Welpenschutz oder Bootcamp? Die Generation Z erfolgreich ausbilden

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Anders ausbilden. Stefanie Ehrich über ihre Strategien für die Generation Z
Foto: VIP Victor Ibrahim
Anders ausbilden. Stefanie Ehrich über ihre Strategien für die Generation Z

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Ihr Kinderlein kommet... Ganz soweit sind wir im September zwar noch nicht. Aber fast! Tausende junge Menschen starten in diesem Monat ihre Friseurausbildung. Für viele Betriebe beginnt damit die Zeit der Hoffnung, des Bangens und der mit einem ordentlichen Batzen Arbeit. Denn geländegängig sind die Vertreter der Generation Z nicht gerade! Oder etwa doch? Friseurunternehmerin Stefanie Ehrich darüber, wie sie diese frischen Nüsse erfolgreich knackt.

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Wir alle brauchen dringend Nachwuchs. Kein Wunder also, dass jeder Ausbildungsvertrag das Sinnbild von Hoffnung und Chance ist. Weil er aber eben auch nur eine Chance ist, beginnt damit das Bangen: Ca. 50% aller Ausbildungsverträge werden leider vor Ende der Lehrzeit aufgekündigt. Eine traurige und bedrückende Zahl. Ich bilde in meinem Salon seit eh und je aus. Zu meiner eigenen Ausbildungszeit (und auch lange danach) war es für Azubis keine wirkliche Option, eine Lehre zu schmeißen. Heute sieht das anders aus. Stellenweise haben wir in den Innungen sogar schon Anti-Hopping-Komitees. Die Zeiten haben sich eben geändert. Irgendwann hatte auch ich meine erste Auszubildende, die die Ausbildung bei mir vorzeitig beendet hat. Dann kam die 2., es folgte die 3. – und mit ihrem Weggang kamen für mich die großen Selbstzweifel. Auf der Suche nach dem Warum fand ich eine riesige Erkenntnis: Ich bin älter geworden. Ich gehöre mittlerweile zu einer anderen Generation. Zwischen uns liegen unterschiedliche Werte, Arbeits- und Lebenseinstellungen. Diese Erkenntnis war schmerzhaft und heilsam zugleich. Zuerst musste ich meinen Frieden damit finden. Danach begann ich, neue Strategien zu entwickeln, um die Generation Z erfolgreich ausbilden zu können. Denn genau diese Generation schwemmt gerade auf den Markt und sorgt für so einigen Trubel.

Wer sind die neuen Azubis?

Sie sind die Kinder von den ersten richtigen Helikoptereltern. Sie wurden gefahren, betüttelt, aus jeder Situation gerettet. Konflikte hat Mama gelöst. Die schlechten Zensuren in der Schule lagen ausschließlich am Lehrer; zur Not hat man die bessere Benotung anwaltlich eingefordert. Dass Lehrer nichts zu sagen haben, hat Papa ihnen schnell beigebracht. Und Mama hat geschaut, dass das Nachmittagsprogramm durchgeplant ist und eingehalten wird. Im Grunde hatte die Generation Z in der Schulzeit nichts auszustehen. Wenn da nur nicht die große Frage nach der Berufswahl wäre. Mama sagt ja immer, dass man sich etwas aussuchen soll, was einen glücklich macht. Papa betont ja auch immer, dass sie alles machen können, was sie wollen. So weit, so weichgespült. Natürlich ist das jetzt ziemlich doll runtergebrochen, veranschaulicht aber sehr stark, warum es so schwer für diese jungen Menschen ist, tatsächlich etwas durchzuziehen.

