Lust vs Frust. Was ist eigentlich falsch an Leistung?!

Der Begriff „Work-Life-Balance“ ist weit verbreitet, aber mir fällt auf, dass darunter oft nur die Abwesenheit von Arbeit verstanden wird. Stattdessen wird das Credo ausgegeben: Die 4-Tage-Woche muss her! Arbeit wird zunehmend verteufelt, unterstützt von sozialen und politischen Systemen an vielen Orten. Hier frage ich mich ernsthaft: Scheint es nicht mehr notwendig zu sein, Leistung zu erbringen, um Leistung zu erhalten? Warum zerstören wir dieses Gleichgewicht? Oder anders gefragt: Was ist so schlimm an Leistung und Wettbewerb?

Stärke durch Wachstum

Meiner Meinung nach stärken sowohl Leistung als auch Wettbewerb die Persönlichkeit und ermöglichen uns, besonders in Momenten, in denen Dinge vielleicht nicht sofort Spaß machen, zu wachsen. Wir wachsen an unseren Grenzen, nicht davor und nicht dahinter. Als Beispiel dient eine der erfolgreichsten Friseurinnen in meinem Salon, die vor fünf Jahren während ihrer Ausbildung ausschließlich ältere Damen bedienen wollte. Obwohl sie darin erfolgreich war, lagen alle anderen Fähigkeiten jenseits ihrer Grenzen. Hätte ich als Ausbilder ihrem Wunsch nachgegeben, stünde sie heute nicht dort, wo sie ist.

Ich frage mich, ob die oft beobachtete Ungeduld und niedrige Frusttoleranz vieler junger Menschen ein Phänomen der digitalen Welt ist? Nach dem Motto: Alles muss sofort klappen… Jeder, der beispielsweise Skifahren kann, weiß, dass das Lernen im Schnee oft mühsam ist, aber erst wenn man einigermaßen fahren kann, beginnt der Spaß. Das gilt für alles: Was du (noch) nicht kannst, macht keinen echten Spaß. Wir benötigen Geduld und Ausdauer, um zu lernen und zu wachsen.

Auch TUN! Wollen allein hilft nicht.

Derzeit wächst eine ganze Generation (oder sind es schon zwei?) mit dem Glauben auf: „Du kannst alles erreichen, wenn du nur willst.“ Ist das wirklich so? Ehrlich gesagt, können wir nicht alles erreichen, und alleiniger Wille reicht nicht aus! Man muss auch etwas dafür tun. Erfolg bedeutet Fleiß plus Glück. Glück spielt immer eine Rolle, aber ohne Fleiß führt Glück oft nicht zum Erfolg. Erfolg ist mehr als Geld – Selbstbewusstsein, innere Haltung, Fähigkeiten, Talente, Persönlichkeit, Gesundheit, Optimismus, Identifikation, Definition, Liebe und vieles mehr.

Wenn wir Erfolg wollen und Leistung erhalten möchten, müssen wir entsprechende Leistung erbringen. Das ist einfach Gerechtigkeit. Wer einen gesunden Körper haben und trainiert aussehen möchte, muss mehr tun als es nur zu wollen – er muss etwas dafür leisten. Nur dann stellen sich Erfolge ein, die motivieren und glücklich machen, vielleicht sogar dazu, noch mehr zu leisten, um schneller erfolgreich zu sein. Das gilt für ALLES, auch für den Beruf.

Keine Verlierer = keine Gewinner

Nochmal die Frage: Was ist falsch am Wettbewerb? Wenn die Geschichte mit der Abschaffung der Bundesjugendspiele wahr ist, erhalten bald alle die gleiche Urkunde, weil es keine Verlierer mehr geben darf? Das würde bedeuten, dass es auch keine Gewinner mehr gibt. Wer Verlierer abschafft, schafft zwangsläufig auch Gewinner ab. Das ist das Leben. Warum schützen wir unseren Nachwuchs vor der Welt, anstatt ihn darauf vorzubereiten? Die Natur und die Evolution sind purer Wettbewerb! Ohne Wettbewerb gäbe es uns nicht. Mal sind wir die Taube, mal sind wir das Denkmal. Und all das ist plötzlich etwas Schlechtes? Wollen wir Menschen, die zu den Besten gehören wollen, wirklich als Vorbilder abschaffen?

Letztlich ist es jedem selbst überlassen zu entscheiden: Wenn du nichts willst und keine Leistung erhalten möchtest, musst du keine Leistung erbringen. Wenn du aber etwas willst, finde heraus, was du dafür tun musst und habe Geduld. Du wirst wachsen. Flugzeuge steigen nur bei Gegenwind, Muskeln wachsen nur durch Widerstände. Leistung macht Spaß, weil man dafür im Gegenzug etwas bekommt. Beispiel Silicon Valley: Warum kommen so viele Innovationen von dort? Weil alle in der Schonhaltung sind? Nein. Immenser Fortschritt wie dort hat etwas mit der Stimmung, dem Mindset, der Innovations- und Kreativlust, Wettbewerbslust und der Leistungslust zu tun. Arbeit ist in dieser Welt nicht böse, sondern neugieriges Forschen ist ein wichtiger Teil des Lebens. Work-Life-Balance hat eine völlig andere Bedeutung.

Ich wünsche mir eine Stimmung, die Lust auf Qualität macht und Lust darauf, Qualität zu liefern. Ein Geist, in dem Leistung ausgezeichnet wird, statt Verlieren als Schande zu betrachten. Ja, das ist das Leben: mal sind wir Denkmal, mal Taube. Man muss nur einmal öfter aufstehen, als man hinfällt. Das ist Erfolg.

Ich wünsche mir eine optimistische Stimmung mit Leistungslust in allen Generationen. Dann geht’s bergauf!

Herzlichst, Euer Guido Paar