WTF: „Was esse ich heute?!“

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Ist nachdenklich ob der aktuellen Weltlage: FMFM Artist Andi Ehrle
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Ist nachdenklich ob der aktuellen Weltlage: FMFM Artist Andi Ehrle

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FMFM Artist Andreas Sebastian Ehrle trägt sein (Friseur-)Herz auf der Zunge. Was ihn derzeit so richtig in Wallung bringt, ist die scheinbar banalste unserer täglichen Fragen: „Was esse ich heute?!“ Wir kennen sie alle. Für Andi ist der Satz allerdings nicht länger profan, sondern Sinnbild unserer Zeit. Seine Gedanken zum Fest.

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Die folgenden Zeilen liegen mir schon länger am Herzen. Es ist kurz vor meiner Mittagspause, die letzte Kundin sitzt im Stuhl. Der Magen knurrt und ich habe Hunger. Mein Vesper habe ich heute sogar schon geholt. Eben wie jeden Tag auf der Arbeit – Ihr kennt das – morgens die schnelle Nummer beim Bäcker: eine Brezel und einen Amerikaner. Manchmal werden es alternativ im Supermarkt auch eine Banane, ein Eiweißriegel und eine Laugenecke. Die haben sie leider nur selten da. Genau dieselbe Frage – „Was esse ich heute?!“ – stelle ich mir dann oft wieder nach der Arbeit. Auch dann stehe ich vor den gefüllten Regalen, alles ist im Überfluss da und ich frage sie mich trotzdem. Es ist eine komische Zeit, in der wir leben. Vor Corona war es doch so: Alles, was wir wollten, konnten wir kaufen, wenn das Geld dafür da war. Autos, Kleider, Schmuck, Essen usw. Oft war es sogar so, dass wir nicht mal so recht wussten, wohin wir in den Urlaub wollten. Dann kam die Pandemie und änderte vieles. Gut so, denke ich mir, so krank das auch manchmal ist.

Was passiert derzeit?

Wie oft denke ich jetzt: Lern doch mal, dass es nicht dein Untergang ist, wenn es das Shirt leider nur eine Größe zu klein gibt. Dann soll es halt nicht sein und es bleibt hängen. Wir fahren an die Tanke und ärgern uns: der Liter kostet 2,30 €, das Auto ist auf Reserve – und was machen wir? Rüssel rein und einmal volltanken, bitte. Sind dann halt schnell mal 150 €. Wir zahlen, fahren los und denken uns: Gut gemacht! Wer weiß, ob es morgen nicht nochmal 20 Cent pro Liter mehr sind. Und dann frage ich mich: Warum lassen wir das Auto nicht einfach stehen, schieben es heim oder verkaufen es? Weil wir es nicht müssen! Wir können es uns noch immer leisten. Natürlich nicht jeder von uns, aber ein Großteil der Deutschen bestimmt. Ich höre so oft, dass die Leute Angst vor den Gaspreisen haben. Erzählen mir erst, dass sie zwei Häuser besitzen, und dann wissen sie nicht, ob sie sich das noch leisten können? Das sind diese, unsere Ängste in diesem Krieg, der schon so nah ist: Kann ich in den Urlaub, soll ich mich in ein Flugzeug setzen? Hoffentlich bekomme ich bald wieder mein Sonnenblumenöl. Das andere ist irgendwie nix. Schämen wir uns eigentlich dafür?

Andere Perspektiven

Was esse ich heute? Es gibt Länder, in denen sich die Menschen dort genau die gleiche Frage stellen. Die Kinder haben dicke Bäuche – und das nicht, weil sie bis zum Rand voll mit gutem Essen sind und erstmal ein Sofa zum Abliegen brauchen. Sondern weil nichts drinnen ist! Ihre Gesichter sind zerfallen, der Hunger und die Verzweiflung in Ihren Augen. Die Eltern versuchen vergebens, etwas zu essen zu finden. Armut, im Dreck leben ist das. In der Ukraine haben sie sich in den Kellern versteckt, haben Heizungswasser getrunken, bevor sie dann nach Wochen raus auf die Straßen mussten. Dort, wo sie dann gefoltert und getötet wurden. Und wir? Wir haben Angst, dass es uns auch treffen könnte, schaffen es aber nicht, uns da wirklich einzubringen und zu helfen. Ein Zimmer geben, wenn der Platz dafür da ist, würden die meisten schon, aber das Bad teilen? Das wollen sie dann nicht. Da gibt man lieber ein paar Euro oder – noch besser – Klamotten als Spende. Eben das Zeug, das eh schon lange weg sollte. Das Gemüt ist beruhigt und die Seele gereinigt. Der Schrank hat Platz für Neues. In den letzten Tagen, also kurz vor den Osterfeiertagen, brachte eine Zeitung einen Bericht über die Hungersnot in Somalia. Auf der Folgeseite stand dann, dass die Süßwarenindustrie in Deutschland die Sorge hat, dass es knapp werden könnte mit der Bereitstellung der Osterware. Das macht mich echt wütend. Das Schrille daran ist: Vielen von uns würde es ja mal sehr guttun, weniger von dem Zeug zu essen. Mir auch.

