Was können wir tun? Friseurbranche zwischen Untergang und Feierlaune

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Nils Ferrand will Mut machen, die Herausforderungen anzugehen
Nils Ferrand will Mut machen, die Herausforderungen anzugehen

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Auch Nils Ferrands Nerven liegen blank. Doch der Salonunternehmer aus Köln wirft Ballast ab, um wieder kraftvoll nach oben zu steigen: In der vergangenen Woche noch sorgte er mit einem „Seelenstriptease“-Post in der Professional Hair Group für Aufsehen. Für FMFM legt Nils nochmals nach und sagt klipp und klar, was es aus seiner Sicht braucht, damit Friseur*innen endlich wieder erfolgreich werden.

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Das Wort „wir“ steht laut Duden für mehrere Personen, also einen Kreis von Menschen, in den die eigene Person eingeschlossen ist. Und genau da sind wir auch schon beim Thema. „Wir sitzen alle im selben Boot“. Diesen Satz hören wir heutzutage in unserer Branche fast täglich. Doch ich denke mir immer häufiger, wir verhalten uns aber nicht so, als säßen wir alle im selben Boot. Wir verhalten uns eher so, als säßen wir alle in unseren eigenen kleinen Booten auf demselben Ozean – aber jeder kentert still und heimlich für sich alleine. Dabei ist es doch so: Würden wir unsere Boote zusammenführen, verknoten und Brücken bauen, würde niemand mehr kentern. Oder? Es gibt viel zu tun zwischen „Wir sind alle großartig“ und „Wir sind alle dem Untergang geweiht“, wie es Simone Frieb so treffend ausdrückte.

STATUS QUO

Es gibt unzählige Beiträge von Friseur*innen, in denen von Zusammenhalt gesprochen wird. Davon, dass die Branche etwas verändern muss. Doch bisher hat aus meiner Sicht niemand klar die wirklichen Probleme der Branche angesprochen und Lösungen gefunden. Immer wieder entdecke ich viel Neid, Missgunst und leider auch Personen, die nur ihren eigenen Vorteil sehen. Darunter Menschen, die vom Schein und der Bewunderung anderer leben. Es gibt Unmengen an Ratgebern, Seminaren und Kursen für Friseure. Aber letztlich ist es doch so: Es wird niemand kommen, der dir die Arbeit abnimmt! Es wird niemand kommen, der den ultimativen Plan für deine Situation hat. Und vor allem wird niemand kommen, der dich rettet. Warum nicht? Weil niemand deinen Salon und deinen Beruf so gut kennt wie du. Und das ist auch gut so! Was wir wirklich brauchen, ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das sagte schon mein Großvater zu mir, der im Übrigen auch Friseurunternehmer war. Wie so ziemlich jeder in meiner Familie seit über 120 Jahren.

Ganz ehrlich: Wir haben den Anschluss verloren. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit vielen Jahren. Was sind also die Herausforderungen der Branche? Und was können wir tun, um sie in den Griff zu kriegen? Die wichtigsten Punkte derzeit sind in meinen Augen:

– Wir finden keine adäquaten Mitarbeiter*innen

– Es gibt kaum noch Nachwuchs

– Die Betriebskosten steigen ins Bodenlose

– Die Löhne steigen (zu Recht)

– Wir müssen mit unseren Kund*innen über unsere Preise diskutieren

– Wir müssen uns und unsere Abläufe modernisieren

– Wir haben ein ganz existenzielles Imageproblem

– Schwarzarbeit

– Es gibt zu viele Friseursalons, die keine Steuern zahlen und somit billige Preise anbieten können

Was also können wir dagegen tun? Ganz einfach: Wir müssen uns neu erfinden und Klartext sprechen! Jeder Einzelne für sich, denn da haben wir auch unseren entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Branchen: Wir sind kreativ und experimentierfreudig. Allerdings dürfen wir keinen Respekt für uns einfordern, wenn wir viele Jahre dafür gesorgt haben, dass wir ihn nicht verdienen. Wir haben unsere Dienstleistungen in Arbeitsverhältnissen auf Mindestlohnbasis zu billigen Preisen angeboten. Da verwundert es doch nicht, dass wir alle für die „dummen Friseure“ gehalten werden. Und damit meine ich nicht, dass wir uns wie Premium-Friseur*innen verhalten sollen, wenn wir nicht premium sind. Nicht jeder ist dafür gemacht, in einem Premiumsegment zu arbeiten, und nicht jeder wird mit diesem Konzept Erfolg haben. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch nicht nur Premiumkund*innen gibt. Auch mit einem eher günstigen Konzept kann man großen wirtschaftlichen Erfolg und Spaß haben. Bei guter Bezahlung der Mitarbeiter*innen. Und wir müssen uns selbst und unser Image richtig nach außen transportieren. Da gibt es kein Patentrezept, aber viele Variablen, die dir diesen Erfolg bringen KÖNNEN.