Die Qual der Wahl

Ich vergleiche das Ausbildungsangebot gerne mit einem Supermarkt. Je größer der Markt, desto unsicherer werden wir bei der Auswahl unserer Lebensmittel. Wenn man Ketchup braucht, kann es sehr lähmend sein, wenn man sich zwischen 50 verschiedenen Varianten entscheiden soll. Was ist denn nun der richtige? Alles machen zu können, lässt immer den Beigeschmack übrig, dass man sich eventuell für das Falsche entschieden haben könnte. Was, wenn die andere Ausbildung oder der andere Ausbildungsbetrieb vielleicht besser ist? Was, wenn einen etwas Anderes doch glücklicher machen könnte? Spätestens, wenn die ersten Konflikte mit dem Ausbilder da sind, kommen auch die ersten Zweifel auf. Da diese jungen Menschen nicht gelernt haben, Konflikte zu lösen, igeln sie sich gerne ein und schieben Frust. Auf einmal müssen sie tatsächlich eigenverantwortlich arbeiten. Niemand räumt hinter ihnen auf. Es bleibt kaum noch Zeit für Familie und Freunde. Und zu guter letzt macht man nur „doofe“ Aufgaben. Am liebsten wollen sie schon in der ersten Woche Haare schneiden. Stattdessen lernt man Haare waschen. Sehr ungleich verteilt in ihren Augen. Als Ausbilder mag man jetzt den Kopf schütteln. Als Auszubildender fühlt man sich jetzt veralbert. Stimmt’s?

Was hilft gegen Frust – für beide?

Tatsächlich würde Verständnis helfen. Nur weil sie anders sind, sind sie nicht schlecht. Sie brauchen nur andere Hilfestellungen. Unsere Lehrlinge sind schlechter organisiert? Dann bekommen sie eine Plan mit Aufgaben und klar definierten Ausbildungszielen. Unsere Lehrlinge fühlen sich nicht verantwortlich? Dann sollten wir es nicht mehr von ihnen erwarten, sondern sie dahingehend erziehen. Unsere Auszubilden sind unsicher, ob sie das Richtige tun? Dann sollten wir sie ständig bestätigen und loben. Unsere Lehrlinge sind ausgepowert und überlastet? Dann sollten wir verschiedene Möglichkeiten zur Arbeitszeitgestaltung anbieten. Ich bin allerdings absolut dagegen, ihnen alles durchgehen zu lassen. Nur weil wir wenig Nachwuchs generieren, heißt es ja nicht, dass sie selbst entscheiden, wie sie ausgebildet werden sollten.

Wir waren alle mal „unmöglich“

Wir haben mittlerweile ein ausgeklügeltes Ausbildungskonzept erstellt. Unsere Lehrlinge haben regelmäßige Besprechungen, in denen wir gemeinsam die nächsten Ausbildungsziele definieren, planen und überprüfen. Wir haben verschiedene Ausbildungsangebote, die für das kommende Jahr voll durchgeplant sind. Struktur und sichtbare Lernerfolge, Anerkennung und Achtung ihrer Freizeit ist der neuen Generation Z sehr wichtig. Ist man respektvoll, kann man auch streng sein. Mein Tipp: Liebevoll geführt, aber an der kürzeren Leine. Am wichtigsten finde ich jedoch, dass keine der beiden Seiten vorverurteilt. Ein kleiner Rückblick: Auch wir Ausbilder waren mal die unmöglichen Kinder und Azubis, die alles besser wussten, nie hören konnten und so ganz andere Entscheidungen gefällt haben, als sich unsere Eltern und Ausbilder gewünscht haben. Auch aus uns ist was Tolles geworden! Wir sollten vertrauen, offen, liebevoll und konsequent sein. Dann ist die Chance größer, dass aus dem Hoffen, Bangen und der harten Arbeit, ein/e neue/r grandiose/r Friseur rauskommt.

Ich wünsche allen Ausbildungsbetrieben ganz viel Spaß und Elan beim Start mit und für ihre Welpen im Friseurhandwerk.

Eure Stefanie Ehrich

 

Ihr möchtet mehr über die Gedanken von Stefanie Ehrich erfahren? Dann hört in ihren Podcast „Meersicht – das Leben zwischen Kamm und Schere“ rein. Dort spricht sie mit ihrem Partner André über die (Friseur-)Themen, die bewegen.

Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?“