Politik, Polemik, Populismus – Friseurhandwerk stellt sich der Krise!

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Positiv denken und mit neuen Ideen nach vorne blicken!
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„Wir stellen uns den Herausforderungen der Branche“, gab Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main mit fester Stimme bekannt. Dass Ehrenamt in der Friseurbranche derzeit wahrlich kein Zuckerschlecken bedeutet, ist kein Geheimnis und es wurde sich von Seiten des ZV und seiner Mitglieder in der Rhein/Main-Metropole auch keineswegs froh geredet. Dennoch herrschte im Tagungshotel Radisson Blu Aufbruchstimmung statt Verzweiflung. Entschlossen und wohltuend zukunftsorientiert. Nachhaltige Eindrücke von Gabriela Contoli

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Nachwuchsdilemma, untergrabene Tarifautonomie, populistische Anfeindungen in den Sozialen Medien, Ausbildungsmisere, Ehrenamtsmüdigkeit – sie ist schier endlos, die Liste an Negativwordings rund um den schönsten Beruf der Welt und seiner Verbandsstruktur. Es gibt viel zu tun für den Vorstand des Zentralverbands rund um Ehrenamts-Präsident Harald Esser und Hauptgeschäftsführer Jörg Müller. Ich möchte jedenfalls nicht tauschen!

Dennoch waren bei der Mitgliederversammlung in Frankfurt viel positive Energie und Motivation zu spüren. Mit den Fokusthemen Sozial- und Tarifpolitik, fachliche Arbeit und Modemarketing sowie Berufsbildung schafft der Zentralverband mit seinen jeweiligen Ausschüssen jedenfalls positive Zukunftsperspektiven für das Friseurhandwerk.

Berufsbildung 2.0

„Mit Unterstützung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) wird der ZV zum Beispiel weiterhin dafür Sorge tragen, die Bildungshoheit des Friseurhandwerks nicht aus der Hand zu geben. Dazu gehören der Erhalt des Meisterbriefs, die Stärkung des praxisnahen Dualen Systems, um das Deutschland weltweit beneidet wird sowie die moderne Weiterentwicklung des Berufsbilds Friseur“, so Harald Esser.

Derzeit beschäftige sich der ZV und insbesondere der Berufsbildungsausschuss unter der Leitung von Robert Fuhs mit der Teilnovellierung der Ausbildungsordnung, um den veränderten Marktbedingungen im Friseurhandwerk Rechnung zu tragen. Hier wird vor allem verstärkt auf Digitalisierung gesetzt, beispielswiese mit der Friseur-Berichtsheft-App, bei der das Friseurhandwerk definitiv Vorreiter aller Handwerke ist und die Azubis und Betrieben die Führung und Kontrolle von Ausbildungsnachweisen erleichtert.

Geplant ist u.a. außerdem die Erweiterung digitaler Lernplattformen, um Auszubildende, Ausbilder und Berufsschulen zu vernetzen.

Digitalisierung bei der Ausbildung Digitalisierung bei der Ausbildung ©Zentralverband Friseurhandwerk

Wir brauchen Fachkräfte!

Mehr Meister statt Master Mehr Meister statt Master ©FMFM

Das Nachwuchsdilemma brennt dem Friseurhandwerk wirklich unter den Nägeln! „Wir brauchen mehr Meister als Master“, stellte ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer in seiner Begrüßungsrede in Frankfurt fest. Zuvor hatte bereits Bernd Ehinger, HWK-Präsident Frankfurt Rhein/Main, darauf hingewiesen, dass eine Gleichstellung der akademischen und beruflichen Ausbildung zwingend notwendig sei, um die Schieflage des Handwerk-Images wieder gerade zu rücken. Eltern wollen, dass ihre Kinder studieren und keine Ausbildung machen, wobei nicht alle Abiturienten sich zum Studium eignen. Jedenfalls lassen 50 % Studienabbrüche diesen Schluss zu.

