„Wir können absolut positiv in die Zukunft schauen!“ Goldene Zeiten für Friseure?

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Fotos: Karoline Kirchhof
Emine und Thorsten Hussfeldt sagen: "Wir brauchen mehr Positivität"
Fotos: Karoline Kirchhof
Emine und Thorsten Hussfeldt sagen: "Wir brauchen mehr Positivität"

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Ein mieses Branchenimage ist sein Thema nicht. FMFM Artist Thorsten Hussfeldt sieht goldene Zeiten fürs Friseurhandwerk. Ein Interview über dringend notwendige Positivität, gegenseitigen Support und die Frage, warum letztlich jede/r Friseur*in ihr/sein eigenes Image macht. #SalonDerZukunft

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FMFM-Artist Thorsten Hussfeldt gehört nicht nur durch seine Funktion als Creative Director von Glynt zu den modeprägendsten Persönlichkeiten im Friseurbusiness. Auch in seinem Salon „Capelli Group“, den er gemeinsam mit seiner Frau Emine im schwäbischen Ludwigsburg führt, stehen Kollektionen, Trends und Fashion ganz oben auf der Prioritätenliste. Warum Mode so wichtig für ein positives Friseurimage ist und wie die Branche mehr Strahlkraft nach außen erreichen kann, hat Thorsten im Gespräch mit FMFM-Autorin Daniela Hamburger verraten.

Lieber Thorsten, wie siehst Du das allgemeine Image der Friseurbranche im Moment?
Ganz ehrlich: Ich mag schon das Wort „Branche“ nicht. Wer ist denn die Branche? Die Friseurlandschaft in Deutschland ist so unterschiedlich, dass ich es schwierig finde, da alle über einen Kamm zu scheren. Ich vergleiche uns da immer gerne mit der Gastronomie: Keiner würde der Gastronomiebranche ein bestimmtes Image zuschreiben. Einfach, weil die gastronomischen Angebote so extrem unterschiedlich sind. Dabei ist wichtig: Jeder hat seine Berechtigung, wenn er ein stimmiges Konzept hat und gute Dienstleistungen bietet! Das Sterne-Restaurant ebenso wie die Pommes-Bude. Wer Qualität abliefert und seine Kund*innen glücklich macht, macht doch alles richtig! Und genauso sehe ich das bei uns Friseur*innen auch.

 

Warum wird dann trotzdem so viel gejammert?
Ich glaube, dass wir als Friseur*innen eine Mitschuld tragen, wenn wir mit einem schlechten Image konfrontiert werden. Denn es wird schon wirklich viel gejammert, aufeinander eingeschlagen und sich selbst gegeißelt. Dabei sollte es doch vielmehr im Vordergrund stehen, dass wir gleichgesinnten Friseurunternehmen uns gegenseitig vernetzen und supporten! Und zwar wirklich die gleichgesinnten: die, die hohe Ansprüche an sich selbst haben, durch Ausbildung Verantwortung übernehmen, Mode leben, ein durchdachtes Konzept fahren. Denn wir stehen eigentlich gar nicht schlecht da. Ich muss auch nicht auf den Preisdumping-Mikrosalon an der Ecke einschlagen. Denn der betrifft mich doch gar nicht. Mit dem muss ich mich nicht beschäftigen, sondern mit mir!

Das Image bestimmt jeder selbst!

Du fühlst Dich und Deinen Salon also nicht von einem schlechten Friseurimage betroffen?
Sein Image bestimmt jeder selber! Ich sehe meinen Salon da völlig losgelöst von irgendeinem externen Image. Vielmehr nehme ich die „Capelli Group“ als eine Art Mikrokosmos wahr. Ich habe Stammkund*innen, die seit Jahrzehnten einen extrem weiten Anfahrtsweg auf sich nehmen. Die würden das sicher nicht tun, wenn sie irgendein schlechtes Image auf mich beziehen würden. Außerdem hatte ich noch nie irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe wegen meines Berufs. Meine Kund*innen haben einen Doktortitel, ich bin Friseurunternehmer – na und? Schon als ich meine Ausbildung gemacht habe – vor mittlerweile 38 Jahren – haben die KFZ-ler einen höheren Azubilohn bekommen als die Friseure und konnten die Mädels schon mit dem eigenen aufgemotzten Auto abholen. War mir völlig schnuppe, ich war trotzdem cool. Schließlich hatte ich ein chices Retro-Fahrrad. Ich habe also das bisschen fehlendes Geld einfach durch guten Stil wettgemacht. (lacht)

