Die knackigste Preisliste der Welt: Stundenpreise als neues Erfolgskonzept?

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Zeit ist Geld: Und das neue Preiskonzept von Isabell Jäger beweist es.
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Zeit ist Geld: Und das neue Preiskonzept von Isabell Jäger beweist es.

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78 Euro pro Stunde. So lautet die wohl kürzeste Preisliste im Friseursalon. Was sich zunächst wie ein schräger Gag anhört, ist keiner! Friseurunternehmerin Isabell Jäger war die wenig lukrativen Pauschalpreise in ihrem Geschäft Le Hairoux in Maikammer satt. Seit kurzem rechnet die findige Saloninhaberin per Stunde ab. Wie funktioniert das Preiskonzept nach Parkuhrprinzip? Ist es eher Eintagsfliege oder Modell mit Zukunft? Und vor allem: Was sagen die Kund*innen? Ein spannendes Gespräch über einen innovativen Ansatz in der Preiskalkulation.

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Zu teuer? Zu billig? Angemessen oder überzogen? Die richtige Preisgestaltung ist für viele Salons eine komplizierte Sache. Dabei ist die passende Preisstrategie von enormer Bedeutung, weiß auch Isabell Jäger. Auf der Tafel neben ihrer Rezeption, die früher eine pauschale Preisübersicht der verschiedenen Leistungen zeigte, steht bei ihr jetzt nur noch eine Zahl – nämlich die ihres Stundenlohns! Sie zählt zu den Pionieren, die hierzulande bei der Preisfindung experimentieren und mit der Preisgestaltung nach Stunden plus Materialeinsatz vielleicht sogar den Heiligen Gral der richtigen Kostenkalkulation gefunden haben?

Die Preisgestaltung ist ja immer ein heiß diskutiertes Thema in der Branche. Wie kam es dazu, dass Du die Bezahlung nach Stunden und Materialeinsatz eingeführt hast?

Ich würde behaupten, dass meine Erfahrung (und das Coaching von Rock Your Salon) mich gelehrt hat, vernünftige Preise für meine Dienstleistung zu nehmen und mich nicht unter Wert zu verkaufen. Schließlich möchte ich ja von meinem Salonbusiness gut leben und nicht nur überleben. Ich habe mich spezialisiert, den Salon umgebaut und ein ganz neues Salonkonzept geschaffen. Dadurch bewege ich mich in einem anderen Preissegment, das die angebotene Qualität klar widerspiegeln sollte. Warum sollten wir nicht wie andere Handwerker nach Stunden bezahlt werden? Ich nehme jetzt 78 Euro pro Stunde, inklusive Waschen und Pflege. Schaut man sich die eigenen Betriebszahlen mal genauer an, wird jeder Salonunternehmer*innen schnell erkennen, dass Pauschalpreise tatsächlich kaum Gewinnmarge lassen für Altersvorsorge oder krankheitsbedingten längeren Ausfall. Zudem kann ich jetzt als Chefin meinen Mitarbeiter*innen ein angemessenes Gehalt zahlen, ohne selbst auf meinen Verdienst zu verzichten.

„Mein Handwerk erfährt so viel mehr Wertschätzung“

Isabell Jäger ist zufrieden mit ihrem neuen Preismodell. Isabell Jäger ist zufrieden mit ihrem neuen Preismodell.

Inwiefern sorgt diese Art der Preiskalkulation für mehr Transparenz und Übersicht?

Nehmen wir mal die Balayage – ein Trendstyle, der jetzt im Salon bei mir gerade extrem gut läuft. Hier muss ich bei der Kundin für ein tolles Ergebnis gleich drei Techniken anwenden. Das sind mitunter drei bis vier Stunden an Arbeit. Ein Service, der so detailliert auf keiner Preisliste steht und dementsprechend als Pauschalpreis für die Kundin kaum nachvollziehbar ist. Nach Stunden und Materialkosten aufgeschlüsselt, ist der Aufwand tatsächlich greifbarer für die Kundin. Auch für Friseur*innen ist diese Art der Preiskalkulation übersichtlicher, da man auf anfängliche Fragen nach der Höhe des Preises keine ungefähren Angaben mehr machen muss, sondern klar und präzise die Kosten kommunizieren kann.

Wie haben Deine Kund*innen auf das neue Preiskonzept reagiert?

Man könnte jetzt denken, die Kund*innen schauen permanent auf die Uhr. Aber das tun sie tatsächlich überhaupt nicht. Hier zahlt sich unser etabliertes Wohlfühl-Salonkonzept aus: So lehnen sich unsere Gäste nach 10 Minuten entspannt zurück und genießen den gebuchten Service. Zumal sie dank der übersichtlichen Preiskalkulation bereits vor dem Platznehmen wissen, welche Kosten sie am Ende des „Kurzurlaubs im Salon“ zahlen müssen. Bis jetzt haben wir auch nur positive Kommentare zum neuen Konzept erhalten. Auch weil sie wissen, dass die Mitarbeiter*innen durch die neue Regelung natürlich mehr verdienen. Auf dem Kassenbon steht übrigens nicht Stundenlohn, sondern Verwöhnzeit zusammen mit den Materialkosten. Klingt einfach schmeichelnder!

Könnte das neue Preiskonzept nicht auch zu Unmut bei den Kund*innen führen, sollten sie an eine „langsamere“ Friseurin geraten? Wie handhabt Ihr das bei Euch im Salon?

Ich habe meine Mitarbeiter*innen gut geschult, mit klaren Zeitangaben, die eingehalten werden müssen. Das liegt bei einem Herrenhaarschnitt beispielsweise bei 30 Minuten und bei den Damen bei einer Stunde oder mehr, je nach Leistung. Jeder Service hat sein Zeitlimit und das wissen alle im Team. Bei uns ist es auch noch so, dass wir mit einer 1:1 Kundenbetreuung arbeiten, also jedes Teammitglied kümmert sich immer nur um einen Gast. So müssen Kund*innen nicht auf ihre Behandlung warten und jede/r hat klar die Übersicht, wie viel Zeit der/die bestimmte Mitarbeiter*in mit dem Service am Haar verbracht hat. Es gibt also wirklich nichts, wo der/die Kund*in eventuell eine Benachteiligung erfahren könnte.

Du hast das neue Preiskonzept seit etwa drei Monaten. Welche Bilanz kannst Du bis jetzt ziehen?

Nach dieser ersten Testphase kann ich meine Entscheidung nur als richtig beurteilen. Unsere Kund*innen lieben die Transparenz des Preis-Leistungs-Verhältnisses, meine Mitarbeiter*innen freuen sich über mehr Gehalt und auch ich bin zufriedener, weil mein Handwerk Wertschätzung erfährt. Viele Friseurkolleg*innen verkaufen sich und ihr Handwerk unter Wert, weil sie Angst haben, dass ihre Kund*innen für den richtigen Preis kein Verständnis haben. Das ist natürlich absoluter Quatsch. Es kommt auf die richtige Kommunikation an und vor allem müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Mein Ziel wäre es, diese Art der Preiskalkulation in der Branche voranzutreiben. Es führt klar vor Augen, wie wichtig es ist, die richtige Preisen zu setzen. Denn so wie es bis jetzt in den meisten Salons aussieht, werden viele Salonbetreiber*innen kaum bzw. keine Rücklagen für ihre Altersvorsorge haben. Mit richtigen Preisen hat man auch viel mehr Spielraum für Investitionen, was wiederum dem Geschäft zugutekommt.

 

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