„Wir brauchen eine starke, uns alle verbindende Lobby!“

FMFM -mut-Site Mandy
Mandy van den Bosch-Macri hält nichts von Einzelkämpfertum.
Thommy Maro
Mandy van den Bosch-Macri hält nichts von Einzelkämpfertum.

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Gemeinsam stärker! Mandy van den Bosch-Macri ist seit Jahrzehnten eine feste Größe unter den erfolgreichsten Branchenteilnehmer*innen Deutschlands. Als gefragte Akteurin steht sie auf den ganz großen Bühnen und als Unternehmerin führt sie gemeinsam mit ihrem Mann Pietro Macri den renommierten Salon "PAM Hair Design" sowie das Schulungszentrum "PAM College". Läuft bei ihr. Warum ihr die Gemeinschaft der Branche trotzdem so wichtig ist, wie die junge Friseur-Generation mit ins Boot geholt werden könnte und warum die seelische Gesundheit von Berufskolleg*innen zu unseren bedeutendsten Aufgaben gehört, hat Mandy FMFM-Autorin Daniela Hamburger im sehr persönlichen Interview erzählt.

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PAM Hairstyle spielt in der ersten Liga der deutschen Friseursalons, Du stehst als Redken-Akteurin auf internationalen Bühnen. Eigentlich bräuchtest Du Dir um Euren Erfolg keine Sorgen zu machen. Warum vertrittst Du trotzdem die Meinung, dass die Friseurbranche angesichts der derzeitigen Herausforderungen enger zusammenstehen sollte?

Weil Friseur*in einfach einer der schönsten Berufe der Welt ist – mit so viel mehr Potenzial, als nur Haare zu schneiden. In vielen anderen Ländern erfährt unser Handwerk deutlich mehr Wertschätzung – sowohl ideell als auch wirtschaftlich. Sehr gut ausgebildete Friseur*innen haben dort einen anderen Status und erzielen andere Preise. Davon sind wir in Deutschland, aber auch in Österreich oder der Schweiz, oft noch weit entfernt.

Natürlich setzen wir uns seit Jahren gegen Schwarzarbeit und sogenannte Hobbyfriseur*innen ein. Aber das allein reicht nicht. Ich bin überzeugt: Wir können mehr aus unserem Beruf machen – als Unternehmer*innen, als Kreative, als Ausbilder*innen. Aber das funktioniert nur, wenn wir aufhören, Einzelkämpfer*innen zu sein.

Was mir wirklich fehlt, ist eine starke, verbindende Lobby – eine Plattform, die uns nicht nur bei Wettbewerben oder Shows zusammenbringt, sondern uns auch politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich sichtbar macht. Es gibt tolle Netzwerke wie die Intercoiffure oder den Club der Besten aber wir bräuchten noch mehr Strukturen, in denen wir als Branche gemeinsam auftreten können.

Die öffentliche Wahrnehmung unseres Berufs wird maßgeblich von denjenigen geprägt, die eine Stimme haben. Deshalb sehe ich es auch als meine Verantwortung – als Unternehmerin, Ausbilderin, Mentorin und Akteurin – diese Stimme zu nutzen: für unseren Beruf, unsere erfolgreiche Zukunft und unsere gemeinsame Stärke im Image und Qualität.

„Dringend über den Tellerrand hinausschauen“

Wie kann dieses Zusammenstehen konkret aussehen? Wo und wie soll Austausch stattfinden?

Ich gebe ganz offen zu: Ich bin keine Politikerin und kann keine klaren Antworten auf Fragen zu Vereinsstrukturen oder Branchenpolitik geben. Aber ich sehe jeden Tag, wie unterschiedlich unsere Branche aufgestellt ist – vom Ein-Mann- oder Ein-Frau-Salon bis zu Unternehmen, die über 800.000 € Jahresumsatz machen. Diese Schere ist riesig – und genau das macht es so schwer, uns unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln.

