„Quereinsteiger bieten das größte Mitarbeiterpotenzial der Branche“

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Paul Hoffmann Productions GmbH
Axel Meininghaus ist der Meinung, dass Ausbildung viel attraktiver werden muss. Er sagt: "Die derzeitige Friseurausbildung enttäuscht und verdirbt die Faszination, die unser Schönheitsberuf an sich hat!"
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Axel Meininghaus ist der Meinung, dass Ausbildung viel attraktiver werden muss. Er sagt: "Die derzeitige Friseurausbildung enttäuscht und verdirbt die Faszination, die unser Schönheitsberuf an sich hat!"

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Axel Meininghaus einen Branchenkenner zu nennen, ist untertrieben. Im fränkischen Forchheim leitet er die seit zwei Generationen gewachsene „Meininghaus Akademie der Friseure“, die nach eigenen Angaben größte unabhängige Friseurschule im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus eröffnete er gemeinsam mit seinen Neffen drei Salons, und seine Meinung hat im Friseurhandwerk seit Jahrzehnten Gewicht. Der FMFM-Redaktion ist zu Ohren gekommen, dass Axel Meininghaus den Zenit des Mitarbeitermangels überwunden sieht. Grund genug, beim Branchenprofi mal genau nachzuhaken.

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Herr Meininghaus, wie schätzen Sie die aktuelle Mitarbeitersituation in der Friseurbranche ein? Denken Sie tatsächlich, die Situation entspannt sich?

Sie entspannt sich nicht, sondern sie hätte das Potenzial zur Entspannung. Und zwar dann, wenn in viel größerem Maße in systematische, lückenlose Ausbildung investiert würde. Um die zu gewährleisten, gibt es unterschiedliche Wege: Entweder man bietet sie als Betrieb selbst oder aber in Kooperation mit professioneller Hilfe. Denn die Situation entspannt sich nur dort, wo Ausbildung attraktiv ist und bleibt. Und genau das ist derzeit in der Breite offensichtlich zu wenig der Fall.

„Wo Ausbildung attraktiv ist, gibt es keinen Mitarbeitermangel“

Was bedeutet denn „attraktive Ausbildung“ konkret?

Wie gesagt, Ausbildung muss lückenlos sein, darüber hinaus nachhaltig. Beides ist nur in Ausnahmefällen gewährleistet. Die Auszubildenden und Umschüler müssen schnell an eigene Kunden kommen, z. B. über eine günstigere Preisschiene, und ihre Karriere gefördert sehen. Dort, wo das wirklich praktiziert wird, gibt es gar kein Mitarbeiterproblem. Betriebe, die derart richtig in Ausbildung investieren, haben heute keinen anderen Mitarbeitermangel als die natürliche Fluktuation, die es nun mal immer gibt.

Ich muss betonen, attraktive Ausbildung gibt es derzeit leider nur in Einzelfällen. Zum einen natürlich in unserer eigenen Akademie-Ausbildung, weil die wie ein Studium abläuft: mit ununterbrochener Ausbildung und praktischer Umsetzung an vielen (Modell-)Kunden. Nichts motiviert stärker als das positive Feedback dieser (Modell-)Kunden oder der Ausbilder. Ich kenne aber durchaus auch einzelne Friseurunternehmen, allerdings allesamt größere Betriebe, die attraktive Ausbildung mit betreuter Arbeit an (Modell-)Kunden in Eigeninitiative selbst anbieten. Viele kleine Betriebe glauben nicht mehr an Ausbildung, weil ihnen die nötigen Investitionen zu teuer oder sinnlos erscheinen. Der dramatische Motivationsverlust dieser Ausbilder muss vermieden werden, damit nicht derart viele Azubis ihre Ausbildung abbrechen. Ich spreche hier von den enormen Verlusten zwischen dem 1. Lehrjahr und der Gesellenprüfung. Besonders die Quereinsteiger müssen oft die Zähne zusammenbeißen, um sich ihre Motivation bis zur Gesellenprüfung zu erhalten. Die derzeitige Friseurausbildung enttäuscht und verdirbt die Faszination, die unser Schönheitsberuf an sich hat!

