4****-Bewertung. Aaaaaaber … der Preis! Ein Kommentar.

Gestern bekamen wir auf Google eine 4-Sterne-Bewertung mit folgendem Text:

„Top Bewertung mit Beigeschmack.

Vorweg: Irina ist eine außergewöhnlich gute Friseurin, sie schneidet extrem exakt und liest förmlich Kundenwünsche. Nun zum Beigeschmack und der Nachricht an das Management: Kürzlich wurden die Preise um knapp 13% bei Herrenschnitten erhöht, Begründung Inflation. Wird diese als Grund herangezogen, halte ich es für ungerechtfertigt, die Preise um knapp das Doppelte der aktuellen Inflation zu erhöhen. Zumal die Preise bereits zu Beginn der Pandemie um knapp 12% erhöht wurden, was nachzuvollziehen war. Mit dem Wegfall der staatlich verordneten Hygienemaßnahmen hätte diese Erhöhung jedoch zurückgenommen werden müssen, da sonst versteckte Preiserhöhung (das Überbleibsel in Form eines Desinfektionsspenders kann aus meiner Sicht nicht als aufrechterhaltendes Argument dienen). Zusammengenommen haben wir eine Preissteigerung von etwa 25% in 2 Jahren. Dies ist mit normaler Teuerungsrate kaum zu erklären…

Herr Funk, Ihre Kunden haben während der Pandemie nicht das Denken verlernt. Sie können als freier Unternehmer natürlich die Preise bestimmen, wie sie möchten, ich fühle mich als Kunde allerdings argumentativ verschaukelt und es scheint, als ob sie als Trittbrettfahrer auf der Preiswelle mitsurfen.“

Ich habe mich entschlossen, auf diesen Kunden-Kommentar ehrlich zu antworten. Warum? Weil das nicht nur eine Botschaft für diesen einen Kunden ist – sondern für alle, die seinen Kommentar lesen.

Lieber Herr XY,

vielen Dank für Ihre positive Bewertung. Insbesondere dafür, dass Sie die Leistung meiner Mitarbeiterin so schön würdigen. Das macht uns stolz! Nun zu den Preisen: Wir geben uns große Mühe, unsere Leistung, Qualität und unseren Service auf absolutem Topniveau zu halten. Dies ist aber nur mit Top-Mitarbeitern möglich. Diese Top-Mitarbeiter wollen und werden ein angemessenes Gehalt bekommen müssen, denn sonst werde ich Mitarbeiter an die Konkurrenz verlieren und keinen adäquaten Nachwuchs mehr bekommen!

Die Inflation gilt auch für meine Mitarbeiter und mich privat. Wir wollen von unserer Arbeit leben, nicht „nur“ überleben! Der Mindestlohn steigt ab dem nächsten Monat zwar auf 12€, doch meine Mitarbeiter haben diesen erbärmlichen Lohnfaktor schon seit Jahren nicht mehr nötig! Im Gegenteil: Ich habe ihren bisherigen Stundenlohn von 14€ kürzlich auf 16 € erhöht. Diesen Abstand muss ich halten, sonst können sich meine Mitarbeiter die Fahrt zur Arbeit ganz einfach nicht mehr leisten, denn auch ihre Kosten müssen sie decken! Zudem sind die Ausbildungsvergütungen in diesem Jahr enorm gestiegen. Ganz einfach deshalb, weil keiner mehr Auszubildende findet! Wir bilden jedes Jahr aus und haben aktuelle drei motivierte junge Menschen – auch das ist ein wichtiger Teil zu Erhaltung unserer Branche. Genau das haben wir so auf dem Aufsteller dargelegt, den wir als Kundeninformation aufgestellt haben. Entweder haben sie das nicht gelesen oder einfach nicht verstanden!?

Zum Thema Hygiene: Wir haben die aufwendigen Hygienemaßnahmen (bis auf das Tragen von Masken) einfach beibehalten. Jeder Kunde bekommt einen frischen Umhang, frische Handtücher und natürlich einen gereinigten und desinfizierten Platz zur Verfügung gestellt. Mein Team und ich testen uns mehrfach die Woche. Zusätzlich haben wir in die Renovierung unseres Salons investiert; nach 25 Jahren musste einfach ein neuer Fußboden her. Auch an anderen Stellen mussten wir aus- und nachbessern, und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen!

Herr XY, Sie haben die Wahl. Wir haben diese Wahl nicht. Entweder passen wir unsere Preise an die steigenden Kosten an, oder wir verringern unsere Qualität – auch auf der Mitarbeiterseite! Nur dann wird ihnen bei uns keine Frau Rabe mehr Ihre Wünsche von den Augen ablesen! Dass das für uns keine Option ist, sollte eigentlich klar sein. Wir würden uns wünschen, Sie würden einmal über ausreichende Löhne nachdenken und sich erkundigen, welche durchschnittlichen Gehälter in unserer Branche bezahlt werden.

Übrigens: Wir leisten zu 100% reine Handarbeit. Die Arbeitszeit ist also vor allem das, was die meisten Kosten verursacht – sicherlich ein Grund für die allgemeine miese Lohnsituation in unserem schönen „Handwerk“!

Wir danken für ihre Worte und wünschen uns ihre Wertschätzung.

Liebe Grüße, Christian Funk und das Team von Haarchitektur

Meine Erfahrung ist die: Wenn es mir gelingt, den Ball argumentativ gut zurückzuspielen, nützen mir solche kritischen Kundenbewertungen am Ende mehr als eine nichtssagende 5-Sterne-Bewertung. Warum? Weil ich nicht nur diesem einen Kunden mein Konzept darlegen kann, sondern auch den vielen anderen (potenziellen) Kund*innen, die sich die Rezension samt Antwort im Netz durchlesen. Da sind Neukunden fast garantiert:)

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