Macht Fehler! Aber richtig! ;)

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Perfektion ist langweilig, wenn sie zu Lähmung und Stillstand führt
Foto: Victor Ibrahim
Perfektion ist langweilig, wenn sie zu Lähmung und Stillstand führt

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Mit Fehlern umzugehen, das ist so eine Sache: Lieber vertuschen oder doch eher zugeben? Friseurunternehmerin und Coach*in Stefanie Ehrich mag Perfektion. Eigentlich. Aber eigentlich auch nicht. Warum sie Fehler feiert und sogar für eine eigene Fehlerkultur plädiert, verrät die FMFM Artistin in ihrer aktuellen, spannenden Kolumne.

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Wir Friseur*innen kennen das zu gut: Wenn der Rhythmus unserer Kunden durcheinandergekommen ist und wir mit Selbstversuchen oder Konsequenzen des friseurigen „Fremdgehens“ konfrontiert sind, werden wir ganz schnell aus unserer Komfortzone in die Panikzone katapultiert. Spätestens wenn wir merken, dass die Erwartungen unserer Kunden höher sind als das, was wir mit all unserem Know-how rausreißen können, startet ein großer Fehler auf unserer Festplatte. Und es passiert oft ganz automatisch: Gegenüber den Kund*innen versuchen wir so zu tun, als gäbe es gar kein Problem. Insgeheim stehen wir allerdings panisch im Labor und rätseln, wie man dieses Mammut-Problem löst. Meine Erfahrung ist: Schwierig wird es erst dann, wenn wir nicht offen und ehrlich mit unseren Kund*innen reden. Wenn wir nicht zugeben wollen, dass es überhaupt Schwierigkeiten gibt. Denn so laufen wir Gefahr, dass die Erwartungshaltungen der Kund*innen nicht erfüllt werden. Mit dem Resultat, dass am Ende zwei Menschen traurig sind: Kund*in und Friseur*in. Die Kund*innen sind traurig, weil wir unsere Versprechen nicht gehalten haben. Und wir Friseur*innen sind traurig, weil wir doch unser Bestes gegeben haben – und es dennoch nicht gereicht hat.

Stille Vorwürfe…

Spricht man in dieser Situation mit Friseur*innen, sind meistens die Kund*innen „schuld“. Da fallen Sätze wie: „Was kann ich dafür, dass die sich die Haare verfärbt?“ oder „Also dafür, dass die so versaut hier angekommen ist – besser konnte ich das nicht hinbekommen“ oder: „Ich weiß gar nicht, was die Kundin will, ich kann doch nicht zaubern!“ oder auch wahlweise: „Sie wollte das doch so!!“. Dabei ist unsere Intention eigentlich durchweg positiv: Wir Friseur*innen wollen Wünsche erfüllen und niemanden enttäuschen. Deswegen sagen wir viel zu oft „Ja“, obwohl wir wissen, dass es in der Umsetzung zu Problemen kommen wird. Aber Zauberer sind wir leider nicht. Daher ist ein liebevolles „Nein“ kein Versagen. Das Wort „Ja“ dagegen ist häufig ein Fehler.

Ehrlichkeit hat Stil

Die meiste Zeit in unserem Job reproduzieren wir erbrachte Dienstleistungen, arbeiten Colorationen oder Haarschnitte nach. Ich finde es wichtig, auch mal offen und ehrlich gegenüber unseren Gästen zu sein, wenn man zum Beispiel eine Reproduktion nicht hinbekommen wird, weil man sich vielleicht schlichtweg nicht erinnert oder eine Information dazu nicht in der Kundendatei hinterlegt hat. Auch das hat etwas mit Stil und Stärke zu tun! Denn damit lassen wir zu, fehlerhaft dazustehen. Auch wenn wir dieses Gefühl nicht mögen, es ist total ok. Wir werden dennoch gemocht, wir werden trotzdem respektiert. Vielleicht sogar deswegen! Und noch eine weitere Chance steckt in dieser vermeintlich negativen Situation: Oft eröffnen sie neue Wege und Horizonte! Mir hilft es immer, mich in solchen Momenten daran zu erinnern, dass durch „Fehler“ ganz wunderbare Dinge auf diese Welt gekommen sind. Schon allein deshalb lohnt es sich, eine regelrechte Fehlerkultur zu formen. Heißt: Wir sollten einen eigenen Stil finden, mit unseren Fehlern umgehen zu können.

Aus Fehlern lernen

Es macht also durchaus Sinn, offen mit unseren Kunden zu reden, nachzufragen und auf Probleme hinzuweisen. Das kann auch bedeuten, dass wir unerwünschte Ergebnisse nicht vertuschen. Nur wer transparent und ehrlich mit sich selbst und seinen Misserfolgen umgeht, wird nachhaltig davon profitieren (können). Und in der Kundensituation haben solche Fehler oft ein immenses Potenzial, um neue, kreative Lösungswege und Stylings zu finden. Kunden, die merken, dass man aufrichtig mit ihnen über Fehler in der Arbeits- oder Dokumentationsweise redet, werden dies mehr schätzen, als der Versuch, ihnen etwas schönzureden. Aus Fehlern lernt man. Ja, der Spruch mag abgedroschen sein, dennoch ist es die wichtigste Erkenntnis, die wir von Babyzeiten an benötigen, um überhaupt in die Entwicklung zu kommen. Neues entsteht aus Fehlern. Sicherheit entsteht erst dann, wenn man seine Unsicherheiten überhaupt kennt. Und wenn wir Fehler machen, erkennen wir unsere Grenzen. Grenzen, die uns wiederum den Raum für Sicherheit geben.

Angst vor Versagen lähmt

Schau, wenn man genau darüber nachdenkt, sollten wir uns dann nicht entscheiden, mutig und lustvoll wie Künstler Fehler zu machen? Das Wunderbare darin zu erkennen und daraus zu lernen? Dankbar für die Erkenntnisse zu sein? Jeder, der uns für unsere Fehler bewertet, vergisst, dass er oder sie selbst tausende Fehler gemacht hat. Und erst sie haben uns zu dem Menschen gemacht, der wir heute sind. Es ist also nicht schlimm, Fehler zu machen. Traurig ist nur, wenn wir nicht an ihnen wachsen. Wer Angst vor Schnitzern aller Art hat, blockiert oft so sehr, dass das Leben im Nichtstun endet. Das ist schade, denn dies bedeutet auch Stillstand. Und irgendwann führt es dazu, dass wir mittelmäßig werden, statt begehrte Stylist*innen zu sein. Also, letˋs go! Wer will schon mittelmäßig sein?

Dass Wichtigste bei allem ist doch: Sei ehrlich zu dir und deinen Kunden… Der Rest kommt dann von ganz allein.

Eure Stefanie Ehrich

Ihr möchtet den passenden Podcast von Steffi zum Thema „10 gute Gründe, um Fehler zu machen“ hören? Dann klickt hier https://www.meersicht-friseur.com/post/29-1-fehler

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“