Aber woher denn Azubis nehmen, wenn der Markt keine hergibt? In welchen Gruppen sehen Sie Potenzial?

Konkret sind das zwei Gruppen:

1. Weibliche Migranten: Es sind die Frauen mit Migrationshintergrund, die hierbleiben und arbeiten wollen, und der Friseurberuf hat eine niedrige Eintrittsschwelle in unseren Arbeitsmarkt. Die Männer fallen zum großen Teil als nachhaltige Mitarbeiter aus, weil zur Zeit noch fast alle die schnelle Selbstständigkeit anstreben.

2. Quereinsteiger/Umschüler: Das sind Menschen aus Büroberufen, deren Jobs durch die Digitalisierung teils wegfallen, teils unattraktiv sind. Sie haben das vielversprechendste Potenzial, um die fehlenden jungen Lehrlinge zu ersetzen.

„Lasst die Quereinsteiger an die Kundschaft ran – und zwar von Anfang an!“

Wirklich? Quereinsteiger*innen? Gibt es davon denn überhaupt zahlenmäßig genug? Und eignen diese sich denn tatsächlich für den Friseurberuf?

Alle, die umschulen wollen und aus ihren Vorberufen gewohnt sind, mit Menschen umzugehen, sind allein schon aus diesem Grund sehr gut qualifiziert. Darunter gibt es eine beträchtliche Anzahl von Personen, die ursprünglich Friseur oder Friseurin werden wollten, es sich aber zunächst ausreden ließen. Sie sind sehr begeisterungsfähig, wenn sie darauf vertrauen können, dass sie perfekt ausgebildet werden und schnell an Kunden kommen, an denen sie dann auch wirklich arbeiten dürfen. Genau das ist es, was Ausbildung leisten muss. Sei sie nun dual oder auch nicht. Wobei die Bundesländer, die für erwachsene Umschüler über 40 auf der Berufsschulpflicht bestehen, den Sinn überdenken sollten.

Zu den Zahlen: Wir haben in der Akademie etwa gleich viele überwiegend weibliche erwachsene Umschüler wie junge Lehrlinge. Diese Erwachsenen, die ihren vorherigen Beruf hinter sich gelassen haben, sind entschlossen, lernen ungeheuer schnell und treten nach wenigen Monaten wie „alte Salonhasen“ auf, wenn man sie von Beginn an „ran lässt“. Diesen Menschen muss man unbedingt den sofortigen Zugang in unseren Beruf erleichtern, den sie von Beginn an auch als „schön“ erleben müssen, dann ist ihre Begeisterung sehr nachhaltig!

Auch wenn es nach Eigenlob klingt: Es ist unserer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte zuzuschreiben, wenn unsere Quereinsteiger nach einem Intensivkurs innerhalb weniger Monate gleich alle Basics der dreijährigen Ausbildung gelernt haben und schon viele Kunden selbstständig bedienen. Die Akademie-Ausbildung für diese Menschen ist eine Investition, die sich schon nach wenigen Monaten anschließender Salonarbeit amortisiert.

„Wer nicht mehr an die Ausbildung glaubt, wird auch keine Fachkräfte mehr finden“

Das heißt aber, die wenigsten Chef*innen können aufatmen. Für die Mehrheit der Salons ist Mitarbeitermangel immer noch Thema, richtig?

Aufatmen können alle die, die ihre Ausbildungsbemühungen auf diese andere Basis gestellt haben und die in Ausbildung langfristig investieren. Die bekommen ihre Fachkräfte. Leer ausgehen werden auf jeden Fall die, die selbst nicht mehr ausbilden möchten. Denn wem das zu teuer oder zu mühsam ist, der hat aufgegeben.

In welche Salons möchten die Fachkräfte von morgen denn?

In Salons, in denen sie so bald wie möglich eigene Kunden bedienen dürfen. Salons mit sehr positiver Grundstimmung, und bitte nicht zu klein. Die Atmosphäre ist wichtiger als früher!

