Dumpingpreise im Salon um die Ecke? Keine Angst vor billiger Konkurrenz!

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Ist dir Qualität wichtig in deinem Salon?
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Ist dir Qualität wichtig in deinem Salon?

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Christian Funk, Salonunternehmer und Business-Coach, erhielt vor kurzem folgende Anfrage einer verzweifelten Kollegin: „Guten Morgen, lieber Christian! Ich traue mich nicht, diese Frage öffentlich zu stellen, habe auch über die Suchfunktion und bei Google nix gefunden zum Thema, daher schreibe ich dich hier per PN an. Folgender Sachverhalt: Wir haben 2 Straßen weiter einen „neuen“ Friseursalon mit Dumpingpreisen. Kann man dagegen vorgehen? Es muss doch für sowas eine Anlaufstelle geben. Es ist einfach wettbewerbsschädigend! Durch Corona und die aktuelle Ukraine-Krise steigen die Preise und die Leute schauen sehr auf ihr Geld. Nun ist es so, dass die Kunden schon den anderen Friseur in Anspruch nehmen. Herren: wsf kosten dort 15 Euro, bei uns 25,50 Euro. Damen wsf kurz: 26,50 Euro, bei uns 40 Euro. Trockenschnitte Damen ab 19 Euro bieten wir z. B. gar nicht mehr an. Die andere Friseurmeisterin hat einer Kundin die günstigen Preise damit begründet, dass sich jeder Mensch einen Friseur leisten können sollte. Dieses Verhalten macht uns unser Geschäft kaputt. Hast du eine Idee, was man dagegen unternehmen kann? Liebe Grüße!“

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Da auch wir in der FMFM-Redaktion schon oft mit solchen und ähnlichen Hilferufen konfrontiert wurden, freuen wir uns, Christians Gedanken und Lösungsansätze an dieser Stelle an euch weiterzugeben.

Christian Funk

„Solche Fragen werden mir leider häufiger gestellt oder ich lese ähnliche verzweifelte Kommentare in den Gruppen. Auch wenn die einzig richtige Antwort darauf nur schwer zu verdauen ist, gibt es leider keine andere: Wir leben nun mal in einem Land, in dem freie Marktwirtschaft herrscht, was bedeutet, dass jeder alle Dienstleistungen oder Waren zu dem Preis veräußern darf, den er für richtig hält. Kann ein anderer Händler/Dienstleister bei diesem Preis nicht mitgehen, wird er vermutlich Kunden verlieren, weil diese den günstigeren Preis logischerweise als attraktiver empfinden. Warum es aber auf dem freien Markt dennoch sehr erfolgreiche und teure Dienstleistungen oder Produkte gibt, klären wir später.

Nun ist es ja so, dass diese Kollegin deine Preise wirklich extrem unterbietet – und sind wir bitte mal ehrlich – schon die halte ich für zu günstig! Die Aussage, dass sich deine Mitbewerberin wünscht, jeder Kunde sollte sich einen Friseur leisten können, ist sicherlich ein ehrbares Ziel – vielleicht wird in diesem Salon ja direkt dem Sozialamt zugearbeitet? Scherz beiseite, sicherlich nicht! Denn auch diese Kollegin muss Miete zahlen und unterliegt mindestens dem Mindestlohngesetz und wird ab Oktober – genau wie alle anderen auch – mindestens den Mindestlohn von 12 Euro zahlen müssen! Und wenn es einen Manteltarifvertrag gibt, dann ist mindestens dieser für alle gültig. Also, wie schafft sie das nur, deine sowieso schon günstigen Preise so deutlich zu unterbieten? Und ich möchte gar nicht erst wissen, was du für eine Farbdienstleistung verlangst, die generell in Deutschland gefühlt viel zu oft mit Verlust kalkuliert und angeboten wird.

Ja – also wie schaffen solche Kollegen diese Preise?

Das ist nicht ganz einfach zu beantworten! Es gibt hier viele Möglichkeiten, wie ein Unternehmen so günstige Preise realisieren kann! Vielleicht betreibt die Person den Salon als Hobby und muss selbst nicht davon leben? Hat Vermögen oder einen reichen Mann und macht das nur aus Spaß an der Freud! Oder man manipuliert: Geld wird neben die Kasse gelegt, Mitarbeiter erhalten ihr Geld zum Teil schwarz, und auch der Chef lebt vom Nebengeschäft? Mitarbeiter werden für 25 Stunden bezahlt, arbeiten de facto aber 37 Stunden! So umschifft man das Mindestlohngesetz… ach, es gibt wirklich viele Wege, hier zu bescheißen, auch wenn meine eigene kriminelle Fantasie hier nicht so gut ausgeprägt ist, um die ganzen miesen Tricks aufzuzählen! Es gibt ja auch Friseur(ähnliche)Betriebe, da kommt es gar nicht auf die Umsätze am Kunden an! Dort werden am Abend mehr Kunden bezahlt haben als überhaupt da waren, und das Geld kommt von ganz anderer Seite und wird dann auf diese Art gewaschen. Ja, wir sprechen hier von professioneller Kriminalität! Oft stecken da Clanstrukturen, Drogen, Zwangsprostitution und Menschenhandel dahinter – auch da will ich gedanklich gar nicht weiter einsteigen!