Karrierechancen ausbauen

Außerdem wird der Zentralverband weiterhin von der Bundesregierung einfordern, die berufliche und akademische Bildung auch finanziell endlich vergleichbar zu unterstützen. „Den vielen Worten müssen nun endlich auch mal Taten folgen“, klagt Harald Esser. Er selbst werde sich weiterhin dafür einsetzen, die Karrierechancen im Friseurhandwerk aktiv auszubauen. Der Tenor für angehende Azubis und vor allem für die Eltern muss lauten: „Du kannst im Friseurhandwerk alles erreichen!“

Beim Studiengang „Beauty-Management“ (B.A.) gehe es Esser nicht darum, neben den vielen Bachelors in anderen Berufen auch noch einen in der Friseurbranche zu installieren, sondern Aufstiegschancen innerhalb des Friseurberufs herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang sei auch ein weiterer Bildungsgang als „TV-Medienberater“ oder „TV-Stylist“ in Planung. „Wir müssen die Herzen modebegeisterer Jugendlicher und vor allem deren Eltern erreichen“, so der ZV-Präsident.

In sich selbst zu investieren, zahlt sich immer aus!

Faires Handwerksrecht

Ausnahmepraxis Barbershop - heiß diskutiert in Frankfurt Ausnahmepraxis Barbershop – heiß diskutiert in Frankfurt ©FMFM

Die neue Mindestausbildungsvergütung wird beim ZV bekanntlich nicht begrüßt. Daraus machten sowohl Harald Esser als auch Gastredner und ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer keinen Hehl: Es sei zu befürchten, dass mit diesem neuen Gesetz deutlich weniger Betriebe bereit seien auszubilden. Außerdem müsse die Tarifautonomie der Tarifpartner unbedingt gewahrt bleiben.

„Handwerksrecht muss fair für alle angewendet werden!“ Damit sprach Harald Esser in Frankfurt den anwesenden Mitgliedern erneut aus der Seele. Vor allem das umstrittene Thema „Ausnahmepraxis Barbershop“ liegt rechtschaffenen Salonbetreibern derzeit bekanntlich schwer im Magen und ist vielen ein Dorn im Auge. Zur Ausführung dieses aktuellen rechtlichen Themas konnte in Frankfurt ZDH Justiziar Klaus Schmitz gewonnen werden und führte die Delegierten des Deutschen Friseurhandwerks tiefer in die Materie ein.

Erfolge verzeichnet der Ausschuss Wirtschaft und Soziales (Leitung Christian Kaiser) im gemeinsamen Kampf gegen Schwarzarbeit und Lohndumping. Auch hier hat der ZV die Weichen gestellt und Rahmenbedingungen geschaffen, die es den LIV und Innungen ermöglicht, vor Ort zu handeln. Positiv entwickelt hat sich auch die gemeinsame Initiative von DGB und UDH zur Bekämpfung der Soloselbstständigkeit und der damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen und sozialen Verwerfungen.

Außenwirkung Friseurhandwerk

Die Außendarstellung des Friseurhandwerks durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit obliegt dem Ausschuss Innovation und Kommunikation unter dem Vorsitz von Jan Kopatz. Schwerpunkte sind hier derzeit die Themen Mitgliederwerbung, ZV-Mode und Nachwuchsgewinnung. Innungsflyer unterstützen die direkte Ansprache von möglichen neuen Mitgliedern und werden von den Innungen positiv aufgenommen. Für die Nachwuchsgewinnung ist ein Imagetrailer in Planung sowie ein Projekt mit dem Arbeitstitel „Dein erster Tag“, bei dem Schülerinnen und Schüler mit einer Virtual Reality-Brille den Friseurberuf in 360 Grad erleben können.

Die aktuelle Trendkollektion sowie das Trendevent „Inspiration & Style“, das im Januar in Salzburg stattfand und 2020 für Hamburg geplant ist, kamen bei den Medien super an und haben für eine massive öffentliche Verbreitung gesorgt.

