch letztlich steht immer die Frage im Raum: Woher sollen die Fachkräfte kommen, die ich zukünftig brauche, um mein Geschäft zukünftig dauerhaft oben zu halten? Ausbildung ist also eine Strategiefrage. Ohne Ausbildung geht es nicht! Schaut euch die Ausbildungszahlen an, sie sind alarmierend. Von 2009 bis 2020 haben sich die Ausbildungswilligen im Friseurhandwerk um 53 Prozent reduziert. In Zahlen: 2009 waren es noch 38.661 Azubis, 2020 nur noch 17.844. Wer bei dieser Entwicklung noch darauf hofft, in ein paar Jahren noch hochqualifizierte Fachkräfte auf dem freien Markt zu finden, wird enttäuscht werden. Das merke ich derzeit bei der Mitarbeitersuche.

Invest in MItarbeiter

Hinzu kommt: Hochqualifizierter Nachwuchs wird nicht in irgendeinen Salon gehen, sondern nur noch dorthin, wo er Entwicklungschancen hat. Da bleibt für den Durchschnittsfriseur nichts übrig. Passende Fachkräfte stellen wir ein, wenn wir sie finden. Wir suchen immer. Passend bezieht sich auf die soziale Kompetenz. Die fachliche Qualität kann ich erhöhen, aber die soziale Kompetenz muss der Mensch mitbringen. Deshalb sehen wir Mitarbeiter auch nicht als bloßen Kostenfaktor, sondern als Investition in unsere unternehmerische Zukunft. Unsere Stärke ist der Teamspirit, eine weitere strategische Größe, die nicht betriebswirtschaftlich zu begründen ist. Alle nicht betriebswirtschaftlichen Effekte werden bei uns in der Spannungsbilanz abgelegt und bewertet. Mittlerweile haben sogar die Banken erkannt, dass die weichen Faktoren für ein Unternehmen mindestens so wichtig sind wie die harten Zahlen. Und warum? Weil die harten Zahlen ohne die weichen Faktoren gar nicht erst erwirtschaftet werden können, speziell im Friseurhandwerk. De facto ist es also eine strategische Notwendigkeit, die passenden Mitarbeiter zu suchen und nicht irgendwelche. Jedes Unternehmen ist in einer individuellen wirtschaftlichen Situation. Jedoch unterliegen wir alle der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Und die wird sehr spannend werden.

 

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