Aber wie schaut es denn aus am Markt?

Noch vor einiger Zeit sagte man in den Friseurforen – 60 Euro pro Stunde + Material – das wäre der Mindestpreis, den wir im Friseurgewerbe abrufen müssten, um gesund agieren zu können. Naja – dass solche Pauschalaussagen nicht wirklich stimmen, sollte jedem klar sein! Aber Fakt ist – diese Aussage ist durch die enorme Inflation, Preissteigerung und die ab Oktober neuen Löhne nicht mehr aktuell. Ich würde behaupten, dass heute eher 65 –75 Euro mindestens zu Buche schlagen (will ich noch ordentliche Löhne bezahlen, dann muss das eher noch mehr werden) und davon sind die meisten Friseurkollegen und leider auch du selbst weit entfernt!

Also, es gibt natürlich noch die Möglichkeit, einfach schneller zu arbeiten und die Auslastung hochzuhalten – 15 Euro für einen Herrn und glauben wir mal an 65 Euro, die wir mindestens pro Stunde einnehmen müssen – dann landen wir bei 4,33 Kunden pro Stunde. Das bedeutet, dass jeder Kunde in exakt 13.86 min. abgefertigt sein müsste! Das ist ein krasses Pensum – da darf nicht viel dazwischenfunken und der Chef steht mit Stoppuhr und Peitsche hinter seinen Mitarbeitern und gibt mit der Trommel den Takt an… oh je, jetzt hab’ ich Kopfkino!

Du hingegen musst nur ca. 2,5 Kunden bedienen, um deine mageren 65 Euro einzunehmen. Das bedeutet: alle 26 Minuten einen Kunden. Ehrlich, auch das ist schon heftig und ich würde als Mitarbeiter in so einem Unternehmen nicht arbeiten wollen – womöglich noch für den Mindestlohn!? Und bei den Zahlen gehen wir übrigens von einer unmöglichen Auslastung von 100% aus. Aber wir alle wissen, mehr als 85% sind faktisch gar nicht möglich! Berechnen wir diese Zahlen mit 85%, dann sind das sklavenhafte Arbeitsbedingungen (oder 3 Herren pro Stunde und arbeiten wie auf der Galeere) und bei 15 Euro weiß ich, dass es eigentlich überhaupt nicht funktionieren kann (mehr als 5 Herrenkunden pro Stunde) und das hier sehr wahrscheinlich irgendwo gedreht und gedeichselt wird! Plane ich das Ganze mit einer gesunden Auslastung von 75%, dann werden 65 Euro pro Stunde auch für dich mit nur 26 Euro nahezu unerfüllbar. Nun – das mal so zahlenhaft auseinandergenommen – fangen wir langsam an zu verstehen, warum den Job keiner mehr machen will und warum wir keine Mitarbeiter „mehr“ finden!

Also, welche Möglichkeiten gibt es denn nun überhaupt noch, diesen ganzen Mist zu überstehen und bei solchen Dumpingpreisen nicht zu verzweifeln? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder mache ich es genauso wie die Billigheimer-Kollegen, werde zum Sklaventreiber, manipuliere auf irgendeiner oder mehreren Ebenen und schließe mich mit Mafiosi zusammen, um auch deren Gelder zu putzen ODER ich mach’ alles ganz genau anders als die Billigheimer! Ja, der einzige und vor allem natürliche Weg, aus der Tretmühle bzw. dem Hamsterrad zu kommen, ist das eigene Konzept: Qualität – Service – Löhne – Zeitfaktoren und Preise so weit wie möglich von der Billigkonkurrenz entfernt aufzustellen!

Dir tun diese Dumpingpreise fürchterlich weh, weil deine Zielgruppe preisempfindlich ist und sie auf Grund der steigenden Preise an deinen Preisen sparen! Das funktioniert aber nur besonders schmerzhaft, wenn man eben preislich in der unteren Mitte unterwegs ist und sind wir bitte wieder ehrlich – eigentlich selbst viel zu billig ist! Diejenigen, die sich in einer höheren Preisebene und der Zielgruppe „Qualität für vernünftige Preise“ bewegen, werden von der Billigkonkurrenz nicht angezuckert und auch die nun so beliebte Schwarzarbeit werden diese Kunden nicht mögen! Bedeutet es also, dass wir TEUREN keine Kunden verlieren? Doch, das tun wir, aber bei Kunden mit geringer Kaufkraft sind höhere Preise viel schmerzhafter und der Kundenverlust wird entsprechend höher sein. Und wer auf der einen Seite Kunden verliert, kann auf der anderen Seite Kunden gewinnen. Denn wenn er seinen Wert – Qualität, Service, Leistung – und seinen Preis erhöht, wird er sogar mehr neue Kunden gewinnen als er verliert!

Ist dieser Weg für alle möglich?

