Friseurin endlich glücklich: Ich mache nur noch, was ich will!

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Eigenwillig, aber "meins" - das Salonkonzept von Michelle Ross-Krämer
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Eigenwillig, aber "meins" - das Salonkonzept von Michelle Ross-Krämer

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Sie schneidet weder Kurzhaarschnitte noch Herren und lehnt Kunden ab, die nicht auf ihrer Wellenlänge sind. No-Show-Kandidaten erhalten keine Termine mehr in ihrem Salon. Außerdem hat sie ihre Preise – trotz reger Stammkundschaft – innerhalb von 4 Jahren um krasse 30 % erhöht. Friseurunternehmerin Michelle Ross-Krämer aus Witten hat ihr Geschäftskonzept gefunden: „Ich mach nur noch, was ich will“, sagt die Inhaberin vom Salon „Fräulein Krämer“ in Witten. Und sie hat Erfolg damit! Ein spannendes Gespräch mit einer Frau Ende 40, die nichts mehr muss, aber plötzlich ganz viel will...

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Wie steht es eigentlich um den Friseur-Beruf? Mehr zum Thema: „Traumberuf Friseur?

 

Frau Ross-Krämer, Sie haben ein Salonkonzept, das – wie sollen wir es ausdrücken – recht eigenwillig ist. Nur ein paar Beispiele: Sie schneiden keine Kurzhaarschnitte, bedienen selbst keine Herren. Und Kunden, die in den Salon möchten, müssen an der Tür klingeln…

Ja, das Salonkonzept ist sicher ungewöhnlich. Aber es ist heute endlich genau so, wie ich es mir immer gewünscht habe! Das bin ich.

Rückblick

Michelle Ross-Krämer Michelle Ross-Krämer

Es war also früher anders. Erzählen Sie doch mal.

Ich bin seit 1999 selbstständig. Erst hatte ich einen recht großen Salon, dann wegen meiner 3 Kinder einen kleineren. Jetzt, seit rund 6 Jahren, habe ich in meinem 200qm großen Salon 5 Mitarbeiter. Ich kenne also seit vielen Jahren das ganze Auf und Ab, das Elend der Selbstständigkeit: diese 65-Stunden-Wochen gefolgt von purer Erschöpfung; die vielen No-Show-Termine, die Existenzängste und den Druck, es allen recht machen zu wollen oder zu müssen…

 

Ihr heutiges Geschäftskonzept klingt aber nach dem genauen Gegenteil. Wie kam es zu dem Wandel?

Aus Erschöpfung. Ganz einfach. Ich hatte keine Lust und keine Kraft mehr, jeden Tag lauter Dinge zu machen, die ich nicht wollte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe meinen Beruf über alles! Und genau deshalb musste ich grundlegend etwas ändern! Sicher, ich hätte als Betriebswirtin des Handwerks auch in anderen Berufsbereichen Fuß fassen können, doch das war ja nicht mein Ziel. Allerdings konnte und wollte ich nicht mehr endlos Kunden abarbeiten, ohne abends noch zu wissen, welche Kundin ich am Morgen um 10 Uhr eigentlich hatte. Geschweige denn mich zu fragen, ob die Chemie zwischen der Kundin und mir überhaupt zusammen passte. Alles nur aus der Sorge heraus, wie ich die nächste Steuer bezahlen sollte… Dieser ständige Druck nahm mir so viel Kreativität und positive Energie!

Selbstwert macht wertvoll

Dieses Hamsterrad kennen und beschreiben viele Ihrer Kollegen. Gab es eine Initialzündung für Ihre Rolle rückwärts?

Ich habe 3 Töchter. Inzwischen arbeiten 2 von ihnen in meinem Salon. Mir ist es wichtig ihnen vorzuleben, dass wir Friseure uns unseres Wertes bewusst sein müssen. Wenn wir da selbstbewusst sind, treten wir automatisch anders auf und werden in der Gesellschaft als wertig wahrgenommen; vorausgesetzt man beherrscht sein Handwerk zu 150 %. Dann können wir auch andere Preise nehmen. Grundsätzlich bin ich ein Typ, der die Dinge auf den Punkt bringt, das ist meine Natur. Daher habe ich also vor rund 5 Jahren in meiner Erschöpfung innegehalten und überlegt: Was möchte ich eigentlich?