 

Was hast Du denn in der Vergangenheit dafür getan, dass Du nun dieses ganz eigene, vom Friseurberuf losgelöste Image verkörperst? Du wirkst mehr wie ein Modemacher als wie ein Friseur…
Zunächst wollte ich ja gar kein Friseur werden, sondern Schauspieler. Übers Theater habe ich den Beruf des Maskenbildners kennengelernt, für den ich mich total begeistert habe. Vorher war allerdings eine Friseurausbildung nötig. Und da habe ich schon ganz genau darauf geachtet, bei wem ich meine Ausbildung mache. Ich habe bei Kertu in Stuttgart gelernt, bei Wilfried Pflüger. Das Unternehmen war deutschlandweit bestimmend, was Fotoproduktionen und Seminare anging. Ich habe alles aufgesaugt, was ich dort lernen konnte und wurde vor allem in puncto Fotokollektionen richtig gut. Außerdem reiste ich schon in 90er Jahren voller Begeisterung als Friseur durch ganz Europa, entdeckte Trends in London und Paris und nahm sie mit für meine Arbeit.

Mode ist der Schlüssel zum Erfolg

Du gibst selbst Trendschulungen, bist mit Seminaren auf Tour. Was möchtest Du Deinen Kolleg*innen mitgeben?
Mein großes Vorbild ist bis heute Anthony Mascolo. Wenn er einen Workshop gibt, tut er das nicht von oben herab, er stellt sich nicht auf ein Podium und sagt den Kolleg*innen, was richtig ist und was nicht. Sondern er gibt seine Leidenschaft weiter. Einfach weil er nicht anders kann. Diese Einstellung liebe ich und ich würde mir wünschen, dass meine Seminare auch so wahrgenommen werden. Als Aufeinandertreffen auf Augenhöhe. Im Juni stehen wieder Trendevents für Glynt und Graham Hill an. Da freue ich mich jetzt schon drauf.

 

Gehen wir nochmal ein Stück zurück: Wie hast Du ganz am Anfang das Image Deines Unternehmens definiert?
Irgendwann ging es bei Kertu für mich nicht mehr weiter. Ich entschloss mich also, mich 1994 selbstständig zu machen. Die Frage war, wo. Zuerst war ich fest entschlossen, Schwaben zu verlassen und stattdessen in den Osten zu gehen, wo alles nach Aufbruch roch: Ich schaute mir Leipzig an, Dresden, Berlin. Aber leider passten diese Städte einfach nicht zu mir, so dass ich von meiner Reise zunächst etwas deprimiert zurückkam. Doch dann fand ich über einen Freund meine damalige Traum-Location, eine alte Kirche auf einem Industriegelände in Mühlacker. Ich wusste sofort: Das war es. So entschloss ich mich, doch in der Region zu bleiben. Eigenkapital hatte ich keins, also musste ich erstmal einen Businessplan für die Bank schreiben. Ich definierte meine Zielgruppe und erarbeitete mein Konzept. Dann kam der kreative Part. Auf einem Flohmarkt sah ich einen Satyrkopf und wusste sofort: Das wird mein Logo. Daran angelehnt entwickelte ich gemeinsam mit professioneller Hilfe den Stil der Innenarchitektur, die Farbgebung, die Lichtgestaltung, die Einrichtung – alle Komponenten, um ein stimmiges, zeitloses Gesamtbild zu kreieren, in dem sich mein Hauptfokus, die Kreativität, widerspiegelt.

 

Und wie bist Du auf den Namen „Capelli Group“ gekommen?
Ich wollte einen Namen, der etwas mit mir selbst, mit meiner Geschichte zu tun hat und mich repräsentiert. So kam mir die Idee, eine Hommage an meinen Urgroßvater zu machen, der Italiener war. Ein italienischer Name also. „Capelli“ heißt „Haare“ – der Salonname war geboren.