Sicherlich nicht für jeden – aber sind wir bitte wieder ehrlich – es gibt eh zu viele Friseurgeschäfte und die meisten überleben nur, weil sie auf die eine oder andere Art bescheißen und/oder von der Hand in den Mund leben und als Unternehmer weniger als Hartz 4-Empfänger verdienen.

Ich betreue mit meiner Kollegin Martina Jovanovic derzeit knapp 120 Friseur- und Kosmetik-Kollegen und davon sind einige schon vor unserer Zusammenarbeit ziemlich erfolgreich gewesen. Aber die meisten haben uns kontaktiert, weil sie gemerkt haben, dass es so nicht weitergehen kann und dass sie sich in eine andere Richtung entwickeln müssen, um an dem doch immer schwieriger werdenden Markt auch ohne zu bescheißen überleben zu können! Das ist teilweise schwierige und schmerzhafte Arbeit, die da auf einen wartet. Da sind Rückschläge und Ängste, schwierige Mitarbeitergespräche und heftige Diskussionen, die zu überstehen sind. Mitunter kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis man den Weg einigermaßen gegangen ist. Aber meistens zeigen sich die ersten Erfolge schon nach kurzer Zeit und Martina und mir sind die ersten Meetings am liebsten, wo wir dann an Zahlen sehen können, wie das Ganze sich wandelt und wie Mitarbeiter und Unternehmer mehr Spaß und Freude an ihrem Job haben! Viele aber treibt die Angst, die geforderte Qualität nicht liefern zu können, die Angst, dass einen zu viele Kunden verlassen, die Angst aber auch, dass Mitarbeiter gegen die neue Linie auf die Barrikaden gehen, unangenehme Kundendiskussionen führen müssen…

Christian Funk nimmt bekanntlich kein Blatt vor den Mund Christian Funk nimmt bekanntlich kein Blatt vor den Mund

Wovor haben wir Angst?

  • gehobene Qualität – an der muss und lässt sich arbeiten  
  • Kundenverluste – Kunden müssen gehen, damit neue qualitätsbewusste Kunden kommen können. Worst case – Du erhöhst um 20% und verlierst anschließend 20% Deiner Kunden? Was hast Du verloren – was hast Du gewonnen? Verloren finanziell nichts – gewonnen mehr Zeit für Deine Kunden, für Beratung und Verkauf, für Zusatzdienstleistungen und vieles mehr! Am Ende hast Du auch mehr am Kunden verdient und ihn glücklicher gemacht!  
  • Mitarbeiter-Ängste – auch dieses Problem lässt sich recht einfach lösen – lass’ die Mitarbeiter mit planen, mache die Kalkulationen mit ihnen zusammen. Unsere Erfahrung: Verstehen die Mitarbeiter die Kosten und Verluste, die bei einem zu günstigen Preis anstehen, stehen sie auch hinter höheren Preisen!  
  • Preisdiskussionen – Ja, die werden auf einem zukommen und insbesondere die Mitarbeiter haben davor große Angst – ich habe schon Mitarbeiter aus diesem Grund kündigen sehen! Der logische Weg – keinerlei Diskussionen! Aufsteller mit kurzen und knappen Erklärungen/Infos über die Gründe und der Aussage, dass wir den neuen Preis gerne errechnen. Fragt ein Kunde, weisen wir auf den Aufsteller – und weitere Preisdiskussionen sind TABU!

 

Preis-Trümmer-Angst-Starre überwinden!

Ich bin diesen schmerzhaften und schwierigen Weg schon 2012 gegangen und habe Blut und Tränen vergossen, um mein Unternehmen, meine Mitarbeiter und meine Selbstachtung zu verändern! Nicht mehr im Hamsterrad hängen, am Monatsende mit Schweißperlen auf der Stirn die Löhne überweisen und mich und meinen Magen permanent am Rande des Nervenzusammenbruchs zu jonglieren und dabei, trotz übermäßiger Arbeit, selbst wie der letzte Asi kaum über die Runden zu kommen!

Ich frage DICH und alle anderen am Markt: Wann will die Branche aufwachen und endlich aus dieser Preis-Trümmer-Angst-Starre heraustreten und wie andere Handwerker auch, das Geld so vom Kunden verlangen, wie es sein sollte und die Mitarbeiter wertschätzend zu bezahlen und eine gesunde Unternehmensethik zu entwickeln? Und nicht nur durch Manipulation oder Ausbeute (Mitarbeiter und sich selbst) gerade so überleben zu können und am Ende steil Richtung Altersarmut zu lenken und von all der Arbeit, all der Angst und all dem Schweiß nichts zu haben!? Ist danach dann alles gut? Gibt es anschließend keine Probleme mehr? Leider NEIN – es kommen neue und andere Probleme! Und es wäre gelogen zu behaupten, dass das Leben als Unternehmer jemals leicht sein würde – aber es kann viel mehr Freude und weniger Angst machen!“

https://www.friseur-coaching.de/

Barber oder Herrenfriseur? Die Fakten zu einem Reizthema der Branche 

In sich selbst zu investieren, zahlt sich immer aus!