Trotzdem glaube ich: Wir müssen dringend über unseren Tellerrand hinausschauen. Und vielleicht mal schauen, was andere Branchen geschafft haben. Die Gastronomie ist für mich ein gutes Beispiel. Köche galten früher oft als Hilfskräfte – heute sind viele von ihnen Fernsehstars mit echter Strahlkraft und gesellschaftlichem Einfluss. Gleichzeitig haben sie es geschafft, politisch gehört zu werden – etwa mit dem Ruf nach 7 % Mehrwertsteuer auf ihre extrem personalintensiven Dienstleistungen. Also genau wie bei uns.

Warum also nicht überlegen, was sich davon auf unsere Branche übertragen lässt? Wie können wir es schaffen, als kreative Unternehmer*innen gesehen zu werden – und nicht nur als Dienstleister*innen?

Dafür braucht es eine starke Struktur – sei es eine moderne Handwerkskammer, eine reformierte Innung oder vielleicht sogar etwas ganz Neues, das gezielt Vernetzung, Austausch und gemeinsame Interessen bündelt.

Vielleicht brauchen wir eine Friseur-Partei? – Kleiner Scherz!

Aber im Ernst: Ohne eine verbindende Instanz, die alle Ebenen der Branche miteinander verknüpft, verpuffen viele gute Ideen im Kleinen.

„Wir müssen Unterschiede anerkennen, ohne uns voneinander zu entfernen“

Und wie kann gemeinsames Wachstum gelingen?

Gemeinsam wachsen heißt für mich: Wissen teilen, sich gegenseitig stärken, Unterschiede anerkennen,  ohne uns voneinander zu entfernen. Ich glaube fest daran, dass unsere Branche sehr viel mehr erreichen kann, wenn wir beginnen, uns wirklich als Community zu begreifen.

„Teilen ist kein Verlust, sondern ein Gewinn“

Ist ein Vernetzen nicht ein „Einweihen“ der Konkurrenz in Erfolgsrezepte? Wie können erfolgreiche Unternehmen wie Ihr davon profitieren?

Ganz ehrlich – selbst wenn man sein Erfolgsrezept offenlegt, lässt sich nicht alles einfach kopieren. Erfolg ist nichts Statisches, sondern ein Prozess: Man fällt, steht wieder auf, probiert Neues aus, scheitert, lernt und wächst. Genau so sind auch wir unseren Weg gegangen. Was bei uns funktioniert, basiert auf Persönlichkeit, Erfahrung, Unternehmenskultur – das kann man nicht eins zu eins übertragen.

Trotzdem finde ich: Teilen ist kein Verlust, sondern ein Gewinn. In unserer Branche war Inspiration schon immer ein Schlüssel – ob auf Messen, bei Shows oder im kollegialen Austausch. Wir alle leben von Ideen, die uns weiterbringen. Und genau deshalb profitieren auch erfolgreiche Unternehmen vom Input der Branche. Weil neue Impulse, Gedanken oder Perspektiven uns anregen, weiterzudenken, besser zu werden, den nächsten Schritt zu gehen.

Das ist nicht nur ein Grundsatz unseres Salons, sondern auch Teil unserer Philosophie als Team: Wir glauben daran, dass man nur wachsen kann, wenn man offen bleibt – für Austausch, für Veränderung, für die Energie der Gemeinschaft. Und das wünsche ich mir auch für die Branche insgesamt.

Oder um es mit einem meiner Lieblingszitate zu sagen: „Wer das Höchste anstrebt, wird wenigstens das Hohe erreichen.“

„Dass die jungen Gesichter fehlen, muss uns zu denken geben“

Was braucht die Branche, um enger zusammenzuwachsen: große „Familientreffen“ wie die Top Hair? Kleinere, engere Netzwerke wie sie auf Regionalmessen wie z. B. der ISMMA gefördert werden? Oder doch eher Communities auf Social Media?