Mein Rat: Bleibt authentisch!

Was können andere Friseur*innen tun, um sich ebenfalls ein eigenes Image aufzubauen – was sind die nötigen Bausteine?
Ich bin kein Berater für die Friseurbranche und finde ehrlich gesagt auch, dass dieses ganze Coaching und Fixieren auf Zahlen ziemlich überschätzt ist. Denn was bei mir erfolgreich ist, muss es nicht bei anderen auch sein. Aber ich finde, die Mode muss immer im Vordergrund stehen! Deswegen rate ich allen Berufskolleg*innen, ihr ästhetisches Modeempfinden zu schulen und dieses an der Kundschaft dann auch umzusetzen. Bevor ihr euch selbstständig macht, solltet ihr außerdem bereits erfolgreich als Friseur*in gearbeitet haben. Das geht nur durch Training, durch Lernen und durch Disziplin. Und dann gilt: Bleibt authentisch. Euer Konzept muss zu euch passen und ihr müsst euch überlegen, welche Zielgruppe ihr ansprechen wollt. Dann schafft ihr euch auch das Image, das zu euch passt.

 

Was ist Dir in Deinem eigenen Salon denn besonders wichtig? Nach welcher Philosophie arbeitet Ihr?
Unsere Philosophie „Living in a Style“ bedeutet für uns ein ganzheitliches Arbeiten. Dies bezieht sich auf unsere Dienstleistungen Schnitt, Farbe und Styling. Aber es bindet auch unseren gesamten Salon mit ein in unserer 100 Jahre alten Jugendstilvilla und unsere herzliche Art, mit der wir mit unseren Kund*innen verbunden sind. Außerdem ist es mir besonders wichtig, dass alle Mitarbeitenden wirklich beherrschen, was wir in unseren Modekollektionen darstellen. Schon die Azubis lernen die Techniken, die gesamte Bandbreite. Darauf aufbauend können sie dann in die Spezialisierung gehen. Die Wichtigkeit der Mode habe ich bei Kertu gelernt: Denn schon dort waren die Friseur*innen, die Trends umsetzen und gegenüber der Kundschaft gut kommunizieren konnten, die, die immer ausgebucht waren. Das sehe ich auch heute noch und muss darum sagen: Mode ist für uns Friseur*innen der Schlüssel jeglichen Erfolgs! Auch bei Kund*innen, die auf den ersten Blick keinen Wert auf Trends legen, müssen wir die Mode typgerecht anwenden. Denn auch die möchten doch eine zeitgemäße Frisur haben. Da kommt es dann auf die Details an! Außerdem ist mir auch die Stimmung im Salon sehr wichtig. Gegenseitige Wertschätzung ist das A und O.

Beide Töchter lernen Friseurin

Was geben Du und Deine Frau an Eure Zwillingstöchter weiter, die ja beide ebenfalls Friseurinnen sind?
Für mich gibt es keinen besseren Beruf. Wir leben als Familie ja direkt in dem Haus, in dem sich auch unser Salon befindet. Deswegen hat der Friseurberuf unsere Töchter immer begleitet, auch wenn wir ihnen diesen Berufswunsch nie aufgedrückt haben. Sie sind quasi mit Glynt-Produkten aufgezogen worden. (lacht) Vor ein paar Jahren wollten sie auch wirklich noch keine Friseur*innen werden, orientierten sich beide erstmal anders. Was sie aber immer toll fanden, waren die Fotoshootings und unsere Kollektionstouren. Sie haben dadurch gesehen, welche vielseitigen Möglichkeiten der Beruf bietet. Als die beiden sich dann doch noch für den Friseurberuf entschieden, war ich super happy. Cora absolviert ihre Ausbildung in einem anderen Salon, sie trainiere ich mittlerweile aber regelmäßig. Lara lernt bei uns, auch wenn meine Frau sich zunächst wünschte, dass sie ihre Ausbildung woanders macht. Sie wird gleich behandelt wie die anderen Auszubildenden auch, weder bevorzugt, noch benachteiligt.