Oder möchte die Mehrzahl sich doch lieber selbstständig machen?

Klar, es ist schon eine beträchtliche Anzahl, deren Ziel die Selbstständigkeit ist. Zusammen mit den erwähnten männlichen Migranten sind es über 50 Prozent unserer Quereinsteiger-Absolventen, weil viele in der Verwandtschaft Betriebe haben, die sie irgendwann übernehmen können.

Wie ist denn die Situation in Ihren Salons? Haben Sie denn gar nichts von Mitarbeitermangel gespürt? Und läuft die Ausbildung dort in der Praxis tatsächlich so ideal ab?

Tatsächlich hatten die drei Meininghaus-Salons meiner beiden Neffen seit ihrer Gründung vor 20 Jahren noch nie Mitarbeitermangel – bis heute nicht. Wir haben diese Salons von Anfang an so konzipiert, dass die Salonbetreibe ein Live-Vorbild haben für eine erfolgreiche Ausbildungskooperation mit einer Akademie. Alle Lehrlinge und Umschüler dieser Salons haben zuerst das „HairStylist-Programm“ durchlaufen. Wann immer sie das Bedürfnis haben, dürfen sie wieder für eine Woche in die Akademie, um sich in bestimmten Themen fit zu machen und um die Gesellenprüfungen konzentriert vorbereiten zu können. Wir sind völlig problemlos durch die letzten Krisenjahre gekommen, nur der Lockdown während der Corona-Pandemie hat Geld gekostet.

Und wie ist die aktuelle Lage in Ihrer Akademie? Welche Kurse werden derzeit verstärkt gebucht, welche weniger?

Unsere klassischen großen Kurse mit einer Dauer von drei bis sechs Monaten, also die komplette Akademielehre, wird nach wie vor stabil gebucht. Diese buchen und bezahlen viele Teilnehmende bzw. deren Eltern selbst, nur selten übernimmt das der Ausbildungsbetrieb. Die Seminare für Einzelthemen, die überwiegend von den Betrieben für ihre Mitarbeitenden gebucht und bezahlt werden, schwächeln etwas, und das ist typisch für die derzeit geringe Investitionsbereitschaft: Wenn die Mitarbeitenden auf Schulung sind, statt im Betrieb, steht logischerweise dort weniger Personal zur Verfügung. Abwesenheit bedeutet also erstmal Umsatzverlust. Wir reagieren darauf und bieten aus diesem Grund jetzt auch verstärkt Salonschulungen (1-2 Tage) an.

„Die Friseurausbildung braucht Sonderfreiheiten im dualen System“

Okay, die Akademie Meininghaus reagiert also, wie muss denn die Branche im Gesamten reagieren? Was muss geleistet werden, um die Friseurausbildung für die Zukunft zu rüsten?

Wir müssen das Schrumpfen verhindern! Die Friseurausbildung braucht dafür aber Sonderfreiheiten im dualen System. Und zwar, weil wir am Menschen arbeiten – wie Kosmetiker, Physiotherapeuten und Zahnärzte – und nicht an Werkstücken aus Holz oder Metall. Andernfalls wird die nötige Professionalisierung in der Breite nicht stattfinden, und der Trend zu Mini-Läden oder Einzelkämpfern wird weiter gehen. Diesen „Schuss“ haben auch alle Offiziellen gehört. Haupthindernis ist die Finanzierung einer attraktiven und modernen Ausbildung. Hier denke ich nicht nur an die Betriebe selbst, die Arbeitsagenturen und Jobcenter, sondern auch an mehr Unterstützung durch die Lieferindustrie.

Wird geleistet, was sich Berufsinteressierte von Ausbildung erwarten, wird auch das Friseurhandwerk eine gute Zukunft haben. Genau so wie es Zukunftsforschende den „emotionalen“ Berufen in einer technologisierten Umwelt voraussagen!

Herr Meininghaus, herzlichen Dank für Ihre Einschätzung und das interessante Interview.