Ich glaube, wir brauchen alles: den persönlichen Austausch – und eine stärkere, durchdachte Präsenz in der digitalen Welt. Seminare, Events, Messen – all das bleibt unverzichtbar. Denn der direkte Austausch mit Kolleg*innen, das persönliche Gespräch in der Pause oder am Rande einer Veranstaltung – das sind oft die Momente, in denen echte Impulse entstehen. Nicht selten motiviert einen genau dieser Austausch, Dinge im eigenen Salon oder im eigenen Denken wirklich zu verändern.

Formate wie die Top Hair, die ISMMA oder gute Seminarreihen haben da einen ganz besonderen Wert. Aber ich sehe auch: Unsere junge Generation fehlt dort oft. Auf den großen Messen und Fachveranstaltungen – da sehen wir viele bekannte Gesichter, aber kaum junge. Und genau das muss uns zu denken geben. Denn wir wissen, wie wichtig es wäre, sie frühzeitig in unsere Netzwerke, in unser Denken, in unsere Leidenschaft für diesen Beruf einzubinden.

Wertvolle digitale Inhalte und persönlicher Kontakt

Wie kommen wir denn dann an die junge Friseur-Generation dran?

Auf Social Media – TikTok, Instagram & Co. – ist die junge Friseur-Generation sehr aktiv. Nur erreichen wir sie dort oft nicht mit fundiertem Content, sondern eher über Unterhaltung. Ich stelle mir schon länger die Frage: Wie schaffen wir es, über diese Kanäle nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch echte Weiterentwicklung anzustoßen? Denn witzige Clips und trendige Inhalte reichen nicht, um junge Talente nachhaltig zu inspirieren oder gar zu halten. Wir brauchen Formate, die in ihrer Sprache sprechen, aber mit echter inhaltlicher Tiefe. Formate, die nicht nur unterhalten, sondern auch entwickeln.

Ich habe darauf noch keine perfekte Antwort – ich bin ja auch „nur“ eine nachdenkliche Friseurin, keine Medienstrategin. Aber ich bin sicher: Wir brauchen Impulse von außen, wir müssen dringend neue Wege gehen. Vielleicht gemeinsam mit starken Influencer*innen aus der Branche. Vielleicht im Schulterschluss mit Plattformen, die junge Menschen dort abholen, wo sie gerade stehen – digital, schnell, visuell. Und gleichzeitig dürfen wir den persönlichen Kontakt nicht verlieren. Denn echte Begeisterung für diesen Beruf entsteht oft nicht auf dem Bildschirm, sondern im Gespräch, im Tun, im Erleben.

Was klar ist: Wir müssen aktiv werden, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen – und das nicht erst in fünf Jahren. Wir brauchen mehr Mut, unsere Inhalte neu zu denken – nicht einfacher, aber zugänglicher. Und wir brauchen Unterstützung: aus der Branche, von Medienpartnern, von digitalen Expert*innen. Denn wenn wir die junge Generation nicht mitnehmen, verlieren wir nicht nur potenzielle Mitarbeitende – wir verlieren die Zukunft unseres Handwerks.

Nicht nur fachlich voneinander lernen, sondern sich auch seelisch gegenseitig stützen

Für Dich persönlich spielt der Glaube eine große Rolle, in Deinen Instagram-Posts zeigst Du Dich sehr dankbar und positiv. Hat Deine schwere Erkrankung vor über zehn Jahren Deine Lebenseinstellung verändert? Und trägt dieses Mindset zu dem Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit bei?

Dankbar und positiv war ich tatsächlich schon vor meiner Erkrankung. Ich bin dankbar, dass ich mit 17 Jahren die Chance bekam, aus einem System – der DDR – auszubrechen, das meine Freiheit und Selbstbestimmung begrenzt hat. Ich durfte nach dem Systemwechsel meinen Traumberuf frei wählen und gestalten – durch meine Leistung, mein Können, meine Leidenschaft. Dass ich heute da stehen darf, wo ich stehe, ist für mich nicht selbstverständlich.