IMAGE

Mit dem richtigen Image können wir viele Probleme lösen, die aufeinander aufbauen. Haben wir ein höheres Ansehen in der Gesellschaft, können wir marktgerechte Preise verlangen. Damit können wir unsere Mitarbeiter*innen marktgerechter entlohnen, was wiederum dafür sorgt, dass wir eine höhere Nachfrage an Azubis haben. Haben wir mehr Azubis, gibt es weniger Probleme bei der Mitarbeiter*innenakquise. Haben wir wiederum mehr und besser geschultes Personal, können wir einen höheren Umsatz und damit zumeist auch mehr Gewinn fahren. Es ist also alles miteinander verbunden, wenn wir eine Aufwärtsspirale anstoßen wollen.

Dieser Zusammenhang besteht derzeit auch, allerdings in entgegengesetzter Richtung: Es gibt immer weniger Azubis, weswegen es in Zukunft auch eher weniger gute Friseur*innen als heute geben wird. Es gibt immer weniger Azubis, weil die Aussicht auf 1900 Euro brutto plus Trinkgeld einfach nicht wirklich verlockend klingt. Und ja, dies ist der Durchschnittslohn eines/r Haarartist*in in Deutschland, man mag es kaum glauben. Auch wenn auf Facebook immer alle prahlen, dass sie ihren Friseur*innen gefühlt 3000 Euro netto zahlen. Klar ist aber auch: Wir können nicht alle Herausforderungen auf einmal meistern. Dafür braucht es Energie und vor allem eines: Zeit.

IMAGE, ABER WIE?

Zunächst einmal brauchst du einen klaren Plan, was du möchtest und wie du dir die Zukunft für dich persönlich vorstellst. Du brauchst einen modernen und ansprechenden Salon, einen guten und optimierten Salonauftritt im Netz und ein gutes Team um dich herum. Das Wort „Team“ beinhaltet im Übrigen nicht nur deine Mitarbeiter*innen, sondern auch eine-/n gute/n Steuerberater*in sowie Anwält*in. Du benötigst einen preisgerechten und zuverlässigen Lieferanten deiner Produkte sowie einen klaren Finanzplan, von dem du auch in extremen Situationen nicht grundlegend abweichend darfst. Denn wie wir inzwischen schmerzlich wissen: Nach jeder Krise kommt eine neue Krise, soviel ist sicher.

IST DAS ALLES?

Nein, so einfach ist das nicht, denn damit allein ist es nicht getan. Meiner Meinung nach benötigen wir neue Gesetze – gerade im Arbeitsrecht sowie im Arbeitslosenrecht. Es kann nicht sein, dass wir mit einem steigenden Hartz-IV-Satz (gerade von Arbeitsminister Hubertus Heil beschlossen) die sowieso schon hohe Zahl an (offiziell) arbeitslosen Friseur*innen stützen. Denn dieses Gesetz stellt aus meiner Sicht einen klaren Freifahrtschein für Schwarzarbeit aus! Auch sollten wir uns entschieden dafür einsetzen, dass die sogenannte „Kleinunternehmerregelung“ abgeschafft oder zumindest verschärft und besser kontrolliert wird. Wir müssen uns gemeinsam dagegen wehren, von der Politik immer neue Auflagen vorgesetzt zu bekommen, die uns das letzte bisschen Gewinn und Illusion rauben. Das heißt: Wir 80.000 Friseur*innen müssen uns gemeinsam eine Lobby und eine Stimme verschaffen.

FAZIT

Auch ich habe Angst, auch ich gehe mal einen Tag nicht aus dem Haus und würde mich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen. Bin ich dadurch ein schlechter Unternehmer? Nein! Angst zu haben ist menschlich und vor allem eines: gesund! Trotz dieser wirklich bedeutenden Herausforderungen habe ich die Zuversicht, dass einige Wenige eine Bewegung starten können, die vielleicht auch etwas Licht ans Ende des Tunnels bringt. Mein Name ist Nils Ferrand und ich habe den Mut, etwas zu verändern, obwohl ich Angst vor der Zukunft habe.

 

Ihr wollt Kontakt zu Nils aufnehmen? 

Web: Hier gehts zu Nils

Facebook: Nils Profil auf Facebook

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