 

Wie lautete Ihre Antwort auf diese Frage?

Der Kernpunkt war: Ich wollte wieder Spaß und Freude an meinem Beruf haben! Dafür musste ich neue Strukturen schaffen und viele Dinge verändern. Das war zuerst anstrengend, hat sich aber mehr als gelohnt. Heute bediene ich z. B. keine Kunden mehr, bei denen ich auf Anhieb merke, dass unsere Wellenlänge nicht stimmt. Das bringt nur Stress. Eigentlich spürt man das ja sofort. Wenn man denn die Ruhe dafür hat, das zu spüren. Außerdem schneide ich Haare nur noch ab Boblänge. Wir sagen das Kundinnen schon am Telefon. Hintergrund ist: Ich arbeite einfach gern mit Haar ab 10cm Länge – und meine Mitarbeiterinnen auch. Also lassen wir das mit den kurzen Haaren einfach. Außerdem vergeben wir an Kunden, die 1-mal unangekündigt nicht gekommen sind oder 2-mal abgesagt haben, keine Termine mehr und erheben ggfs. ein Ausfallhonorar. Diese Kunden können gern spontan bei uns reinschauen und wir sehen, ob es dann passt. Dadurch haben wir das Problem der No-Shows fast gar nicht mehr. Wie häufig hatten wir früher Leerzeiten?!

Alles so, wie ich es mag

Ganz schön klare Kante! Was ist noch neu oder anders als früher?

Eine tolle Neuerung beim Umzug vor 6 Jahren war auch der Einbau einer Klingel. Wer in den Laden möchte, muss klingeln. Dadurch haben wir wirklich Ruhe im Salon. Wir können den Kunden unsere volle Aufmerksamkeit schenken und wirklich da sein, weil nicht mehr andauernd die Tür auf- und zugeht. Auch mein ästhetischer Anspruch findet jetzt Ausdruck im Design: das Haus ist von außen in Schwarz und Gold gestrichen, der Salon ebenfalls. Die Arbeitsplätze sind nun so, wie ich es immer wollte: Unsere Kunden sitzen sich an einem langen „Esstisch“ gegenüber. So sprechen sie miteinander und tauschen sich aus, während ich in Ruhe meine Arbeit machen kann. Das ist wunderbar. Ich kann mich zurücknehmen und die Kundin hat ihre Bühne. Außerdem gibt es keine offiziellen Salonschlusszeiten. Wir gehen nach dem letzten Kunden. Mal um 16.00 Uhr und mal um 22.00 Uhr.

 

Einiges davon hört sich recht extravagant an. Das muss man sich auch leisten können. Oder?

Ja und nein. Natürlich hatte ich zu Anfang meiner Selbstständigkeit nicht den Mut zu solch eigenwilligen Entscheidungen. Nun werde ich bald 50, da denkt man über vieles anders. Und wissen Sie was? Je mehr Kontur ich bekomme, desto mehr ziehe ich die Kundinnen an, die ich haben möchte. Für eine schlechte Bewertung einer abgewiesenen Kurzhaar-Kundin bekomme ich 5 neue, dankbare Langhaarkundinnen. Allesamt Frauen, die mein und das Handwerk meiner Kolleginnen zu schätzen wissen. Wir haben viele Kundinnen, die ich seit 20 oder gar 30 Jahren bediene und die mir vertrauen. Sie wissen und verstehen, dass ich die Preise innerhalb der letzten 4-5 Jahre um 30% anheben musste, damit es sich rechnet. Obwohl wir in der Region schon immer im oberen Preissegment waren. Die Kundinnen sind damit einverstanden, weil die Leistung und das Gefühl bei uns absolut stimmen. Sie spüren und sehen den Mehrwert; mit ihnen muss ich nicht diskutieren. Aber ich würde es auch nicht tun. Ich erkläre nur noch, ich rechtfertige mich nicht mehr. Es ist alles so viel einfacher und authentischer geworden, seit ich alles nach meinen eigenen Ansprüchen gestaltet habe. Und alle profitieren davon: Mir geht es gut, ich bin glücklich und meine Kundinnen auch.

 

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