Ich bin auch dankbar dafür, dass ich im Laufe meines Lebens so viele wundervolle Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen durfte, die mich inspiriert, gefördert und getragen haben. Natürlich hat meine Krebserkrankung vor über zehn Jahren diesen Blick auf das Leben noch mal intensiviert. Sie hat mich nicht verändert, aber sie hat mich noch klarer sehen lassen, wie kostbar jeder Moment ist – beruflich wie privat.

Mein Mindset war aber schon immer im Positiven und in der Liebe zur Schöpfung und zu Gott verankert – Gott sei Dank!

Und genau das ist auch ein Teil meiner Berufung: Friseurin zu sein. Kreativität, Empathie, die Lust am Gestalten und die Freude am Menschen – das alles gehört für mich zusammen.

Ich glaube sogar, dass viele Friseur*innen eine tief positive, lebensbejahende Grundhaltung in sich tragen. Denn wer diesen Beruf liebt, liebt es, anderen etwas Gutes zu tun. Und das ist für mich auch der Ursprung meines Wunsches nach mehr Gemeinschaft: Wir dürfen nicht nur auf Technik, Trends und Fachwissen schauen – wir müssen uns auch geistig und seelisch stärken.

Wenn jemand durch seinen Beruf müde oder ausgelaugt ist, dann ist es unsere gemeinsame Verantwortung als Branche, Räume zu schaffen, die nähren – sei es durch Seminare zur mentalen Gesundheit, durch ehrlichen Austausch oder einfach durch ein Miteinander, das trägt. Nur so bleiben wir nicht nur handwerklich, sondern auch menschlich stark.

Friseur*innen gestalten nicht nur Haare – sie berühren Menschen. Deshalb brauchen wir nicht nur Technik und Trends, sondern auch mentale Stärke, Dankbarkeit und Gemeinschaft.“

Nicht gegen Einzelunternehmer*innen schießen, sondern das Gesamtkonstrukt stärken

Was wünschst Du Dir für die Branche? 

Ich wünsche mir für unsere Branche echte Entwicklung und spürbare Unterstützung – auf eine Weise, die nicht nur innerhalb unserer Fachwelt ankommt, sondern auch beim Endverbraucher und in der Gesellschaft sichtbar wird. Vor allem im Image, in der Qualität unserer Arbeit und in der wirtschaftlichen Wertschätzung, die wir für unsere Leistungen erhalten.

Wie siehst Du die Zukunft der Friseurbranche?

Ich sehe riesige Chancen für die Zukunft! Vielleicht wird es eines Tages auch in unserer Branche eine klare Trennung geben wie in der Gastronomie: zwischen Systemanbietern und „Sternefriseur*innen“ – also hochqualifizierten, kreativen Köpfen mit eigener Handschrift. Aber ganz gleich, wie sich das entwickelt: Ich bin sicher, dass unser Beruf eine Zukunft hat. Denn ein guter Friseur, der mit Herz, Handwerk und Empathie arbeitet, wird niemals durch eine KI oder einen Roboter ersetzt werden können.

Wirkliche Risiken sehe ich eher im wirtschaftlichen Umfeld: Wenn Schwarzarbeit oder unfaire Rahmenbedingungen nicht entschlossen bekämpft werden, wird es für viele schwer, nachhaltig gute Preise durchzusetzen. Und ich spreche hier nicht gegen Einzelunternehmer*innen – im Gegenteil. Ich spreche für ein gesundes Gesamtkonstrukt, das unsere Branche als Ganzes stärkt.

Dazu braucht es funktionierende Strukturen: Vereinigungen, Innungen, Handwerkskammern – die nicht nur verwalten, sondern wirklich inspirierend, vernetzend und zukunftsorientiert arbeiten. Ich bin ein Optimist – und ja, auch eine Visionärin. Ich glaube daran, dass aus Worten Taten werden. Und aus Taten Veränderungen.

Ein Zitat, das mich persönlich begleitet – und das vielleicht auch auf unsere Branche passt – lautet:

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“

Wenn wir in unserer Branche anfangen, genau hinzusehen – bei den Gedanken, den Worten, den Taten – dann können wir gemeinsam Großes für uns wunderbaren Friseure bewegen.