Back to 70s - die aktuelle Trendkollektion des ZV Back to 70s – die aktuelle Trendkollektion des ZV ©Zentralverband Friseurhandwerk

StyleCom mit HairGames 2019

In sich selbst zu investieren, zahlt sich immer aus!

Offiziell wurde in Frankfurt auch das neue Friseurevent StyleCom mit HairGames 2019 präsentiert, das am 9. und 10. November in Erfurt stattfinden wird und eher einem Hairfestival als einer klassischen Friseurmesse entsprechen soll. Somit haben die Deutschen Meisterschaften nach Nürnberg eine neue Heimat gefunden.

Regionale Leuchttürme

„Wir leben vom Engagement der Basis, daher steht für mich die Unterstützung des Ehrenamts an erster Stelle“, beteuerte Harald Esser ebenfalls in seinem Bericht. Bereits bisher wurden in dem Zusammenhang digitale Angebote an die LIV und Innungen geschickt, um Webauftritte abzustimmen und zu vernetzen. Fortgesetzt wird dieser Service für das Ehrenamt nun in einer digitalen webbasierenden Ehrenamtsakademie, die vor allem neu gewählten Funktionsträgern in den Innungen und Verbänden Hilfe und Orientierung bieten, aber auch mit klassischen Mitteln wie Flyern zur Mitgliedergewinnung und Obermeistertrainings die Arbeit vor Ort stützen soll.

Kritiker sollten mitmachen statt zerstören

Übrigens, dass am vergangenen Sonntag zeitgleich zur Mitgliederversammlung auch die Europawahl stattfand, kam einigen Rednern sehr zu Pass, so auch Hans-Peter Wollseifer, Präsident des Deutschen Handwerks (ZDH), der wie Harald Esser der Meinung ist, dass Europa immer mehr in eine Vertrauenskrise gerate, die zu unschönen Entwicklungen führe. Dabei verdiene der Europagedanke volle Unterstützung, so Esser, die EU sei allerdings unter Druck geraten, nationale Teilinteressen (Brexit) erschweren die Gemeinschaft und erleichtern das Wachsen von Misstrauen und populistischen Strömungen mit der Konsequenz, dass Demokratie zuweilen doch erheblich ins Wanken gerate.

Ähnliche Entwicklungen sieht der ZV-Präsident auch in der Friseurbranche. Werte und Regeln scheinen inzwischen doch eher relativierbar, persönliche wie systemische Anfeindungen gegenüber Verbänden, Innungen und deren Ehrenamtsträgern stünden mittlerweile auf der traurigen Tagesordnung. „Arroganz“, „völliges Versagen“ und „entrücktes Machtverhalten“ seien noch die harmlosesten öffentlich bezeugten Vorwürfe, so Esser.

„Ich bin vor vielen Jahren an die Spitze des Handwerks gewählt worden und weiß sehr wohl um die Schwierigkeiten und Herausforderungen, aber auch um die großen Chancen, die darin stecken und die wir mit vereinten Kräften nutzen, um die Zukunft zu gewinnen!“ Esser zeigt sich mit konstruktiven Kritikern absolut dialogbereit, fordert diese aber explizit auf, mitzumachen und sich demokratisch zur Wahl zu stellen. Denn schließlich hat Kritik an anderen bekanntlich noch keinem die eigene Leistung erspart.

„Der Zentralverband steht für klassische, am Markt aktive Innungsfriseure, die Arbeitsplätze sichern und schaffen, qualifiziert ausbilden, eine hohe Dienstleistungsqualität haben und engagierte Standards setzen“, beschließt der Präsident seine politische Rede.

ZV-Präsident Harald Esser (2. v.l.) erhält von Hans-Peter Wollseifer (Präsident ZDH) das Handwerkszeichen in Gold ZV-Präsident Harald Esser (2. v.l.) erhält von Hans-Peter Wollseifer (Präsident ZDH) das Handwerkszeichen in Gold ©Zentralverband Friseurhandwerk