Einmal mehr…  

Was esse ich heute? Das frage ich mich seit ein paar Jahren. Immer im Frühling nach meiner Winterruhe, wenn ich die frisch rasierten Wiesen der Deutschen verzweifelt durchsuche. Warum macht ihr Menschen das? Oft schon, bevor der letzte Schnee vorbei ist? Eine naturbelassene Wiese wäre ein Festessen für mich, aber auch hier läuft es anders, als es sein könnte. Ich bin ein Schmetterling. Die Natur, ihre Natürlichkeit, wird zerstört und den Tieren wird die Nahrung durch die Dominanz der Ästhetik genommen. Der englische Rasen oder die gekieste Variante sind hier die Sieger.

Was esse ich morgen?

In dieser Zeit, in der wir nun leben und Angst haben, dass unser Geld bald nichts mehr wert ist, haben wir trotzdem noch immer das Luxusproblem, dass einige von uns sich überlegen, in was sie am besten investieren. Immobilen, Oldtimer, Luxusgüter oder Gold. Eine Kundin meinte erst kürzlich, dass Handtaschen die neue Währung seien. Soll ich mir jetzt echt ne Tasche kaufen?! Krank, dass es allen trotzdem Angst macht, wo es hingeht. Alles ist teurer geworden und wird es noch weiter. Ich selbst stehe nun einmal mehr vor der Entscheidung, wann und wieviel ich mit meinen Preisen hoch gehe. Warum auch immer, es ist ein Problem für mich. Ich traue mich nicht so recht. Nicht jetzt und nicht noch mehr verlangen. Wie sollen das denn die Leute zahlen können? Aber ich denke, mein Argument hierfür wird (wie bei so vielen) sein, dass es eben wegen der Inflationsrate und der gestiegenen Preise im Einkauf meiner Ware und den Energiekosten etc. sein muss. In der Hoffnung, dass es unsere Kundinnen und Kunden akzeptieren werden. Der Vorteil ist ja zumindest, dass du nicht täglich zum Friseur musst.

Bewusst sein

Nach all dem möchte ich es schaffen, mich nicht mehr täglich zu fragen: „Was esse ich heute?!“ Sich einfach zu freuen über das, was wir haben, ist doch schon das Festmahl schlechthin! Die letzten Wochen haben mich sehr nachdenklich sowie gleichzeitig auch dankbar gemacht. Sie haben mir gezeigt, wie schnell die Dinge sich doch ändern können. Viele Menschen wurden über Nacht aus ihrem Leben gerissen. Die Bilder, die wir im Moment täglich sehen, sollten nicht nur Bilder sein, die uns traurig und fassungslos stimmen, sondern eben auch Bilder, die uns verändern. 

Auch wenn es gefühlt eigentlich nichts mit der Situation zu tun hat, habe ich heute erstmal unseren Kühlschrank komplett ausgeräumt und neu geordnet. So wird es mir hoffentlich nicht mehr passieren, dass ich Dinge daraus übersehe und sie dann am Ende doch wegwerfen muss, weil sie inzwischen abgelaufen sind. Dafür gibt es keine Ausrede, sondern dafür müssen wir uns schämen! Und wisst Ihr was? Als meine Frau den gut gefüllten, aber jetzt viel leerer wirkenden Kühlschrank öffnete, war sie komplett überrascht und sagte: „Unser Kühlschrank sieht super aus! Was gibt es denn heute zu essen?“

Ich wünsche Euch allen frohe Ostern!