 

Wie sieht das dann konkret in der Ausbildung aus? Wie lernen Deine Azubis?
Wir pflegen in unserem Salon einen sehr familiären Umgang aber: Ohne Disziplin und Ausdauer geht es nicht. Der Friseurberuf ist nun mal keiner, in dem täglich um 17 Uhr pünktlich Feierabend gemacht wird. Die Auszubildenden müssen sich das Handwerk von Grund auf aneignen, was sie bei uns in festgelegten Trainingseinheiten tun. Die finden während der Arbeitszeit statt. Zusätzlich legen wir etwa alle 3 Monate ein Intensivtraining über Sonntag und Montag ein. Außerdem ist es mir unglaublich wichtig, dass unsere Azubis ihren Sinn für Ästhetik ausbilden und dabei unterstütze ich sie gerne. Denn ich muss es nochmal sagen: Mode ist der Schlüssel!

Wanted: Mehr Positivität

Was wünschst Du Dir denn allgemein für die Branche?
Zunächst einmal wünsche ich mir mehr Positivität. Dass wir es schaffen, über uns selbst und unsere Kolleg*innen gut zu sprechen. Klar, durch Krisen und gesellschaftliche Probleme leben wir in einer besonderen Zeit aber wir dürfen darüber die positiven Themen nicht vergessen. Denn die geben uns Kraft. Ich habe ein tolles Team, wenn die morgens den Salon betreten, haben die gute Laune. Und die geben sie auch an die Kund*innen weiter – mit positiven Geschichten. Schließlich wünschen sich die Kund*innen bei uns eine Auszeit und keine negativen politischen Analysen.
Außerdem sollten Friseur*innen noch mehr Aufmerksamkeit auf Mode und Trends legen und diese nach außen kommunizieren, denn damit beglücken wir die Endverbraucher*innen! Dieses Modebewusstsein ist es auch, was uns als Beruf ausmacht. Wenn wir uns das vor Augen halten, müssen wir uns auch nicht mit anderen Handwerken vergleichen. Sollten wir eh nicht, denn das Kundenverhalten beim Friseur ist ein ganz anderes als beim Fliesenleger: Zum Stylisten gehe ich schließlich alle 4 bis 8 Wochen aber so oft lasse ich nicht mein Bad neu fliesen. Deswegen sind auch Preisvergleiche hier Blödsinn.

 

Und auf übergeordneter Ebene? Was kann der Verband für die Branche tun?
Ich finde, der Verband muss keine Mode machen, für das Kreative ist jede*r Friseur*in selber verantwortlich. Auch Weiterbildung ist Sache jedes einzelnen Salons. Sondern der Verband muss unsere politischen Interessen vertreten. Das ist die allerwichtigste Aufgabe. Stephan Conzen (Geschäftsführer der Hans Conzen Kosmetik GmbH, Anm. d. Red.) hat kürzlich ausgerechnet, wie ein politisch starker Verband finanziert werden kann: Wenn von 84.000 Friseurgeschäften jeder nur 100,- Euro abgeben würde, stünden 8,4 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen politische Arbeit betrieben werden könnte. Forderungen wie der reduzierte Mehrwertsteuersatz sind so unglaublich wichtig, die müssten unbedingt durchgesetzt werden.

Es winken goldene Zeiten

Zum Abschluss: Wie siehst Du das Zukunftspotenzial des Friseurberufs?
Es ist doch einfach unglaublich, welche Türen dieser Beruf öffnen kann! Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu bilden, dazuzulernen, Inspiration und seinen Stil zu finden. Der Friseurberuf hat also durchaus das Potenzial, sich sein eigenes Image zu bilden. Hinzu kommt ja noch die gute Zukunftsperspektive: Für junge Menschen, die heute den Friseurberuf erlernen und den Beruf mit Ehrgeiz nach vorne bringen, brechen goldene Zeiten an! Denn in 10-15 Jahren wird sich die Zahl der Salons stark reduzieren. Durch den demographischen Wandel wird die Bevölkerungszahl jedoch gleich geblieben sein. Der Trend hin zu Mikrosalons wird passé sein, dafür wird es wieder mehr größere Salons geben. Bis dahin gibt es auch wieder Auszubildende. Wir können also absolut positiv in die Zukunft schauen.

Danke Dir, lieber Thorsten, für das Mut machende, interessante und offene Interview!